Das Ärzteteam der Krankenstation Kalloni freut sich über das Rettungsfahrzeug, das Maren Huber und Ralf Hokenmaier (beide rechts) nach Lesbos gebracht haben. Nächste Woche startet das Paar von Bad Boll aus zu einem weiteren Hilfstransport auf die griechische Insel. Foto:  

In der nächsten Woche brechen Maren Huber und Ralf Hokenmaier aus Bad Boll erneut nach Lesbos auf, um eine Krankenstation mit Medikamenten und Verbandsmaterial sowie Flüchtlinge mit Kleidung, Schuhen und einigem mehr zu versorgen.

Bad Boll - Große Kartons mit Kinderkleidung von den Nachbarn, Plastiktüten mit Hunderten nagelneuer Socken, ein kleines Päckchen mit zwei Paar originalverpackten Schuhen, die jemand aus Limburg nach Bad Boll geschickt hat. Im Hause von Maren Huber und Ralf Hokenmaier sieht es fast so aus, wie im Lager eines Versandhandels. Dabei treiben die beiden 47-Jährigen im normalen Leben die Werbeagentur Projekt E um, arbeiten dementsprechend viel – und fahren ab und zu mal in den Urlaub.

Jetzt steht die nächste Reise an. Es geht wieder nach Lesbos. Doch von Erholung und Entspannung wird wieder einmal nicht die Rede sein. Seit Ende November vergangenen Jahres hat sich der Alltag des Paars gewaltig verändert. Schuld daran war ein Internet-Video, in dem es um die Situation der Flüchtlinge auf der griechischen Insel ging und in dem ein Einheimischer unter anderem beklagte, „dass wir hier nicht einmal einen Krankenwagen haben“.

Das ganze Ausmaß einer humanitären Katastrophe

Ralf Hokenmaier ließ dieser Satz nicht mehr los. „Ich konnte das kaum glauben“, erinnert er sich. „So etwas in Europa, war für mich unvorstellbar“, ergänzt Maren Huber. Nur wenig später war der Entschluss gefasst, den bereits gebuchten Trip nach Spanien zu canceln, stattdessen einen Krankenwagen zu kaufen und diesen nach Lesbos zu bringen. Die Aktion rollte an. Hokenmaier und Huber nutzten ihre Kundenkontakte und ihr Netzwerk, sammelten Spenden, organisierten bei der Lorcher Firma Binz ein passendes Fahrzeug und anderswo Verbandsmaterial, Medikamente sowie vieles mehr.

„Wir rannten praktisch überall offene Türen ein und setzten zudem Freunde und Bekannte in Marsch, die in Griechenland wohnen, um für uns Ansprechpartner vor Ort aufzutun, an die wir uns wenden können“, sagt Ralf Hokenmaier. Bereits vier Wochen später, nachdem auch die letzten bürokratischen Hürden aus dem Weg geräumt waren, ging es mit dem bis unter das Dach vollgepackten Krankenwagen los. Kaum auf der Insel angekommen, die mit meist untauglichen Schlepperbooten Tag für Tag von aberhunderten Flüchtlingen angesteuert wird, offenbarte sich den beiden unbedarften Helfern das ganz Ausmaß der humanitären Katastrophe.

Die „Deutschen, die den Krankenwagen bringen“

Familien, die unter freiem Himmel, versucht haben, sich häuslich einzurichten, Engpässe in der Essensversorgung, von Felsen aufgeschlitzte Schlauchboote, Tausende untauglicher Schwimmwesten an den Stränden und im Hafenbecken, geschlossene Einrichtungen von renommierten Hilfsorganisationen, eine zwar überaus solidarische, aber auch völlig überforderte Bevölkerung. „Mit einem Wort: schockierend“, erklärt Maren Huber. Im Norden von Lesbos, dem Ziel der Krankenwagen-Tour angekommen, war es nicht anders.

Die Lager waren restlos leer – und obwohl die Verantwortlichen der Krankenstation Kalloni den Transport erwarteten, staunten sie ungläubig, als es wirklich so weit war. Schon viele Helfer hatten sich dort angekündigt, die beiden aus Bad Boll waren wirklich gekommen. In Windeseile sprach sich die Botschaft von den „Deutschen, die den Krankenwagen bringen“ im Ort herum. Respekt und Dankbarkeit schlugen den Schwaben entgegen. „Wir hatten zwar nicht mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein geschüttet, waren aber dennoch froh, dass wir etwas getan hatten“, betont Ralf Hokenmaier. „Für uns war die Sache als einmalige Geschichte damit abgehakt“, fügt Maren Huber hinzu.

Doch von wegen. In der kommenden Woche brechen die beiden erneut nach Lesbos auf, dieses Mal mit dem Wohnmobil, das nicht minder vollgepackt sein wird. Und nachdem für die Premiere noch reichlich improvisiert werden musste, gibt es jetzt beim Verein Kolumbiengruppe Nürtingen sogar ein eigenes Spendenkonto unter dem Stichwort „Hilfe für Lesbos“. Die „einmalige Geschichte“ ist längst nicht abgehakt.