Will Viktor Wiese Brötchen austragen, endet seine Nacht um drei Uhr. Foto: Eileen Breuer

Während seine Kunden noch schlafen, liefert der Stuttgarter Brötchenbursche Victor Wiese samstags und sonntags in aller Herrgottsfrühe Brezeln direkt an die Haustüre. Wir waren dabei.

Filder - Plastiktüten voll mit Brötchen liegen in Körben im Kofferraum von Viktor Wieses Auto. Um 6.30 Uhr beginnt der Brötchenbursche seine Lieferrunde durch den Dachswald. Wiese ist seit mehreren Stunden auf den Beinen. Sein Wecker klingelt am Wochenende schon um 3.05 Uhr morgens. Kaffee trinkt Wiese keinen: „Für mich ist es um 3 Uhr morgens leichter aufzustehen als um 6 Uhr.“ Er muss früh raus, damit die Brötchen seiner Kunden jeden Samstag und Sonntag pünktlich zum Frühstück an der Klinke der Haustüren hängen.

Dafür muss er um 4 Uhr in seinem Büro in Fellbach stehen. Dorthin liefert eine lokale Bäckerei Buttercroissants, Apfeltaschen oder auch Bauernbaguette. Er bekommt diese günstiger, kann sie dadurch zu einem ähnlichen Preis anbieten wie in der Auslage beim Bäcker und macht dabei noch Gewinn. Gemeinsam mit seinen Fahrern sortiert Wiese die Brötchen in Papiertüten ein. Die Frische spielt dabei eine wichtige Rolle: „Wenn wir Brötchen verpacken, sind die meistens noch warm. Diese Frische spürt der Kunde.“ Das Verpacken nimmt etwa zwei Stunden in Anspruch. Wieses erster Kunde hat Laugenbrötchen, Brezeln, Sonnenbrötchen, Vollkornbrötchen und Chia-Buchweizenbrötchen geordert. Im Dachswald hält Wiese direkt vor der Haustüre des ersten Kunden. Er nimmt die Brötchen aus dem Kofferraum, läuft zur Tür und hängt die Tüte an die Klinke. Die Anwohner scheinen noch nicht wach zu sein, die Rollläden sind noch unten.

Die Call-Center-Mitarbeiter verstehen selten Schwäbisch

Seit drei Jahren fährt er Brötchen in Stuttgart aus. Er ist ein Franchiser, das bedeutet, er nutzt das Geschäftskonzept eines größeren Unternehmens und baut dieses vor Ort aus. Die Kunden bestellen über die Webseite des Unternehmens. Dort können sie sich einloggen und angeben, welche Brötchen sie am Wochenende frühstücken wollen – es ist aber auch eine Dauerbestellung möglich. Abgerechnet wird am Ende des Monats. Die Kunden können zwischen mehr als 40 verschiedenen Brötchen, Croissants, Broten oder süßen Stückle wählen.

Auch eine Bestellung per Telefon-Hotline ist möglich – insbesondere ältere Kunden würden die nutzen. Da kann es aber auch mal zu Missverständnissen kommen: „Wir wohnen hier im Schwabenland, das Call-Center liegt im Norden Deutschlands. Die verstehen das Schwäbische nicht. Da stehen dann teilweise falsche Adressen drinnen.“ Für Wiese kein Problem: Er kennt sich gut aus, sodass er meist weiß, welche Straße gemeint ist.

Um kurz vor acht Uhr morgens hat Victor Wiese Feierabend

Auch im Dachswald findet sich Wiese ganz ohne Navigationssystem zurecht. „Die kleinen Bäckereien sterben aus, die großen wollen eher ins Zentrum. Deswegen gibt es immer weniger Bäckereien vor Ort“, sagt Wiese. So geht es auch den Kunden im Dachswald. „Die Anwohner müssten mit dem Auto nach Vaihingen fahren, um sich frische Brötchen zu holen.“ Und dafür vor dem Frühstück aus dem Schlafanzug in ein Outfit zu schlüpfen, Zähne zu putzen und zu duschen, ist nicht die angenehmste Art, in den Tag zu starten. Das alles ist für einen kurzen Gang zur Haustür nicht nötig. „Ich bin überzeugt, dass die meisten der Kunden noch im Pyjama sind, wenn sie die Türe öffnen und die Brötchen reinholen.“ Doch neben Bequemlichkeit hätten die Kunden noch eine weitere Motivation, zu bestellen: Ältere Menschen hätten kaum die Möglichkeit, mal eben zum Bäcker zu laufen oder zu radeln.

Der nächste Kunde: Die Haustüre liegt versteckt, aber Wiese kann der Liefernotiz entnehmen, wo er hin muss. Um sieben Uhr läuft er Treppen zur Haustüre hinauf: „Da muss man sportlich sein, aber das macht Spaß.“ Um kurz nach halb acht hat er Feierabend. Dann geht es für ihn heim zu seinen Kindern – die sind dann schon auf und warten mit dem Frühstück auf den Papa.