Inés de Castro spricht lieber von Invasion als von Eroberung Foto: /Lichtgut/Leif Piechowski

Das Linden-Museum widmet sich in seiner neuen Sonderausstellung den Azteken. Die Leihgaben kommen aus mexikanischen Museen. Diese haben den Stuttgartern aber Vorgaben gemacht, verrät die Direktorin Inés de Castro.

Stuttgart – - Inés de Castro, 1968 in Buenos Aires geboren, hat in Bonn Ethnologie studiert. Sie ist seit 2010 Chefin des Linden-Museums Stuttgart. Die Museumsdirektorin hat im vergangenen Jahr das Angebot abgelehnt, die ethnologischen Sammlungen des Humboldt-Forums zu leiten, und ist stattdessen in Stuttgart geblieben.

Frau de Castro, was ist das Interessante an den Azteken?

Sie sind eine der letzten großen vorspanischen Kulturen Amerikas und eine sehr vielfältige und spannende Kultur. In den letzten zehn Jahren sind zahlreiche neue Erkenntnisse hinzugekommen, vor allem im archäologischen Bereich.

Es handelte sich um eine Hochkultur. Was meint das überhaupt konkret?

Hochkultur ist ein Begriff von Humboldt, der nicht hundertprozentig auf vorspanische Kulturen passt, weil ein Bestandteil der Hochkultur Schrift ist. Wir haben es hier nicht mit einer phonetischen Schrift zu tun, sondern einem Bildersystem, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass es sich um eine multikulturelle Gesellschaft mit mehreren Sprachen handelte.

Gibt es viele Quellen?

Wir haben verschiedene spanische Quellen zu den Azteken, die wir jedoch kritisch behandeln müssen. Die spanischen Eroberer und die Missionare haben sie mit einer bestimmten Absicht verfasst, meist um die Eroberung zu legitimieren. Trotzdem geben diese Quellen uns einen guten Einblick in die Kultur. Zudem haben wir den archäologischen Kontext, den man mit den schriftlichen Quellen abgleichen kann. Die neuen Ausgrabungsergebnisse bestätigen diese Quellen zum Teil, malen aber in anderen Bereichen ein anderes Bild.

Existieren noch viele Objekte?

Im Vergleich zu dem ungeheuren Reichtum dieser Kultur haben wir nicht mehr viel. Bücher, Textilien, Holzobjekte oder Federarbeiten sind der Eroberung und den klimatischen Bedingungen zum Opfer gefallen. Vieles wurde durch die Eroberung zerstört, Gold wurde eingeschmolzen. Wir haben in der Ausstellung ein ganz seltenes Objekt: einen handgemachten Goldbarren, der von den Spaniern vor Ort aus aztekischen Gegenständen hergestellt wurde. Wir vermuten, dass er einem Spanier auf der Flucht gehörte, der in den See gefallen ist.

Eroberung sagt sich so dahin, das war aber ein brutales Vorgehen, oder?

Wir sprechen in der Ausstellung von spanischer Invasion, weil das Wort Eroberung in unserem europäischen Denksystem nicht immer negativ konnotiert wird. Diese Kultur wurde systematisch zerstört. Durch die europäischen Krankheiten wurden die Personen dezimiert, diejenigen, die Wissen trugen, wurden getötet, um eine neue Religion und Herrschaft zu etablieren. Aber durch dieses heftige Zusammentreffen zweier Kulturen ist auch etwas Neues entstanden, was das heutige Mexiko ausmacht.

Woher stammen die Ausstellungsstücke?

Die Ausstellung verbindet Objekte aus dem Nationalmuseum und dem Museum Templo Mayor aus Mexiko-Stadt mit ausgesuchten Objekten aus europäischen Sammlungen. Die meisten Objekte, die wir zeigen, kommen direkt aus Mexiko. Die Museen dort haben uns extrem kostbare und seltene Leihgaben zur Verfügung gestellt. Da viele Objekte aus Mexiko in den europäischen Kunstmarkt gelangt sind, war es eine Forderung Mexikos, auf Privatsammlungen in der Ausstellung zu verzichten. Dem sind wir sehr gern nachgekommen.