Ferien für die einen, Verschnaufpause für die anderen: Das Angebot der Caritas in Bad Cannstatt richtet sich an Familien von Kindern mit Behinderung.
Bad Cannstatt - „Theo will man im Hotel nicht und das ist nicht mal böse gemeint! Aber er ist halt so präsent und so laut“, berichtet Mutter Christiane Wallis von ihren Erfahrungen. Ihr Sohn ist zwölf, hat das Downsyndrom und kann Sonne, Strand und Meer ohnehin nichts abgewinnen. Urlaub ist also eine Frage der Definition, für die Eltern, für Theo und für seinen kleinen Bruder Jacob (9), der im Alltag allzu oft zurückstecken muss. Gut, dass es das Cannstatter Kindergästehaus der Caritas gibt. Und das nun schon seit 20 Jahren.
Es gibt lange Wartelisten für diese speziellen Ferienfreizeiten
Wenn das Programmheft des Kindergästehauses im Herbst erscheint, stürze sich die ganze Familie darauf, erzählt Christiane Wallis. Dann wird geplant und alle sind voller Vorfreude: Theo, weil das Kindergästehaus einen Urlaub ganz nach seinen Bedürfnissen verspricht – möglich macht es der Betreuungsschlüssel 1:1. Jacob, weil er dann mal im Mittelpunkt stehen darf und nicht immer die Rolle des „kleinen, großen Bruders“ übernehmen muss. Und die Eltern, die sich früher fast in der Fürsorge für das besondere und das sensible Kind aufgerieben haben und die so eine Verschnaufpause erhalten.
Oft gebe es lange Wartelisten für diese speziellen Ferienfreizeiten, deren Dauer von einem Wochenende bis zu maximal drei Wochen in den Ferien reicht, erklärt Beatrix Schmidt, Leiterin des Kindergästehauses. Jetzt, am Werktag, ist es dagegen fast unheimlich still im Gemeinschaftsraum, in dem sonst auch die Mahlzeiten serviert werden: „Normalerweise tobt hier das Leben.“
Auch kleine Gäste mit schwereren Behinderungen übernachten dort
Das Betreuungsangebot mit Übernachtung versteht sich als Ergänzung zur im selben Gebäude untergebrachten Tagesbetreuung. Ebenso wichtig: Die Caritas macht immer wieder spezielle Angebote für die Geschwisterkinder, denen sonst oft besondere Rücksichtnahme abverlangt wird. Außerdem unterstützen der familienentlastende Dienst und seine Integrationsbegleiter betroffene Familien. Und zweimal pro Woche bietet man in der Gustav-Werner-Schule in Zuffenhausen-Rot eine Nachmittagsbetreuung an. Inzwischen übernachten auch immer mehr kleine Gäste mit schwereren Behinderungen: Hier zeige sich, dass die Inklusion funktioniere, erläutert Stefan Frommberger, Leiter des Caritas-Bereichs Behindertenhilfe: „Die Kinder, die früher kamen, sind heute integriert.“ Und Uwe Hardt, Vorstand des Stuttgarter Caritasverbandes, kündigt an, es gebe Überlegungen, das Angebot des Kindergästehauses auszuweiten. Derzeit gelte noch eine Altersgrenze von zwölf Jahren. „Kindsein endet ja aber nicht mit zwölf“, sagt Hardt.
Beheizbares Wasserbett inklusive Entspannungsmusik und Lichtbad
Beatrix Schmidt führt durch die Räumlichkeiten in der Gnesener Straße: Auf 330 Quadratmetern gibt es bedarfsgerecht, aber liebevoll nach einem Tier-Motto gestaltete Zimmer. Am beliebtesten ist das Spielzimmer mit dem Bällebad und natürlich der „Snoezelraum“, mit seinem beheizbaren Wasserbett inklusive Entspannungsmusik und Lichtbad – Snoezelen ist ein holländisches Fantasiewort aus snuffelen (kuscheln) und doezelen (dösen). Hier können die Kinder also mal so richtig zur Ruhe kommen, was auch ihre Entwicklung fördert.
Theo jedenfalls komme stets mit gestärktem Selbstbewusstsein und voller Tatendrang nach Hause, erzählt seine Mutter: Andererseits habe es sich eingebürgert, dass Jacob sich wünschen darf, wie er seinerseits diese Woche verbringen möchte: „In diesem Jahr war das: Einfach allein zu Hause sein und seine Ruhe haben. Und Papa soll die Carrera-Bahn aufbauen.“ Ein bescheidener Wunsch, der aber ohne das Kindergästehaus kaum in Erfüllung ginge.
Was würden sich Hardt, Frommberger und Schmidt zum runden Geburtstag für ihre Einrichtung wünschen? „Weitere 20 Jahre Kindergästehaus, mindestens!“ ruft Beatrix Schmidt – und Christiane Wallis nickt begeistert.