Foto: Maira Schmidt

Die Qualität des Weins leidet bislang nicht unter dem nasskalten Wetter.

Bad Cannstatt/Neckarvororte - Als am Dienstagmorgen die Sonne aufging, hielt Gerhard Schmid nichts und niemand mehr im Haus. Von morgens bis abends war der Vorsitzende der Weingärtner Bad Cannstatt im Weinberg unterwegs, um die Reben mit Pflanzenschutzmittel zu spritzen. Peronospora heißt die Gefahr, vor der die Wengerter ihre Pflanzen schützen wollen: „Diese Pilzkrankheit tritt schnell auf, wenn es draußen kühl und feucht ist“, sagt Schmid.

Und das war es in den vergangenen Wochen in der Tat, bestätigt Klaus Riedl vom Deutschen Wetterdienst. Der Meteorologe rechnet – die letzten drei Monatstage des Monats prognostisch mit eingerechnet – auf dem Schnarrenberg in Bad Cannstatt mit einer Durchschnittstemperatur von 12 Grad in diesem Mai, was eineinhalb Grad unter dem langjährigen Mittel liegt. Mit circa 135 Litern Niederschlag pro Quadratmeter ist im Mai außerdem 50 Prozent mehr Regen als im langjährigen Mittel gefallen, während mit rund 120 Sonnenstunden gerade einmal 60 Prozent des Monatssolls erfüllt wurden.

„Der Mai kristallisiert sich als zu kühl heraus“, sagt Riedl. So sei etwa mit einer Höchsttemperatur von nur 8,2 Grad am 26. Mai ein neuer Negativrekord für diesen Tag auf dem Schnarrenberg aufgestellt worden. In der Nacht vom 24. auf den 25. Mai hatte es an der dortigen Messstation sogar Bodenfrost gegeben.

Sommerregen und Wärmegewitter erhöhen Fäulnisgefahr

Dieser jedoch schade den Reben ebenso wenig wie der viele Regen, sagt Jürgen Off, der Kellermeister der Weinmanufaktur Untertürkheim. Allein Luftfrost wäre ein großes Problem für die Weinbauern in Bad Cannstatt und dem Neckartal: „Die bereits grünen Rebteile würden erfrieren“, sagt Off. Bisher allerdings hätten die Pflanzen keinen Schaden genommen, allenfalls sei das Wachstum um acht bis zehn Tage verzögert. Auch Rolf Berner, der Vorstandsvorsitzende des Collegium Wirtemberg, ist davon überzeugt, dass das verregnete Frühjahr für den Wein bislang „sicherlich kein Nachteil“ ist. Im Gegenteil: In den vergangenen 15 bis 20 Jahren sei es vielmehr so gewesen, dass sich die Lese immer weiter nach vorne verschoben habe. Während sich Berner erinnert, dass etwa die Riesling-Lese in seiner Kindheit oft erst im Dezember stattfand, seien einige Traubensorten heute schon Mitte September reif. Das habe jedoch einen Nachteil: Die Trauben reifen in der Sommerhitze. Die für diese Jahreszeit üblichen Wärmegewitter und Platzregen würden jedoch die Fäulnisgefahr erhöhen. Wenn sich der Vegetationszyklus durch den kühlen und nassen Frühling also ein wenig verzögert, sei das nicht negativ.

Auf die Qualität des Weins habe das nasskalte Wetter bisher jedenfalls keinen Einfluss, betonen die Wengerter. „Es gibt in jedem Jahr schwierige Phasen“, sagt Off. Viel entscheidender als die Witterungsverhältnisse im Frühjahr sei die Wetterlage im September und Oktober.

Sorgen bereitet ihm zurzeit mehr die dringend nötige, aber durch die Nässe deutlich schwierigere und aufwendigere Pflege der Weinberge: Es sei schwierig, die Grünflächen zu mähen und die Wege frei zu halten, die Arbeit im Weinberg sei gefährlicher, so Off. Nicht zuletzt halte die Wirkung der Pflanzenschutzmittel bei Regen weniger lang vor, ergänzt Gerhard Schmid. Deshalb hoffen die Weinbauern in den kommenden Tagen auf mehr Sonne: „Wenn es noch länger kalt bleibt, wird es schwierig“, sagt Schmid. Eine späte Blüte bedeute eine späte Ernte, womit auch die Gefahr steige, bei der Lese im Herbst in eine Schlechtwetterperiode zu geraten. Um die 25 Grad und Sonne würde er sich vom Wettergott wünschen. Dieser Wunsch ist laut Klaus Riedl nicht unrealistisch. „Am Wochenende bleibt es noch kühl und regnerisch, aber von Montag an wird es langsam freundlicher und wärmer.“ Der Meteorologe hält es für durchaus möglich, dass sich die Temperaturen Anfang Juni über einen längeren Zeitraum auf Werte von 20 Grad und mehr einpendeln.