Rihanna bei ihrem Auftritt in der Pause des Super Bowl Foto: dpa/Ross D. Franklin

Rihanna tritt mit Babybauch beim Super Bowl auf, Leichtathletin Gesa Krause trainiert hochschwanger. Sind solche Auftritte feministisch? Was können sie verändern?

Sie steht auf einer großen Platte, die über dem Footballfeld schwebt wie ein fliegender Teppich: Die Sängerin Rihanna tritt in einer imposanten Show in der Pause des amerikanischen Super Bowls auf. Ihr feuerroter Anzug ist vorne geöffnet, darunter trägt die 34-Jährige ein enges Shirt, und deshalb offenbart sich den Fans innerhalb kürzester Zeit: Rihanna ist schwanger.

Der Babybauch – und wie man ihn zeigt – hat sich in den vergangenen dreißig Jahren zu einem ganz eigenen Genre des Prominentenauftritts entwickelt, und nicht nur dort, auf Fotos in Magazinen und im Internet, auch in der Arbeitswelt und im Privatleben gehen schwangere Frauen anders mit ihren Bäuchen um als früher. Heute ist alles freizügig und locker – doch stimmt das wirklich?

„In anderen Umständen“ zu sein galt früher als peinlich

Dreißig bis vierzig Jahre ist es her, dass Frauen ihre Bäuche unter weiten, zeltartigen Gewändern versteckten, privat und bei der Arbeit. Auch, weil es als heikel galt, schwanger zu sein. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren Schwangerschaft und Geburt für Frauen schließlich eine äußerst kritische Lebensphase – eine, die mit einer hohen Sterblichkeit einherging.

Besondere Kleidung nur für die Schwangerschaft gab es, zumindest für Bessergestellte, seit Mitte des 19. Jahrhunderts, sie sollte den Zustand vor allem verbergen. So unangenehm und delikat war das Ganze, dass man sogar nur umschreibend davon sprechen konnte. Die „Umstandsmode“, ein für heutige Ohren merkwürdig klingendes Wort, war selbst Ausdruck dieser Tabuisierung jener Lebensphase, in der Frauen einfach „in anderen Umständen“ waren.

Für Prominente hieß das damals: Schwanger sind sie für die meisten Kameras tabu. Von Filmstars wie Romy Schneider oder Iris Berben gibt es erst nach der Geburt des Kindes gut inszenierte Fotos von treu sorgender Mutter mit Kind.

Und dann kam Demi. 1991 erschien die amerikanische Schauspielerin Demi Moore auf einem Cover des Magazins „Vanity Fair“. Demi war nackt und hochschwanger – eine Hand mütterlich-schützend vor den Bauch, die andere gespreizt vor den Brüsten. Ein kalkulierter Skandal, in Szene gesetzt von der bekannten Starfotografin Annie Leibovitz. Das Cover schrieb Geschichte und wurde noch oft kopiert, etwa mit Britney Spears oder Claudia Schiffer.

Sah man hier so prominent eine ganz normale Schwangerschaft? Natürlich nicht. Das Bild war durch und durch inszeniert. Für die weiblichen Stars ergab sich plötzlich die Möglichkeit, mit der Schwangerschaft Geld zu machen: Kaum etwas konnte das Image so nachhaltig verbessern wie eine öffentlich zelebrierte Schwangerschaft. Mit Normalisierung hatten diese Bilder auf den Magazincovern nichts zu tun. Genauso wenig wie das Leben dieser finanziell gut gestellten Prominenten dem Leben der normalen Mütter zur damaligen Zeit entsprach.

Schwangere wurden wahrgenommen, „als habe man eine Behinderung“

Trotzdem hat sich die Wahrnehmung von Schwangerschaft und Muttersein auch bei gewöhnlichen Frauen seit den 1990ern stark verändert. Das merken viele vor allem im Arbeitsumfeld. Der erste Schritt war die Enttabuisierung: Seit etwa zwanzig Jahren ist ein Zustand erreicht, in dem Schwangerschaft und Muttersein in Öffentlichkeit und Arbeitsleben gezeigt und gelebt werden. Von der Nebensitzerin mit halb nacktem Babybauch im Eiscafé, von der stillenden Mutter im Restaurant oder der Kollegin, die den Kinderwagen neben ihrem Schreibtisch am Arbeitsplatz abstellt.

Ist damit also alles gut? Lange Zeit nicht: Schwangere Frauen und Mütter wurden zwar wahrgenommen, allerdings nach wie vor nicht als Normalfall. Vielmehr erlebten oder erleben Frauen immer noch im Arbeitsumfeld, dass ihnen zwar Mitgefühl, Rücksicht oder Anerkennung der Schwanger- oder Mutterschaft entgegengebracht werden – aber mehr so, wie eine Kollegin einmal sagte, „als habe man eine Behinderung“. Männliche Vorgesetzte integrieren Frauen mit Babybäuchen oder Kleinkindern und ermöglichen ihnen, abends auch mal früher heimzugehen. Dass diese Mütter aber für sogenannte Führungspositionen geeignet sein könnten, gar zu ihren Konkurrentinnen werden, das schien noch bis vor wenigen Jahren völlig undenkbar. Nachvollziehbar damals also das Bestreben von Frauen, eine Schwangerschaft erst einmal verstecken zu wollen.

Nicht krank, sondern einfach schwanger

Kürzlich erregte ein Auftritt der zweimaligen Hindernis-Europameisterin Gesa Krause Aufsehen. Die Läuferin erwartet im Mai ein Kind und trainiert trotzdem schwanger weiter, beim Silvesterlauf in Trier nahm sie ganz normal teil. In Interviews sagte die Sportlerin, sie sei schließlich nicht krank, sondern schwanger. „Vielleicht erkennen durch mich auch andere Frauen, dass Schwangerschaft und Sport vereinbar sind“, sagte die Leichtathletin. Mütter seien zu wenig im Leistungssport vertreten.

Prominente haben die Mittel, gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben, und Rihannas Auftritt beim Super Bowl diese Woche zeigt: Vor zwanzig oder dreißig Jahren wäre eine deutlich sichtbar schwangere Sängerin nicht in so einer großen Show aufgetreten, vor zehn Jahren hätte man sich, wenn schon ein schwangerer Auftritt, nichts anderes vorstellen können, als eine madonnenhafte Rihanna, ausstaffiert mit Heiligenschein, wallendem Haar und nacktem Bauch, die engelsgleich auf den Platz fliegt – eine Inszenierung der Übermutter. Rihanna hat ihren Zustand im Vorfeld des Super Bowls nicht an die große Glocke gehängt, wie man das sonst von Instagram-Müttern kennt, die auf dieser Basis ihre Familie zu barem Geld machen. Rihanna ist einfach schwanger aufgetreten – eben weil sie gerade schwanger ist. Die Inszenierung ist trotzdem perfekt: Das betont praktische, feuerrote Outfit ließ die Sängerin auf provokante Weise aussehen wie einen Automechaniker oder eine übergroße Plazenta. Das passt in eine Zeit, in der Frauen offen über ihre Menstruation und ihre Vulva diskutieren und in der Mutterschaft wieder als Arbeit, nämlich Care-Arbeit, gesehen wird.