Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter kritisiert vier psychiatrische Einrichtungen in Baden-Württemberg. Darunter ist auch das Klinikum am Weissenhof in Weinsberg. Foto: imago images/Einsatz-Report24/Julian Buchner

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter erhebt in ihrem Jahresbericht Vorwürfe gegen mehrere psychiatrische Einrichtungen in Baden-Württemberg. In einer Klinik werden „untragbare“ Zustände kritisiert.

Es sind drastische Worte, die die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in ihrem Jahresbericht wählt. Als „untragbar“ und „unannehmbar“ werden Situationen am Zentrum für Psychiatrie (Zfp) Bad Schussenried (Kreis Biberach) bezeichnet. In der Forensischen Psychiatrie sei festgestellt worden, dass einige Kriseninterventionsräume keine eigene Toilette hatten.

 

„Die dort untergebrachten Patientinnen und Patienten waren gezwungen, ihre Notdurft auf sogenannten Steckbecken zu verrichten, die mitten im Raum standen und von der Überwachungskamera ohne jede Verpixelung voll erfasst wurden“, heißt es im Bericht. Außerdem kritisiert die Nationale Stelle, dass ein Zimmer, in dem Toilette und Dusche offen im Raum stehen, mit drei Personen überbelegt gewesen sei. Eine Mehrfachbelegung eines Zimmers ohne baulich abgetrennte Toilette verstoße gegen die Menschenwürde.

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist eigenen Angaben zufolge eine unabhängige nationale Einrichtung zur Prävention von Folter und Misshandlung. Sie ist im Rahmen der UN-Antifolterkonvention tätig, besucht regelmäßig Orte des Freiheitsentzugs und macht auf Missstände aufmerksam. Dabei steht auch der Maßregelvollzug für psychisch kranke und suchtkranke Straftäter im Fokus. Die Folterprävention erhebt in ihrem Jahresbericht gegen mehrere Forensische Psychiatrien in Baden-Württemberg Vorwürfe, neben dem Zfp Bad Schussenried werden Kliniken in Calw, Emmendingen und Weinsberg (Kreis Heilbronn) genannt.

Fehlende Privatsphäre beim Toilettengang

Im Zfp Emmendingen kritisiert die Folterprävention ebenfalls mangelnde Privatsphäre, wenn die Toilette benutzt wird. Dort sei eine Toilette in einem Zwei-Bett-Zimmer, das doppelt belegt war, lediglich durch einen Vorhang abgetrennt gewesen. Im Klinikum am Weißenhof in Weinsberg stellte die Nationale Stelle fest, dass Patienten beim Hofgang gefesselt würden. Der Bericht verweist auf einen Beschluss des Verfassungsgerichts für den Justizvollzug, in dem es heißt, dass routinemäßiges Fesseln von Gefangenen in einer gesicherten Umgebung nicht gerechtfertigt werden könne. In Weinsberg und im Zfp in Calw müssten sich außerdem neu aufgenommene Patienten bei der Durchsuchung vollständig ausziehen.

Die psychiatrische Klinik in Bad Schussenried will sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht zur Kritik äußern, da schon in anderen Medien Stellung genommen worden sei. Der Schwäbischen Zeitung sagte der stellvertretende Geschäftsführer des Zfp Südwürttemberg Gerhard Längle, die Situation sei lediglich ein vorübergehender Zustand gewesen, der durch Umbauarbeiten zustande gekommen sei. Die Kritik betreffe letztlich ein Symptom, dessen Ursache die immer höhere Zahl an Patienten sei. Diese ist auch am Zfp Emmendingen spürbar. Durch die wachsende Anzahl an Patienten seien die Zweibett-Zimmer auf der Krisen- und Sicherungsstation auch die meiste Zeit durch zwei Patienten belegt, sagt der Medizinische Direktor der Forensischen Psychiatrie, Ralf Zehnle unserer Zeitung. Früher sei in so einem Zimmer oft nur ein Patient gewesen, die gemeinschaftliche Toilette habe dadurch keine Rolle gespielt.

So äußert sich die Klinik in Emmendingen

Die Kritik der Nationalen Stelle findet Zehnle nachvollziehbar. Mit Blick auf die Situation im Zfp erläutert er, tagsüber könnten die Patienten die Gemeinschaftstoiletten außerhalb des Zimmers benutzen. „Nur nachts können sie das Zimmer nicht verlassen und müssen den Toilettengang dort machen.“ Das Problem werde im nächsten Jahr mit einem Erweiterungsbau behoben.

Zfp in Weinsberg: Kritik nicht nachvollziehbar

Am Zfp Weinsberg findet man die Kritik der Präventionsstelle an der Forensischen Psychiatrie nicht ganz nachvollziehbar. „Der Maßstab wird extrem hoch angelegt“, sagt Matthias Michel, Ärztlicher Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung am Zfp. Dass Patienten beim Hofgang gefesselt werden, passiere nur in extremen Ausnahmefällen und diene dem Schutz der anderen Patienten und der Mitarbeiter.

Neuaufgenommene Patienten müssten sich tatsächlich vollständig entkleiden bei der ärztlichen Untersuchung, dies um zu verhindern, dass sie etwas auf die Station schmuggeln. An diesen Vorgehensweisen könne sich aus Sicherheitsaspekten nichts ändern, so Michel. Man achte aber jetzt genauer darauf, dass sich Patienten bei der Untersuchung mit einem Handtuch bedecken können.

Im Zfp Calw werden suchtkranke Straftäter behandelt. „Viele sind nicht abstinent und versuchen, Betäubungsmittel und verbotene Gegenstände mitzubringen. Deswegen werden die Patienten kontrolliert“, erläutert der Medizinische Direktor der Forensik, Matthias Wagner, warum sich die Patienten dort komplett ausziehen müssen. Den Einwand der Folterprävention akzeptiere man im Wesentlichen. Als Reaktion auf die Kritik habe man die Abläufe verändert, sodass die Patienten nie komplett nackt seien.