Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg gibt erstmals einen Ausbildungsreport für das Land heraus. Bevor Betriebe über Fachkräftemangel jammern, sollten sie die Bedingungen für ihre Auszubildenden verbessern, fordert der DGB.

Einseitige Ausbildung

Von Gemüse hat Hannes die Nase voll. Zu viel davon hat er in den vergangenen zwei Jahren in seiner Ausbildung als Koch geschnippelt. Hannes will lieber ans Fleisch. Die Messer schärfen, Filets zuschneiden, große Stücke braten. Aber das darf er in seinem Betrieb nur ganz selten. „Da könnte es passieren, dass Anfänger mal ein Stück falsch zerschneiden“, sagt Hannes, der seinen vollen Namen und den seines Ausbildungsbetriebs nicht angeben möchte. Als die Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Baden-Württemberg am Montag den ersten Ausbildungsreport für den Südwesten in Stuttgart vorstellt, sitzt Hannes mit auf dem Podium und erzählt von seinem Frust. Der 21-Jährige sorgt sich, dass ihm für die Abschlussprüfung im Frühjahr die Übung fehlt. Ein Drei-Gänge-Menü muss er dann kochen. Zwar erfährt er den Speiseplan einen Monat vorher. „Aber zum Üben wird im Betrieb nicht genug Zeit sein“, sagt Hannes. „Das muss ich zu Hause machen – und die Zutaten selbst bezahlen.“ Zweimal sei er kurz davor gewesen, die Ausbildung abzubrechen.

Wenig Betreuung

Mit seiner Unzufriedenheit ist Hannes nicht allein – das zeigt der Report, für den rund 2000 Lehrlinge im Land befragt wurden. Mangelnde Betreuung zählt zu den größten Problemen. Fast jeder dritte Lehrling im Südwesten hat keinen betrieblichen Ausbildungsplan. Diese Azubis können kaum überprüfen, ob ihnen die vorgeschriebenen Inhalte vermittelt werden. Bei den Ausbildern gibt es ähnliche Probleme: Zwar bekommen die meisten Azubis formal einen Ausbilder zugeteilt, aber bei rund elf Prozent von ihnen sind die Ausbilder „selten“ bis „nie“ präsent. Zudem muss etwa jeder zehnte Lehrling mit Ausbildungsplan regelmäßig ausbildungsfremde Aufgaben erledigen. „Das Auto vom Chef zu waschen“ könne aber nicht Teil der Lehre sein, kritisiert André Fricke, Bezirksjugendsekretär des DGB Baden-Württemberg .

Viele Überstunden

Rund 43 Prozent der befragten Lehrlinge im Südwesten machen regelmäßig Überstunden – im bundesweiten Durchschnitt sind es nur rund 38 Prozent. Etwa jeder sechste Lehrling mit Überstunden bekommt dafür keinen Ausgleich – weder finanziell noch mit zusätzlichen Urlaubstagen. Kochlehrling Hannes arbeitet zwölf Stunden am Tag – obwohl das Arbeitszeitgesetz maximal zehn Stunden zulässt.

Seit der Einführung des Mindestlohns wird die Aufzeichnung der Arbeitszeiten zwar stärker kontrolliert. Sein Betrieb trickse aber, sagt Hannes: „Wir haben einen Ordner mit Stundenzetteln für den Zoll – und einen zweiten mit den echten Stundenzetteln.“ DGB-Bezirksjugendsekretär Fricke kritisiert diese „kriminelle Energie“ in manchen Betrieben – und die generelle Sicht einiger Auszubildender auf ihre Lehrlinge: Viele Auszubildende würden als reguläre Arbeitskräfte eingesetzt. „Eine Ausbildung ist aber ein Lehrverhältnis.“

Branchenunterschiede

Wie zufrieden Lehrlinge sind, hängt stark von der jeweiligen Branche ab. Die Schlusslichter bilden in der DGB-Umfrage das Hotel- und Gastronomiegewerbe sowie die Ausbildungsberufe Maler und Lackierer, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk und die medizinischen und zahnmedizinischen Fachangestellten. Fast jeder zweite Koch- oder Friseurlehrling im Land bricht seine Ausbildung nach Angaben des DGB neuesten Zahlen zufolge ab. Wenige Abbrecher gibt es dagegen in den Branchen, die bei der Zufriedenheit der Azubis an der Spitze stehen – zum Beispiel die Bankkaufleute und Mechatroniker. Nur vier beziehungsweise fünf Prozent brechen die Lehre ab.

Mangelhafte Kontrollen

Bisher würden Ausbildungsbetriebe meist von den Handwerkskammern kontrolliert, sagt DGB-Bezirksjugendsekretär Fricke. Sie seien aber voreingenommen, schließlich müssten sie bei Verstößen in Betrieben gegen ihre eigenen Mitglieder vorgehen. Deshalb fordert der DGB eine neue, unabhängige Institution für die Kontrolle der Ausbildungsqualität. Diese Forderung bringe der DGB bei den Beratungen zu einem neuen Berufsbildungsgesetz ein, die derzeit in Berlin laufen. Konkrete Pläne gebe es zwar noch nicht. Für Fricke wäre es aber denkbar, die Stelle bei der Gewerbeaufsicht anzusiedeln.

Die Kosten für Werkzeug, Arbeitskleidung oder Schulbücher sollen zukünftig nicht mehr an den Auszubildenden hängen bleiben – auch das fordert der DGB. Kochlehrling Hannes hat nach eigenen Angaben zum Start der Berufsschule mehr als 100 Euro für Bücher ausgegeben – für angehende Köche im ersten Lehrjahr rund ein Sechstel eines Monatsgehalts.

„Das Gejammer zum Fachkräftemangel lassen wir nicht mehr zu“, fasst Gewerkschaftler Fricke zusammen. Die Unternehmen „müssen sich nicht wundern, wenn ihnen ohne gute Bedingungen für die Ausbildung am Ende die Fachkräfte fehlen“,