Der Obstbaumschnitt ist eine Wissenschaft für sich, wie der Fachmann Rainer Klingler (links) den Azubis erklärt. Foto: Horst Rudel

Seit fünf Jahren kümmern sich die Auszubildenden des Göppinger Landratsamts um eine Streuobstwiese bei Faurndau. Doch bei dem Projekt geht es um weit mehr als nur um Apfelsaft.

Göppingen - Frische Luft statt stickige Amtsstube, blauer Himmel statt weißer Zimmerdecke, Astsäge und Spaten statt Computer und Formulare: Zweimal im Jahr nehmen sich die Auszubildenden des Göppinger Landratsamts „ihrer“ Streuobstwiese an. Im Frühling bedürfen die vier Dutzend Bäume auf dem rund ein Hektar großen Grundstück an einem Hang unterhalb der Haierhalde bei Göppingen-Faurndau einer gewissen Pflege. Im Herbst werden die Früchte der Arbeit dann geschüttelt, aufgelesen, zu Apfelsaft gepresst und für einen guten Zweck verkauft.

Seit mittlerweile fünf Jahren betreuen angehende Verwaltungsleute von den verschiedensten Dienststellen, künftige Vermessungstechniker und natürlich auch die kreiseigenen Forstwirte in spe das Projekt. Fachlich und tatkräftig werden die jungen Leute unterstützt von Rainer Klingler, dem Obstbauberater des Stauferkreises, Rolf Wahl, dem Ausbildungsleiter des Forststützpunkts, und Ulrich Lang, dem Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbands im Landkreis Göppingen.

Es geht auch um den Erhalt der biologischen Vielfalt

Auch heuer mussten die Azubis wieder richtig mit anpacken, denn neben den obligatorischen Baumschnittmaßnahmen an den Hochstämmen und dem Abräumen der anfallenden Äste mussten auch drei neue Bäume gepflanzt werden. „Der Bestand ist einfach überaltert, und so haben wir uns für einen Wildapfel, eine Elsbeere und einen Börtlinger Weinapfel entschieden“, sagt Ulrich Lang. Für letzteren habe der Kreis ja „im übrigen ebenso eine Sortenpatenschaft übernommen wie für die ebenfalls heimische Gingener Luike und den Göppinger Musch“, fügt er hinzu.

Das in die Jahre gekommene und teils schon abgestorbene Altholz auf der Wiese wird allerdings nicht gefällt, sondern bleibt erhalten, was aus dem weitergehenden Anspruch der Maßnahme resultiert. So ist die Bewirtschaftungsaktion zugleich ein Teil des Landesprojekts „111-Arten-Korb“ für biologische Vielfalt. Im speziellen Fall lautet der Untertitel „Soziales Lernen – eine Patenschaft für den Gartenrotschwanz“.

Klingler: Das ist echte Arbeit und bedarf einer Portion Idealismus

Apropos soziales Lernen: Dieser Aspekt ist für die Auszubildenden alles andere als unwesentlich. „Man macht etwas in der Praxis und erfährt viel Neues aus einem ganz anderen Bereich, was ich ebenso gut wie sinnvoll finde“, erklärt Alexandra Friederich, die zuletzt auf der Führerscheinstelle tätig war. Zudem lerne man auch andere Azubis kennen, mit denen man ansonsten nicht viel zu tun habe, wie etwa die Förster, ergänzt die 23-Jährige. Dass der Einsatz auch für diese etwas anderes ist als das gewöhnliche Tagesgeschäft, unterstreicht Bianca Bartl, die das zweite Lehrjahr als Forstwirtin absolviert: „Klar, wir haben auch sonst mit Wald und Holz zu tun, aber eben nicht mit Obstbäumen, deren Schnitt eine spezielle Wissenschaft und für uns Neuland ist.“ Ein schöner Nebenaspekt bei der Sache sei, dass man sich mit anderen Azubis etwa über die Ausbildung an sich austauschen könne, fährt sie fort.

Zeit dazu bleibt in erster Linie in den Pausen, denn Klingler, Wahl und Lang wissen das Einsatzteam zu beschäftigen – mit Sägen, Aufsammeln, Eingraben und etlichen Tätigkeiten mehr. Vor allem der Kreis-Obstbauberater hofft darauf, dass womöglich der eine oder andere sein Engagement dauerhaft anlegt. „Wir haben im Stauferkreis rund 250 000 Streuobstbäume, brauchen also sehr viele Akteure, weil wir personell natürlich nicht alles abdecken können“, betont Klingler. Diese Form der Kulturlandschaft zu erhalten, sei einerseits echte Arbeit und brauche zudem eine Portion Idealismus, räumt er ein. „Doch wir haben hier in der Gegend das größte zusammenhängende Streuobstgebiet in Europa überhaupt, auch wenn dieses in den vergangenen 50 Jahren stark geschrumpft ist“, erklärt er. Deshalb wird Klingler auch weiterhin für seine Sache trommeln – nicht nur bei den Azubis des Landratsamts.

Beratung und Tipps rund ums Thema Streuobst

Wer Fragen rund um das Thema Pflege, Schnitt und Pflanzung von Streuobstbäumen hat, kann sich mit Rainer Klingler in Verbindung setzen. Der Obstbauberater ist unter der Telefonnummer 0 71 61/20 24 13 oder per E-Mail (r.klingler@landkreis-goeppingen.de) erreichbar. Bei Klingler laufen auch die Fäden für die kreisweit angebotenen Obstbaumschnittkurse zusammen.

Es gibt verschiedene Initiativen, die das Ziel haben, die charakteristische Streuobstlandschaft in Baden-Württemberg zu erhalten. Darunter sind auch Programme, von denen Wiesenbesitzer finanziell profitieren können. Rainer Klingler kennt die Fördertöpfe und weiß, wie an diese ranzukommen ist.