Gleich neben dem Brenners in Baden-Baden werden jetzt 20 Millionen Euro investiert – in die neue Villa Stephanie Foto: Unternehmen

Der Lebensmittel-Konzern Dr. Oetker wird zunehmend zum Hotelbetreiber: Zahlreiche Luxusherbergen über den gesamten Erdball gehören mittlerweile zu der Gruppe. Gelenkt wird das Hotel-Imperium aus Baden-Baden.

Baden-Baden - Diskretion gehört zu seinem täglichen Dienst. Über prominente Gäste wie Hollywood-Star George Clooney, den Dalai Lama oder Ex-US-Präsident Bill Clinton sprechen? Kommt nicht infrage. Über den besonderen Wunsch eines Unternehmers plaudern, wenn der irgendwann am späten Abend den Zimmerservice anklingelt? Von wegen.

Über die Shopping-Vorlieben der beiden Jetset-Damen reden, die ihre prall gefüllten Taschen kaum bis zum Hotel tragen konnten? Wo kämen wir da hin. Frank Marrenbach, Chef im noblen Brenners Park Hotel in Baden-Baden, lächelt solche Fragen locker weg. „Wissen Sie“, sagt der 48-Jährige dann mit einem charmanten Augenaufschlag, „für uns hat jeder Gast einen hohen Stellenwert.“ Soll heißen: Schweigen ist im Übernachtungspreis inbegriffen.

Oetker-Hotels sind keine preiswerten Tagungshotels

Nun ja, mancher Gast rangiert in der Wertigkeitsskala am Ende dann vielleicht doch etwas höher als jener in der Nachbarsuite. Aber was soll’s. Marrenbach beherrscht sein Metier. Er ist nicht nur einer der weltweit bekanntesten Hotelmanager, er gilt als Chef der sogenannten Oetker-Hotel Management Company auch als einer der einflussreichsten Fachleute der Szene. Aber halt: Oetker und Hotels – das kann doch nicht sein. Oetker, das ist doch diese Firma, die ihre ersten Geschäfte einst mit Gesundheitskakao, Fußcreme und Warzentinktur machte. Oetker, das sind doch Nahrungsmittel. Diese kleinen Tütchen Backpulver aus dem Supermarkt, natürlich Vanillepudding, unzählige Backbücher. Da gehören doch Sektmarken wie Fürst von Metternich, Softdrinks wie Bionade, Tiefkühlpizzen wie Thunfisch mit Zwiebeln, Biersorten wie Radeberger dazu. Auch Beteiligungen im Bereich der Schifffahrt und von Banken. Aber Hotels?

Sehr wohl! Und zwar keine preiswerten Tagungshotels. Nein, die Gruppe der Oetker-Hotels arbeitet in einer anderen Liga. Mit Frank Marrenbach an der Spitze. Der gebürtige Rheinländer – Studium in New York und Zürich, berufliche Hotel-Erfahrungen in London und Paris, in Düsseldorf und Frankfurt, im Gästehaus der Bundesregierung auf dem Bonner Petersberg – verantwortet neben dem Brenners seit 2009 eine Kette von derzeit neun Luxushotels rund um den Erdball mit zusammen 2200 Mitarbeitern.

Dr. Oetker weiter auf Expansionskurs

Angefangen beim Le Bristol in Paris, dem Hotel du Cap-Eden-Roc am Cap d’Antibes und dem Château Saint Martin & Spa in der Provence über das Eden Rock – St. Barths in der Karibik sowie dem Palais Namaskar in Marokko bis zum Fregate Island Private auf den Seychellen, dem L’Apogee Courchevel in den französischen Alpen und dem The Landesborough in London. Ein Haus so luxuriös wie das andere. Und ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht.

„Wir suchen weiterhin weltweit nach Häusern, die zu unserer Philosophie passen“, erzählt Marrenbach. In den nächsten Jahren soll die „Oetker Collection“ auf 15 Hotels erweitert werden. Zum Beispiel in New York, vielleicht in Istanbul, wenn irgendwie möglich in Rom, auf jeden Fall in São Paulo, „dem Powerhaus Südamerikas“, wie er die Metropole im Herzen von Brasilien nennt. Erst vor einigen Jahren hatten Marrenbach und sein Führungsteam der Oetker- Hotel-Gruppe einen majestätischen Palast in Kairo im Blick. „Aber dann kam der arabische Frühling, und die Pläne waren dahin.“ Denn ein neues Domizil komme nur dort infrage, „wo politische Stabilität existiert“.

Also heißt es weltweit weiter die Augen offen halten. Dass es trotz politischer Krisen eine ausreichend zahlungskräftige Klientel gibt, die bereit ist, im Schnitt bis zu 1000 Euro für eine Übernachtung in einem der Oetker-Hotels auszugeben, daran hat Marrenbach keinen Zweifel. „Wir haben in den vergangenen Jahren etwas aufgebaut, das eine gute Zukunft hat. Diese Branche der Luxushotels ist aus meiner Sicht krisenresistent, weil es immer Menschen gibt, die bereit sind, für Komfort zu bezahlen.“

Räume mit Metallgewebe ausgekleidet, um ungestört offline zu sein

Sonst hätten sich die Verantwortlichen des Oetker-Konzerns wohl auch kaum entschlossen, gleich neben dem Brenners in Baden-Baden jetzt eine 20-Millionen-Euro-Investition zu tätigen, die an diesem Donnerstag eröffnet wird. Der Name: Villa Stephanie. Dahinter verbirgt sich ein Projekt, das seinesgleichen sucht. Nur zwölf Doppelzimmer, dazu ein paar Suiten, das Ganze auf gerade mal fünf Stockwerken, eine 5000 Quadratmeter große Spa-Landschaft, inklusive Hamam und privatem Fitnesscenter, dazu ein Privatpark, und, und, und. Na und?, werden Kritiker sagen, das gibt’s auch woanders.

Aber da widerspricht Marrenbach. „Reisen ist zunehmend auch ein Stück Psychologie. Und gerade das Thema Gesundheit gewinnt für die Gäste zunehmend an Bedeutung.“ Und so entschieden sich die Oetker-Leute für seltene Maßnahmen. Nicht nur, dass jedes Zimmer seinen eigenen Wellness-Bereich hat, alle Wände wurden mit einem speziellen Metallgewebe versehen. „Das ermöglicht eine ganz gezielte Form der Rückzugsmöglichkeit“, berichtet der Hotel-Chef über diese Neuerung, „damit stoßen wir in eine neue Dimension vor.“ Der Effekt: Neben dem Abschalten im übertragenen Sinn kann der Gast über Schalter am Nachttisch seinen WLAN-Zugang stilllegen.

Das aber macht nur Sinn, wenn auch eine Abschirmung zu den Nachbarzimmern besteht. „In einer Welt, in der die Menschen fast rund um die Uhr vernetzt sind, müssen Refugien entstehen, in denen eine Möglichkeit der Ruhe und Fokussierung auf sich selbst eröffnet wird. Dazu ist die Villa Stephanie geschaffen worden.“

Dieser Schritt passt zu Marrenbach. Er sei ehrgeizig, gibt er zu. „Ich will immer der Erste sein und komme ungern als Zweiter über die Ziellinie.“ Dabei stammt er aus ganz bodenständigen Verhältnissen. „Ich habe mit meinen Eltern nie Urlaub in einem Luxushotel gemacht.“ Sein Vater war Drucker in Stuttgart, seine Mutter war Hausfrau. „Was ich im Leben bisher erreicht habe, ist das Ergebnis von Fleiß und Werteorientierung.“

Marrenbach verschrieb sich mit Haut und Haaren der Dr. Oetker-Philosophie

Diese Einstellung muss auch Firmenpatriarch Rudolf August Oetker an ihm schnell entdeckt und geschätzt haben, als er Marrenbach im Jahr 2000 zum Gespräch in die Konzernzentrale nach Bielefeld einlud und fragte, ob er bereit sei, die Leitung des Brenners in Baden-Baden zu übernehmen. „Was wollen Sie mit dem Hotel machen?“, war die erste Frage an den gerade mal 33-jährigen Jungmanager.

Er möge sich ein Konzept überlegen und dann wiederkommen. Allein, es folgte umgehend die zweite Aufforderung: „Überlegen Sie sich gut, was Sie sich vornehmen, und fragen Sie sich, ob Sie das alles auch tun würden, wenn es Ihr eigenes Geld wäre.“

Marrenbach fuhr nach Hause, erarbeitete ein Strategiepapier. Und erhielt den Zuschlag – wohl wissend, dass er sich fortan mit Haut und Haaren der Philosophie dieses großen deutschen Familienunternehmens verschrieben hat. Und das bedeutet nach den Vorstellungen von Oetker: Erstens „Arbeite, arbeite unter Anspannung aller Kräfte.“ Zweitens: „Sei sparsam.“ Drittens: „Die Zeit ist dein Kapital, jede Minute muss dir Zinsen bringen.“ Marrenbach weiß um die Verantwortung. Aber er weiß auch, dass er sich auf das Wort der Gründerfamilie verlassen kann, wenn es um Entscheidungen für die Zukunft geht. „Ein Ja bleibt hier ein Ja und wird nicht morgen zu einem Nein.“

Weniger Russen, aber mehr Chinesen in Baden-Baden

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die Zusammensetzung der Gäste in den Hotels ständig ändert und dies dauernd für neue Herausforderungen sorgt. Siehe Baden-Baden. Der Anteil der russischen Gäste im Brenners hat zuletzt von 18 auf 15 Prozent abgenommen, eine Folge der politischen Krise. Andere Nationalitäten wie die Deutschen (37 Prozent), die Nordamerikaner und Gäste aus dem Mittleren Osten (jeweils zehn Prozent) sind konstant geblieben. Dafür kommen nun verstärkt andere, zum Beispiel Chinesen. „In dieser Branche hast du keine Zeit zum Ausruhen, da ist man ständig gefordert.“

Bleibt da Zeit fürs Private? Marrenbach schaltete über Weihnachten einfach mal für drei Tage das Handy ab, sichtete keine E-Mails. „Ich wusste nicht, ob ich es durchhalte“, gibt er zu. Aber er schaffte es, widmete sich ganz der Familie, diskutierte mit seinen 16 und 17 Jahre alten Söhnen über die Krim und andere Krisenherde der Weltpolitik. Danach fühlte er sich wie ein kleiner Sieger: „Ich war richtig stolz auf mich.“