Soll Neckarwestheim über den Jahreswechsel hinaus am Netz bleiben? Foto: dpa/Marijan Murat

Sollen die verbliebenen Atomkraftwerke über den Jahreswechsel hinaus in Betrieb bleiben? Auch die Grünen schließen das nicht mehr aus - sie stellen aber eine Bedingung.

Sollte es einen drohenden Energiemangel im Südwesten geben, wären die Grünen im baden-württembergischen Landtag offen für einen zeitlich begrenzten Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke. „Meine Partei ringt in dieser Notsituation mit einem kurzzeitigen Überbrückungsbetrieb der Atomkraftanlagen. Das ist für uns keine leichte Situation“, sagte Fraktionschef Andreas Schwarz der Deutschen Presse-Agentur. Das übergeordnete Ziel sei, die Bürger gut durch den Winter zu bringen. „Allen sinnvollen Lösungen, die Energieversorgung sicherzustellen, stehen wir daher offen gegenüber“, sagte Schwarz.

Der laufende Stresstest von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird dabei entscheidend sein. „Sollte er im Herbst zu einer neuen Bewertung kommen, orientieren wir uns daran“, sagte Schwarz. „Das ist also keine Entscheidung auf der Grundlage eines Bauchgefühls, sondern wird auf Faktenbasis getroffen.“ Gleichwohl bleibe es bei der Position der Grünen, dass die Atomkraft eine Risikotechnologie sei. „Zurecht hat Deutschland daher den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen“, sagte der Grünen-Fraktionschef. An der grundsätzlich kritischen Haltung seiner Partei werde sich nichts ändern.

Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich wiederholt offen gezeigt, die drei verbliebenen Atomkraftwerke notfalls über das Jahresende hinaus laufen zu lassen. Jedoch verweist auch er auf Habecks Stresstest für Netzstabilität.

Seit Monaten läuft eine Debatte um eine Energiekrise in Deutschland wegen der massiv gedrosselten Gaslieferungen aus Russland und bisher fehlenden Alternativen. Vor diesem Hintergrund hat das von den Grünen geführte Bundeswirtschaftsministerium einen Stresstest angeordnet, um zu klären, wie im Winter die Energieversorgung sichergestellt werden kann. Dabei werden Szenarien durchgerechnet, darunter mit und ohne die Nutzung von Kernenergie.

Nach dem geltenden Atomgesetz müssten die verbliebenen deutschen Meiler in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn), Isar 2 in Bayern und Emsland in Niedersachsen nach dem 31. Dezember 2022 vom Netz gehen. Für den sogenannten Streckbetrieb, also die Weiternutzung der aktuellen Brennstäbe, braucht es eine Gesetzesnovelle im Bundestag. Hintergrund für den Streckbetrieb sind die abgebrannten Brennstäbe, die wegen der absehbaren Stilllegung nicht mehr erneuert wurden.

Kritiker der Kernkraft warnen wegen der mehr als 30 Jahre alten Reaktoren vor unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken bei nur sehr geringen Energieerträgen. Umweltverbände haben daher bereits Klagen angekündigt, sollte der Atomausstieg nicht zum Jahresende erfolgen.