Jürgen Bauer hat schon seinen Großeltern beim Backen im Backhaus zugeschaut. Heute führt er die Tradition weiter. Foto: Gottfried Stoppel

Jürgen Bauer kümmert sich seit vielen Jahren um das Backhaus Geradstetten – aus Familientradition und weil das selbst gebackene Brot besonders gut schmeckt. Am 30. Mai ist in Remshalden wieder Backhausfest.

Remshalden-Geradstetten - Das kleine Häuschen an der Rathausstraße mag fast zwischen den Wohngebäuden drumherum verschwinden. Im Leben von Jürgen Bauer spielt es trotzdem eine große Rolle. Weil er die meiste Zeit immer direkt neben oder gegenüber dem Backhäusle mit seinen grünen Fensterläden und den zwei Bänken vor der Tür gelebt hat. Und weil er zwischen Ofen, Reisigbesen und Holzbündeln viele Stunden seiner Kindheit verbracht hat. „Bereits meine Großeltern haben das Backhaus betrieben“, erzählt der 52-Jährige.

Er kann sich noch gut daran erinnern, wie am Montagmorgen immer zehn bis 20 Frauen bei der Oma standen, um Lose für die Woche zu ziehen. „Am beliebtesten waren die Backzeiten am Ende der Woche – da war der Ofen schon gut warm und man hat nicht soviel Holz gebraucht“, erzählt Bauer. Jeden Tag qualmte es damals aus dem Kamin des Backhauses, das auch als Treffpunkt des Ortes diente: „Ich fand das immer toll, wenn die Älteren zusammengesessen sind“, erzählt Bauer, für den das 1750 erbaute Backhaus ein Stück Heimat ist. Auf den Tisch kamen Salzkuchen, ein Viertele Wein – und der neueste Dorftratsch.

Früher entschied das Los, wer wann sein Brot backen durfte

Zumindest der Salzkuchen gehört auch heute immer noch zu den Backtagen dazu. Dicken Qualm gibt es dank einem eingebauten Rauchgasverbrenner schon seit einigen Jahren nicht mehr. An der Hauswand ranken Rosen, und ein Stück weit ist das Backhäuschen tatsächlich in einen Dornröschenschlaf verfallen. Der Blick in den Kalender an der Wand des Backhäusles verrät, dass heute keine Lose mehr gezogen werden müssen. Locker verteilen sich die Backtermine über die Wochen. Oft sind es Backgemeinschaften, manchmal auch Jugendgruppen, die sich Pizzen in den Holzofen schieben.

Das Interesse, meint Jürgen Bauer, sei durchaus auch bei jüngeren Menschen wieder vorhanden, „aber oftmals scheitert es am Holz.“ Denn zum Anheizen des Ofens werden „Krähla“ verwendet, klein geschnittene Äste von Obstbäumen oder Weinreben. Acht bis zehn Bündel sind nötig, um den Ofen auf Temperatur zu bringen. Ist alles abgebrannt, wird die Asche mit einem speziellen Schieber herausgeholt und der Ofen mit einem nassen Reisigbesen gereinigt.

Zeitungspapier statt Thermometer

Jürgen Bauer legt dann Zeitungspapier ins Innere und zählt bis 20. Verbrennt das Papier, ist der Ofen noch zu heiß, wird es kaffeebraun, stimmt die Temperatur. Auch mit dem Salzkuchen wurde und wird die Temperatur überprüft: „Das war zum einen früher ein Ersatz für das Mittagessen. Und zum anderen wusste man, dass der Ofen zu heiß ist, wenn der Kuchen nach zehn Minuten schwarz war“, erzählt Bauer.

Gelernt hat der Geradstettener beim Zuschauen und durch eigene Erfahrung. „Eigentlich ist das Backen jedes Mal ein bisschen anders. Je nach Wetter geht der Teig anders und der Ofen arbeitet auch nicht immer gleich.“ Aber dass ein Brot komplett verbrennt, das komme eigentlich nie vor, „nur wenn man übertrieben heizt.“

In Remshalden gehört das Backhausfest einfach dazu

Bis zu 24 Laibe passen in den Ofen – weswegen ein Backhausbäcker auch eine große Gefriertruhe haben sollte oder sich eine Zusammenarbeit mit anderen Familien anbietet. „Früher wurde das Brot im Keller aufbewahrt, auf einem Regal direkt unter der Decke, damit die Mäuse nicht hinkamen.“ Für das eigene Brot nimmt Jürgen Bauer gerne den Aufwand eines Backtages auf sich: „Das schmeckt viel besser. Es ist nahrhafter und auch die Festigkeit bleibt immer gleich“, schwärmt er.

Beim jährlichen Backhausfest, da lebt für einen Abend auch wieder eine andere Tradition auf: Die insgesamt sieben Backhäuser in Remshalden werden wieder zum Treffpunkt des Ortes. „Wir wollten ein ursprüngliches Straßenfest ohne Musik oder Bühne“, sagt Bauer. Und das scheint zu gefallen: „Es ist Wahnsinn, wie viele Leute kommen.“ Es gehört halt doch irgendwie noch zum Dorf dazu, das kleine Häuschen mit dem großen Kamin.

Backhausfest in Remshalden

Bestand: In jedem Teilort von Remshalden steht ein Backhaus, in Grunbach und Geradstetten sind es sogar zwei. Alle sind ortsbildprägende Kulturdenkmale und in allen wird die Backhauskultur gepflegt. Für jedes Backhaus gibt es einen ehrenamtlichen Betreuer, der den Schlüssel und die Termine verwaltet.

Tradition: Errichtet wurden Backhäuser, um die Feuergefahr in Einzelhaushalten zu vermindern – weswegen in der Landesfeuerordnung von 1752 der Bau von öffentlichen Backhäusern empfohlen wurde. Weitere Gründe waren Holzersparnis und Raumgewinn. Bis in die 1960er hinein waren Backhäuser in vielen Gemeinden regelmäßig in Betrieb. Mittlerweile gibt es vielerorts wieder eine Renaissance, oft kümmern sich Landfrauen um die Tradition.

Fest: In Remshalden veranstaltet der Handels- und Gewerbeverein am Mittwoch, 30.  Mai, das 3. Wein- und Backhausfest. An jedem Backhaus sorgt ein örtliches Weingut für die Getränke und ein Verein für Selbstgebackenes. Der Eintritt kostet drei Euro und berechtigt für die Fahrt mit dem Shuttlebus, der zwischen den sieben Backhäusern verkehrt. Das Fest geht von 17 Uhr bis 23.30 Uhr