In Bad Herrenalb trommelt eine Bürgerinitiative seit Monaten für einen Wechsel vom Kreis Calw zum Landkreis Karlsruhe. Die Befürworter des Wechsels versprechen Vorteile auf vielen Ebenen. Am Sonntag gibt es nun einen Bürgerentscheid darüber.
Bad Herrenalb - Wenn am kommenden Sonntag in Bad Herrenalb 6300 Wahlberechtigte zum Bürgerentscheid aufgerufen sind, geht es um nichts weniger als den Verbleib der Gemeinde beim württembergischen Landkreis Calw. Eine Gruppe älterer Herren hatte im Frühjahr mit der Möglichkeit eines Kreiswechsels viele Erwartungen ausgelöst und knapp 1600 gültige Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt – vier Mal mehr als nötig gewesen wären.
Das Votum fällt gut 40 Jahre nach der Kreis- und Gebietsreform von 1971, nach der nicht jede Zuordnung durchweg auf Wohlgefallen stieß. Auch in Herrenalb gibt es eine latente Unzufriedenheit mit der 1973 bestätigten Zugehörigkeit zu Calw. Der Kreis Calw schmückt sich seit der Gebietsreform mit dem Titel „Bäderkreis“, doch Bad Herrenalb hat, wie viele andere Kur- und Erholungsorte auch, mit dem Strukturwandel zu kämpfen. Seit 1954 ist das als ehemaliges Klosterdorf bekannte Bad Herrenalb anerkannter heilklimatischer Kurort. 1971 kam, nachdem in 600 Metern Tiefe eine Thermalquelle erbohrt wurde, der Titel „Bad“ hinzu. Herrenalb zählt heute, zusammen mit den drei Höhenstadtteilen, etwa 7400 Einwohner. Davon leben etwa 4000 Menschen im Kernort Herrenalb. Es gibt kein eigenes Gewerbegebiet, seit Jahren gibt es Klagen über die steigende Verschuldungsrate.
Gegner bezweifeln, dass der Wechsel etwas bringt
Allerdings scheinen die jetzt kursierenden Argumente für den Wechsel zum westlich gelegenen badischen Kreis Karlsruhe eher blumige Versprechen zu sein. „Die politischen Verhältnisse vor Ort wird die Zugehörigkeit zu einem anderen Landkreis kaum beeinflussen“, hieß es kürzlich in einem Leserbrief der Lokalzeitung. Der Leser merkt an, dass die Bevölkerung vor einigen Jahren gegen das Naturschutzprojekt Nationalpark gestimmt habe, was mancher heute eher bedauere. Dafür habe man aber ein „Millionengrab Erlebnisbad“ befürwortet. Am 1. Dezember 2013 hatten die Herrenalber das Bäderprojekt einer ominösen Investorengruppe befürwortet, das wenige Monate später in den Schubladen verschwand. Auch einer der damaligen Gegner des Bäderprojekts sagt: „Die Herrenalber dürfen nicht erwarten, dass man sie bei einem Kreiswechsel mit Mitteln überschüttet“. Doch die Bevölkerung der Kurstadt, die zu einem Gutteil aus Pendlern besteht, scheint sich von den Versprechungen locken zu lassen. Wer durch den Ort spaziert, sieht in fast jedem Schaufenster Plakate, die für den Wechsel werben. „Ja zum Landkreis Karlsruhe“ heißt es da in großen Lettern.
Ende September hatte die Stadt 6500 Exemplare einer Hochglanzbroschüre an die Haushalte verteilen lassen, in der die Argumente für und wider einen Wechsel aufgelistet sind. Der Bürgermeister Norbert Mai (parteilos) scheint jedenfalls wenig begeistert von der anstehenden Wahl. Es sei jedoch „an der Zeit über diese Frage abzustimmen“, sagt er, könne für sich aber den Mehrwert eines Wechsels zum Landkreis Karlsruhe nicht erkennen.
Der Calwer Landrat sichert seine Unterstützung zu
Im Mai hatte er sich in der Broschüre für einen Verbleib im Landkreis Calw ausgesprochen. Vielleicht nicht ganz ohne Grund: 2011 erhielt die Kurstadt den Zuschlag für die kleine Gartenschau, die im Mai 2017 beginnt. Selten hatte der Landkreis der Stadt so viel Unterstützung zukommen lassen wie für dieses Projekt. Auch Calws Landrat Helmut Riegger (CDU) taucht fast wöchentlich in Herrenalb auf. Auch sonst wirbt er mit allerlei Versprechungen: erstmals tagte jetzt der komplette Calwer Kreistag im Herrenalber Kurhaus. Ein „Zeichen der Verbundenheit“ sei das. Alle fünf Kreistagsfraktionen verabschiedeten im Oktober eine Resolution, mit den Worten: „Der Kreis Calw mit seinen 25 Städten und Gemeinden umfasst in seiner altwürttembergischen Tradition von je her Bad Herrenalb mit allen seinen Teilgemeinden. Bad Herrenalb passt historisch und landschaftlich zum Kreis.“ Wohl nicht zufällig wurde auch bekannt, dass Calw die Kreisumlage gesenkt hat. Allerdings wird sie immer noch höher sein als im badischen Landkreis Karlsruhe.
Die Initiatoren des Bürgerentscheids um deren Sprecher Martin Knirsch versprechen, dass im Fall eines Kreiswechsels Ämter und Gerichte „nicht mehr hinter den Bergen bei den sieben Zwergen“ liegen würden. Gemeint ist dabei die etwa 40 Kilometer entfernte Kreisstadt Calw. Man wolle künftig „teilnehmen an der dynamischen und innovativen Entwicklung des Raums Karlsruhe“ und erhoffe sich zudem Aufschwung bei den Schulen und bei einem Klinik- und Bäderverbund. Bei den Argumenten schwingen erkennbar Emotionen mit. Es werde nicht mehr Gäste geben, wenn Herrenalb zu Karlsruhe gehöre, prophezeit dagegen ein Leser der Lokalzeitung – geschweige denn mehr Arbeitsplätze oder gar Gewerbeansiedlungen.