Das Backhausteam von Mettingen schießt Teiglinge in den Ofen ein: Petra Haber und Konrad Ruthradt. Foto: Ralph Scheer

Brot zu backen, dauert Zeit. Und in Gesellschaft vergeht die bekanntlich schneller. Ein Grund vielleicht, warum die Backhaustradition im Kreis Esslingen noch heute lebt.

Ein Brot zu backen, dauert seine Zeit. „No net hudla“ ist eine wichtige Grundregel und erinnert an vergangene Zeiten, als die Bäcker die heiße Asche mit einem nassen „Huddl“ aus dem Ofen wischten. Im Landkreis Esslingen sind zahlreiche historische Backhäuser erhalten, die nicht nur Zeugnisse regionaler Backtradition sind, sondern heute noch genutzt werden. Bürgerinitiativen und Kommunen engagieren sich, um historische Backhäuser zu restaurieren und zu pflegen. Die Tradition der Backhäuser reicht bis ins Mittelalter zurück. Ihre flächendeckende Verbreitung wurde im 17. Jahrhundert durch hoheitliche Einschränkungen privater Hausbacköfen vorangetrieben, in Württemberg noch verstärkt durch die Feuerlöschordnung von 1808. Nicht alle Backhäusle sind historischen Ursprungs. Es entstehen auch neue Gemeinschaftsbackhäuser, wie das in der Alten Seegrasspinnerei in Nürtingen.

 

Esslingen-Mettingen

Den Weg zum Backhaus würde man mit verbundenen Augen finden. Einfach der Nase nach. Der Duft von Brot, Ciabatta und herzhaft belegten Dinnete zieht die Passanten wie magisch an. Es ist Backtag in Mettingen, und die Mitglieder des Backhausvereins wirbeln in dem kleinen Backhaus aus Sandstein umher. Teig vorbereiten, portionieren, Brote formen, Feuer machen und vieles mehr stehen auf dem Tagesprogramm. Konrad Ruthradt füllt Äste und Reisig in den Brenn- und Backraum, zündet alles an und sorgt für die perfekte Temperatur von 300 bis 400 Grad im Ofen. Ist diese erreicht, räumt er den Ofen aus, indem er Asche und Glut entfernt. Dann kommt der Huddl zum Einsatz, und alles geht rasend schnell. Das eingespielte Team um Doris Eisenmann und Petra Haber arbeitet Hand in Hand. Mit einem Schieber schießen sie die Teiglinge in den Backraum ein. Was in der Bäckersprache martialisch klingt, bedeutet schlicht „hineinsetzen“. Bis zu 42 Brote haben Platz. 40 entspannte Minuten später erblicken die Laibe wieder das Tageslicht – doch nur kurz. Die Brote werden für eine gleichmäßige Bräune umgesetzt. Nach weiteren 30 bis 40 Minuten sind sie fertig. „Wenn man von unten auf den Laib klopft, muss es hohl klingen, dann ist er fertig“, demonstriert Eisenmann.

Das Mettinger Backhaus von außen. Foto: Ralph Scheer

In Mettingen errichtete die Weilergenossenschaft 1865 gegenüber der Liebfrauenkirche ein gemeinschaftliches Backhaus. Das Gebäude, das heute unter Denkmalschutz steht, vereinte ursprünglich eine Schnapsbrennerei und einen Backraum. Während die Brennerei bis 1970 betrieben wurde, verlor das Backhaus danach an Bedeutung und stand zeitweise vor dem Abriss. Erst die Gründung des Backhausvereins im Jahr 1978 verhinderte den Verlust und führte zur Erhaltung und Wiederbelebung des Bauwerks. Der Verein hat heute 15 Mitglieder im Alter von 25 bis 70 Jahren. www.backhaus-mettingen.de

Wendlingen

Die Stadt Wendlingen erfreut sich gleich zweier öffentlicher Backhäuser. Eines ist Teil des Stadtmuseums Unterboihingen, das 2005 vom Museumsverein Wendlingen-Unterboihingen in Betrieb genommen wurde. Im Museum können neben der Dauerausstellung im barocken Pfarrhaus unter anderem auch das Back- und Waschhaus besichtigt werden. Wer möchte, kann dort auch selbst backen. Das andere Backhaus steht im Weiler Bodelshofen. Es wurde 1990 auf Initiative des Bürgervereins Wendlingen in Zusammenarbeit mit der Stadt Wendlingen wieder errichtet.

Die Backhäuser stehen allen Wendlingern offen; auch externe Besucher können sie nach Absprache nutzen, sagt Sabine Köster, Ansprechpartnerin des Backhauses Bodelshofen. Die Nutzungsgebühr beträgt zehn Euro, das benötigte, trockene und abgelagerte Reisig ist selbst mitzubringen. https://www.wendlingen.de/freizeit-kultur/backhaeuser

Lenningen

In sechs von sieben Ortsteilen stehen den Einwohnern in Lenningen noch öffentliche Backhäuser zur Verfügung: Unterlenningen, Oberlenningen, Brucken, Schlattstall, Gutenberg und Schopfloch pflegen die alte Tradition bis heute. Jeder bringt sein eigenes Brennmaterial und seinen Brotteig mit. Die Backhäuser sind mit bis zu vier Holzöfen ausgestattet. Pro Nutzung fällt eine Gebühr von vier Euro an.

Für Simone Lindner, die im Haus der Großeltern in Unterlenningen gegenüber dem Backhaus wohnt, ist dieses „ein Stück Kultur, das dazugehört, wenn man auf dem Land lebt“. Sie erinnert sich gerne an die Zeit, als sie noch ein Kind war und mit ihrer Oma Lina Reichle im Backhaus gebacken hat. „Mit einem Handkarren haben wir riesige Schüsseln mit Teig rübertransportiert“, sagt sie und ergänzt lachend: „Und natürlich traf man sich auch zum Dorftratsch.“ https://www.lenningen.de/leben-wohnen/oeffentliche-einrichtungen/backhaeuser

Aichwald

Die Gemeinde Aichwald besitzt insgesamt fünf Backhäuser, die sich auf die Ortsteile Aichelberg, Aichschieß, Krummhardt und Schanbach verteilen. In Aichschieß gibt es sogar zwei Backhäuser, eines in der Alten Dorfstraße und eines im Grünen Weg. Backtage und Veranstaltungen in den historischen Kleinoden sorgen dafür, dass das Brauchtum weiterlebt. So fand beispielsweise erst im August rund um das Krummhardter Backhäusle ein Dorffest mit Schaubacken statt. https://www.aichwald.de/start/freizeit+_+kultur/backhaeuser.html

Nürtingen

Auf dem Hof der denkmalgeschützten Industriebauten der Alten Seegrasspinnerei aus den 1870er Jahren steht seit 2016 ein vergleichsweise junges Backhaus. Es wurde von der Jugendwerkstatt des Trägervereins Freies Kinderhaus aus altem Bauholz und selbst gefertigten Lehmziegeln erbaut. Jeden ersten Mittwoch im Monat von April bis Oktober ist Backhaustag. Ab 18 Uhr geht es los, dann kann alles von Brot über Pizza bis Kuchen in den Ofen. Der Teig für die Backwerke muss mitgebracht werden. Geeignet ist das Backhaus für unterschiedliche Veranstaltungen wie Vereinstreffen, Geburtstags- oder Betriebsfeiern. www.seegrasspinnerei.de/projekte/backhaus