Vor allem dem roten Sandstein haben Wind und Wetter im Lauf der Zeit stark zugesetzt. Foto: Horst Rudel

Ein Gutachten listet alle Schäden an den 135 Grabmälern auf. Die Kosten stehen noch nicht abschließend fest. Vermutlich wird mit den Arbeiten erst im nächsten Jahr begonnen.

Bad Boll - Die Grabmäler auf dem Blumhardt-Friedhof in Bad Boll sehen fast so aus, als führten sie einen absurden Tanz auf, so sind sie mit den Jahren aus den Fugen geraten. Da neigen sich Kreuze, wellen sich Umrandungen, bröseln Steine und wuchert Moos. Manche Schriftzüge auf den Grabsteinen sind nur noch mühsam oder überhaupt nicht mehr zu entziffern, so sehr haben ihnen Wind und Wetter zugesetzt. Nun will die Göppinger Klinik Christophsbad, die mit der orthopädischen Rehaklinik vis-à-vis auch diesen denkmalgeschützten Friedhof übernommen hat, gemeinsam mit den Blumhardt-Nachkommen, der Gemeinde, der Evangelischen Akademie und der Blumhardt-Sozietät die imposanten Grabmäler restaurieren lassen. Ob alles in einem Zug oder nach und nach gemacht werde, stehe noch nicht fest, sagt die Referentin der Klinik-Geschäftsführung, Evelyn Zettler.

Dem Zufall soll nichts überlassen werden, das verbietet sich schon aus Gründen des Denkmalschutzes. Der Blumhardt-Friedhof, der im Jahr 1866 angelegt wurde, gilt als kulturhistorisch bedeutsam, nicht nur für die Region. In seiner Erde ruhen sowohl viele Mitglieder der weitläufigen Familie Blumhardt als auch Menschen aus aller Herren Länder, die sich um Johann Christoph Blumhardt (1805–1880) und später um seinen Sohn Christoph Friedrich Blumhardt (1842–1919) scharrten.

Restauratorin hat Gräber begutachtet

Deshalb hat das Christophsbad eine Restauratorin mit einer fachkundigen Begutachtung der historischen Grabmäler an der Straße zwischen Bad Boll und Zell beauftragt. Diese hat in den vergangenen Monaten jede der 135 Grabstätten einzeln unter die Lupe genommen und die Schäden akribisch in einer rund 200-seitigen Expertise aufgelistet. „Außerdem hat sie für jedes Grab einen Vorschlag gemacht, was zu tun ist, um es zu erhalten und den weiteren Materialverlust zu minimieren“, erläutert Evelyn Zettler. Während es bei manchen Steinen ausreiche, die Oberfläche zu reinigen und sie von Flechten und Moos zu befreien, müssten andere darüber hinaus mit einem speziellen Verfahren gefestigt werden, um einer weiteren Verwitterung entgegenzuwirken.

Viele Inschriften nicht mehr lesbar

Ein eisiger Wind fährt durch die Hecke, die den Blumhardt-Friedhof umfasst. Am Eingang öffnet sich ein Tor in eine andere Welt. Die Grabmäler vor allem im ältesten Teil des Friedhofs zeugen von der Gläubigkeit der Menschen jener Zeit, und sie zeugen vom Wirken des Vaters und des Sohns Blumhardt. Die hier begraben liegen, glaubten nicht nur an Gott, sondern auch an den Blumhardt’schen Weg zu Gott. Viele Inschriften auf den Gräbern sind kaum noch zu entziffern. Obwohl vor allem die roten Sandsteine an manchen Stellen regelrecht pulverisiert sind, ist die Qualität vieler Bildhauerarbeiten noch zu erkennen. Besonders imposant ist das Grab Christoph Friedrich Blumhardts. Doch auch an dem weißen Marmor hat der Zahn der Zeit genagt. Der Sockel ist schadhaft, und die Ornamente im oberen Bereich des Grabmals sind stark verwittert.

Wann mit den Arbeiten begonnen wird, steht noch nicht fest. „Es wäre ideal, wenn es sofort losgehen könnte, möglicherweise können aber erst im nächsten Jahr die ersten größeren Maßnahmen durchgeführt werden“, sagt Evelyn Zettler. Das hänge nicht zuletzt von der Denkmalschutzbehörde ab, mit der noch einige Formalitäten geklärt werden müssten, und auch über die Finanzierung müsse noch mit allen Beteiligten gesprochen werden.

Über die Höhe der Kosten will Evelyn Zettler im Moment noch nichts sagen. „Eine abschließende Summe steht noch nicht fest, es sind aber sicher viele Investitionen zu tätigen“, erklärt sie. Außerdem müssten verschiedene Spezialisten zu den doch sehr anspruchsvollen Arbeiten herangezogen werden. Aber unabhängig von der anstehenden Restaurierung sei der Friedhof weiterhin frei zugänglich. „Alle Grabmäler wurden auf ihre Standsicherheit hin überprüft, es besteht keine Gefahr.“

Zentrum für Leib- und Seelsorge

Auf dem Blumhardt-Friedhof in Bad Boll ruhen viele Personen aus dem Umkreis des Pfarrers Johann Christoph Blumhardt (1805– 1880) und dessen Sohns Christoph Friedrich Blumhardt (1842–1919). Die Leute kamen aus Südafrika, Sierra Leone, Riga und ganz Deutschland nach Bad Boll, um Heilung und Beistand zu finden. Außer vielen Mitgliedern der Familie Blumhardt finden sich auf der Fläche nahe dem Kurhaus, der ehemaligen Wirkungsstätte der Blumhardts, die Gräber des Chinaforschers Richard Wilhelm und von Heinrich Richter, dem Sohn des Malers Ludwig Richter.


Am 19. April 1825 erwarb Johann Christoph Blumhardt aus Möttlingen das Boller Bad und errichtete ein Zentrum für Leib- und Seelsorge, eine Art schwäbisches Lourdes. Zu den Gästen zählten preußische Adlige, russisch-kaiserliche Staatsräte und Angehörige des europäischen Großbürgertums.

Die Klinik Christophsbad erwarb die orthopädische Rehaklinik in Bad Boll vor knapp fünf Jahren von der Diakonie Stetten.