Die wöchentliche Höchstarbeitszeit soll auf 54 Stunden hochgesetzt werden. Foto: dpa

Eine 54-Stunden-Woche und 12-Stunden-Tage. Der Vorstoß der Landes-CDU zum Thema Arbeitszeit hat für viel Unmut gesorgt. Die Gewerkschaften warnen vor einem Vertrauensbruch.

Stuttgart - Die Gewerkschaften in Baden-Württemberg lehnen eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes weiter vehement ab. „Es gibt überhaupt keinen Grund, an das Gesetz Hand anzulegen“, sagte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Südwesten, Martin Kunzmann. Sollte die Landesregierung tatsächlich eine Initiative im Bundesrat starten, um die bestehenden Regeln zu lockern, dann verletze sie das Vertrauensverhältnis gegenüber den Gewerkschaften, warnte Kunzmann.

Grund der Debatte ist ein Vorstoß von CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zur Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts. Darin ist eine tägliche Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden vorgesehen - bislang sind zehn erlaubt. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit soll auf 54 Stunden hochgesetzt werden - über einen längeren Zeitraum sollen es aber nicht mehr als 48 Stunden sein.

„Mobiles und digitalisiertes Arbeiten erfordert vielerorts ein Umdenken von der Präsenzkultur zur ergebnisorientierten Vertrauenskultur“, sagt Hoffmeister-Kraut zu dem Vorschlag. Und weiter: „Es geht mir um Flexibilität und eben nicht um eine Ausweitung der Arbeitszeit.“

In der grün-schwarzen Koalition hatte der Plan der Ministerin für Unmut gesorgt

Auch Wirtschaftsvertreter kritisieren die gesetzlichen Regelungen immer wieder als zu starr und nicht mehr zeitgemäß. „Die Politik und die Gewerkschaften halten an Grundfesten von vor 40 Jahren fest“, sagt Südwestmetall-Chef Stefan Wolf. In der grün-schwarzen Koalition hatte der Plan der Ministerin allerdings für Unmut gesorgt. Die Grünen fühlten sich übergangen, sind aber grundsätzlich zu Gesprächen bereit, auch wenn ihnen der Vorschlag der CDU zu weit geht.

DGB-Chef Kunzmann sagte, ihn ärgere die Art und Weise, in der über das Gesetz diskutiert werde. „Die Realität ist doch: In vielen Branchen wird immer wieder gegen die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten verstoßen.“ Wenn künftig die Politik hergehe und Verstöße legalisiere, dann sei das ein verfehlter Ansatz, betonte der DGB-Chef: „Nur weil bei Tempo 100 auf der Landstraße jeder 110 oder 120 fährt, gehen wir ja auch nicht her und sagen: Wir erhöhen die zulässige Höchstgeschwindigkeit.“

Das bestehende Gesetz werde den wesentlichen Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern gerecht. Es gebe genug Betriebe, in denen sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag gearbeitet werde. Dort gebe es Betriebs- und Personalräte und es würden Schichtmodelle gestaltet. „Und diejenigen, die das nicht auf die Reihe kriegen, die sollen ihre Hausaufgaben machen und nicht vom Gesetzgeber die Legalisierung von Übertretungen fordern“, sagte Kunzmann unter anderem an die Adresse der Gastro-Branche, die besonders vehement für eine Lockerung der Arbeitszeitregeln eintritt.

IG-Metall-Bezirksleiter Zitzelsberger sieht keine Notwendigkeit für eine Veränderung

Verdi-Landeschef Martin Gross kritisierte, dass mit den Plänen der CDU Zwölf-Stunden-Schichten wieder möglich werden sollten. „Mit diesem Modell ließen sich beispielsweise Altenpflegeeinrichtungen ohne Tarifvertrag im Zwei-Schicht-Betrieb führen, die Folgen für Beschäftigte und Pflegebedürftige wären gravierend“, warnte er.

Zudem stelle die CDU zum wiederholten Male Forderungen auf, die längst auch mit dem bestehenden Arbeitszeitgesetz möglich seien. „So lassen die vielen Ausnahmetatbestände im Gesetz bereits heute für viele Beschäftigte Arbeiten über zehn Stunden am Tag und Ruhepausen unter elf Stunden zu.“ Hier aber werde das Gesetz bewusst als unternehmensfeindliches Bürokratiemonster diskreditiert, um es dann noch weiter aushöhlen zu können.

Auch IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger sieht keine Notwendigkeit für eine Veränderung: „Die Arbeitszeiten sind heute bereits so flexibel, dass sie nahezu alle Erfordernisse abdecken“, sagte er: „Wir haben jüngst im Tarifvertrag Regeln zu mobilem Arbeiten festgelegt, die unter bestimmten Voraussetzungen speziell für diese Beschäftigten eine Verkürzung der Ruhezeit zulassen.“ Wer diese Freiheiten wolle, müsse sich eben an Tarifverträge halten.