Zum Stillen möchten sich manche Mütter mit ihrem Kind gerne zurückziehen – gibt es dafür in Ludwigsburg genug Möglichkeiten? (Symbolbild) Foto: dpa-Zentralbild

Wir haben das „babyfreundliche Ludwigsburg“ getestet. Es gibt Einkaufsmärkte und Cafés oder auch Apotheken mit vorbildlichen Still-Räumen, aber auch weniger gelungene Einrichtungen.

Ludwigsburg - Die erste Auflage des Flyers „Babyfreundliches Ludwigsburg“ im vergangenen Jahr ging weg wie die Feuchtigkeitstücher am Wickeltisch. Zur Weltstillwoche Anfang Oktober gibt es in diesem Jahr eine Neuauflage. Diesmal sind noch mehr Geschäfte, Cafés und Restaurants dabei, in denen Babys die Brust gegeben werden darf. „Wir möchten Mütter ermutigen, in der Öffentlichkeit zu stillen“, sagt Raphael Dahler, Leiter des Fachbereichs Gesundheit und Sport der Stadt, der die Broschüre mit dem Kreisverband der Hebammen entwickelt hat.

Nicht alle Frauen sind so mutig, mehr oder weniger offenherzig ihren Nachwuchs vor fremden Augen zu füttern. Dieser Scheu tragen rund 20 Rückzugsräume in Ludwigsburgs City Rechnung. Diese Still-Refugien und jenes im Breuningerland haben wir getestet. Ergebnis: Es ist nicht alles ein Wohlfühlort für Mama und Säugling, was in der Broschüre aufgelistet ist.

Nicht nur Einkaufszentren sind auf stillende Mütter vorbereitet, beispielweise bieten auch Apotheken ihre Hinterzimmer für den schnellen Baby-Snack an. Im Modehaus Kodweiss, im Naturzeit Outdoor-Shop und im Fun Box Store dürfen Babys in den Umkleidekabinen an Mamas Brust nuckeln. Und Immobilien Rienhardt in der Körnerstraße bittet stillende Mütter gar in sein Konferenzzimmer. Wer in solchen Räumen Vollausstattung mit Tüchern und Waschbecken erwartet, wird naturgemäß enttäuscht. „Das war auch nicht unser Ziel“, erklärt Dahler. Mit dem Flyer sollten Orte gezeigt werden, die unkompliziert genutzt werden können. Außerdem: „Ein Raum zum Stillen ist auch ein Zeichen der Akzeptanz“, sagt Ines Pantle vom Vorstand des Kreis-Hebammenverbands.

Eine steile Treppe hält den Kinderwagen auf

Mancher Still-Service sieht jedoch eher nach Aktionismus aus: Das Stillzimmer der Stadt befindet sich im Fachbereich für Bürgerschaftliches Engagement und Soziales im ersten Stock in der Oberen Marktstraße 1. Eine steile Treppe verhindert den Besuch mit dem Kinderwagen. Ein Aufzug fehlt. „Dort oben können Sie nur stillen, wenn Sie mit dem Tragetuch unterwegs sind“, räumt Dahler ein.

Dennoch: alternative Rückzugsmöglichkeiten sind vor allem wochenends der Geheimtipp für alle Mütter, die in der Stadt kurz etwas Ruhe für sich und ihr Kind brauchen. Denn die Stillräume in den Shoppingzentren sind da gnadenlos überfüllt – auch, weil sie oft gleichzeitig Wickelraum sind. Typisch sind hier solche Situationen: Eine Familie belagert das Still-Zimmer und wartet, bis die Mutter den kleinsten Spross satt bekommen hat. Oder: Es sitzt bereits eine Mutter bequem im Still-Stuhl, eine weitere mit dem angedockten Baby daneben auf dem Boden, und ein Vater ist am Wickeln. Privatsphäre ist etwas anderes.

Ein bequemer Sessel für die traute Zweisamkeit

Wer hingegen Glück hat, ergattert unter der Woche den wohl schönsten Stillraum der Stadt für sich allein – und zwar den im Marstall. Ein bequemer Sessel mit einer Aufstellfläche für die Füße lädt zu komfortabler Zweisamkeit ein. Die Wände leuchten dazu in freundlichen Farben. Alles ist noch neu, auch die Anordnung der Einrichtung ist durchdacht. Kommt doch jemand zum Wickeln herein, tut er dies am anderen Ende des Raums und wirft die gebrauchte Windel in einen luftdichten Mülleimer. Mit diesem Zimmer können die Räume in der Wilhelm Galerie oder im Oberpaur nicht mithalten. Die Sitzgelegenheiten sind dort unbequemer, die Räume enger, und im Oberpaur ertönt stressige Radiomusik.

Noch durchdachter als der Raum im Marstall ist das Stillzimmer neben dem Kinderbereich im Breuningerland. Hier gibt es nämlich eine verschließbare Tür, die das Zimmer vom bestens ausgestatteten Wickelraum trennt. Leider sind Wände und Einrichtung etwas in die Jahre gekommen. Diesen Raum gibt es seit dem Umbau im Jahr 2001. Zuvor hatte das Breuningerland bereits seit den 70er Jahren ein Stillzimmer und war somit Vorreiter in einer Zeit, in der Muttermilch häufig umstritten war. Heute ist Stillen wieder angesagt und führt zu größerer Enge in diesen Räumen.

Auf dass sich mehr Frauen trauen

Daher bleibt zu hoffen, dass sich mehr Frauen trauen können, in geschützter Öffentlichkeit zu stillen, und mehr Unternehmen Gelegenheiten dazu anbieten.

Indes, es gibt eine Kehrseite der Medaille. Ines Pantle bemängelt, dass zuweilen beste Freundinnen im Dutzend mit Krabbelkindern in kleinere Einrichtungen einfallen, dort Tische und Stühle okkupieren, stundenlang bei einem Kaffee sitzen bleiben und ihren Nachwuchs mit mitgebrachten Speisen füttern. Da müssten die Mütter mehr Kooperationsbereitschaft zeigen. „Es gab einige negative Rückmeldungen von Cafés und Restaurants“, sagt die Hebammen-Vertreterin, „die sich ausdrücklich an der Aktion nicht beteiligen wollen.“

Adresse
Die Broschüre „Babyfreundliches Ludwigsburg“ gibt es online unter:www.ludwigsburg.de/Stillorte.

Stillwoche
Der Aktionstag zur Weltstillwoche in Ludwigsburg findet am Donnerstag, 4. Oktober, von 9 bis 13 Uhr in der Stadtbibliothek statt. Neben Vertretern der Stillcafés in Asperg und Ludwigsburg gibt es viele Stände zu Themen rund ums Baby. Mit dabei sind zum Beispiel die Fachstelle „Hilfe für Alleinerziehende“, die Hebammenversorgung oder die Beratungsstelle für Kinderbetreuung.

Beratung
Von 10 Uhr an informiert Stillberaterin Katja König über „Stillbeginn und die Muttermilch als Zaubertrank“. Um 11 Uhr kann in das Kangatraining geschnuppert werden. Dabei trainieren Mütter mit ihren Babys in der Trage. Von 12 Uhr an gibt es eine Still- und Trageberatung.

Wissen
Beim Glücksrad können die Besucher ihr Wissen rund ums Stillen unter Beweis stellen. Im Veranstaltungsraum darf gestillt werden. Im Foyer der Stadtbibliothek sind außerdem noch bis zum 7. Oktober Bilder von stillenden Müttern im Kreis zu sehen. Die Steinheimer Fotografin Corinna Mailänder hat die besonderen Momente festgehalten.