Peter Gros im Stuttgarter Westen freute sich bislang über den Service der Abfallwirtschaft Stuttgart Foto: Leif Piechowski

Zum Vollservice der Abfallwirtschaft Stuttgart gehört, dass graue und grüne Tonne zur Leerung vom Standplatz geholt und zurück gebracht werden. Das steht zwar nicht allen Haushalten zu. Die Müllmänner tun es trotzdem aus Kulanz zum Ärger manches Kunden lassen sie das jetzt aber in einigen Fällen bleiben.

Stuttgart - Peter Gros wohnt in der Schwabstraße im Stuttgarter Westen. Alle zwei Wochen kommt dort die Müllabfuhr vorbei und leert die Grauen Tonnen mit dem Restmüll. Alle drei Wochen sind die Grünen Tonnen mit Altpapier dran. Weil die Behälter im Treppenhaus stehen, klingeln die Müllmänner. „Einer ist in dem Fünffamilienhaus immer da, macht auf. Die Männer holen die Tonnen und stellen sie wieder zurück“, sagt der 75-jährige Hauseigentümer. Das soll sich bis zum Jahresende ändern. Falls die Bewohner die Behälter dann nicht selbst an die Straße stellen, lassen die Müllwerker die Tonnen stehen und hängen ein Schild mit dem Hinweis an die Haustür, dass nicht geleert werden konnte, da die Behälter nicht frei zugänglich sind.

Nicht nur das Klingeln soll künftig ganz flachfallen, auch sonst schränkt die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) ihren Service ein. Denn das Holen der Tonnen vom und das Zurückbringen zum Standort gehören nur dann zu den Pflichten der Müllmänner, wenn die Behälter satzungsgemäß aufgestellt sind. Nach der Abfallwirtschaftssatzung (AfS) von 1971 dürfen beim Vollservice die Tonnen nicht eingeschlossen sein. Sie dürfen nicht mehr als 15 Meter von der Straße weg stehen. Es darf keine Stufen zum Standort geben, und der Weg dorthin darf nicht mehr als zwei Prozent Steigung haben. Sind die Tonnen schwerer zugänglich, müssen die Hausbewohner die Behälter bis 6.45 Uhr bereitstellen und selbst zurückbringen.

Haben die AWS-Kunden sogenannten Bestandsschutz, holen die Müllmänner die Tonnen trotzdem. Haben sich seit 2009 Änderungen ergeben, zum Beispiel dadurch, dass eine Treppe zwischen Straße und Tonnen neu gebaut, die 120-Liter- durch eine 240-Liter-Tonne ersetzt wurde, oder bei Neubauten sind die Hausbewohner zuständig. Jede Veränderung in Sachen Mülltonne notieren die Müllwerker auf ihren Routen selbst, oder die AWS wird vom Bauamt benachrichtigt und gibt die Informationen an ihre Mitarbeiter weiter.

Der Serviceabbau ist laut AWS-Geschäftsführer Thomas Heß die Antwort auf die Restrukturierung des Betriebs. Immerhin hat die AWS seit Beginn des Personalabbaus 2008 gut 30 Stellen abgebaut. Derzeit sind nur noch 262 Mitarbeiter im Bereich der Müllabfuhr tätig. Weitere 40 Mitarbeiter sollen noch eingespart werden. Der Stellenabbau hat laut AWS dazu geführt, dass jeder Müllmann an seinem achtstündigen Arbeitstag 20 Prozent mehr Behälter leeren muss. Wie viele dass pro Mann sind, lässt sich laut AWS nicht sagen, da das nach Einsatzgebiet sehr unterschiedlich sei. Durch das Mehr an Arbeitsbelastung steige wiederum der Krankenstand bei seinen Leuten, während durch den Serviceabbau pro Jahr allenfalls nur fünf bis zehn Kunden betroffen seien, stellt Heß fest. Beim Klingeln kommt laut AWS außerdem dazu, dass es zahlreiche Beschwerden gebe, weil sich Hausbewohner gestört fühlten. Die Zahl derer, bei denen nicht mehr geklingelt wird, ist nicht erhoben. Am Haus von Peter Gros in der Schwabstraße klingeln die Müllmänner derzeit noch. Trotzdem sind auch dort die Tonnen vor kurzem irrtümlich stehengeblieben. Für den Hauseigentümer ein Vorgeschmack auf die künftigen Verschlechterungen.

Werden die Tonnen aufgrund neuer Gegebenheiten nicht mehr von den Müllmännern am Standort geholt und zurückgebracht und wird nicht mehr geklingelt, sollen die Betroffenen laut AWS sechs Wochen, bevor der Service eingeschränkt wird, schriftlich informiert werden.

Für Gros ist das kein Trost: „Warum muss man beenden, was 45 Jahre funktioniert hat? Seit ich in dem Haus lebe, hat es mit der Müllabfuhr immer gut geklappt. Ein Müllmann klingelte, rief: ‚ Auf geht’s‘ in die Sprechanlage, und der Bewohner ließ ihn per Türöffner ins Haus“, sagt Gros und ärgert sich über die neuen Sitten.

In den Landkreisen Göppingen, Böblingen, Esslingen und Ludwigsburg gibt es keinen Vollservice. Die Bürger müssen die Mülltonnen an den Straßenrand oder den Gehweg bringen. Im Rems-Murr-Kreis wurde überlegt, auf Vollservice umzustellen. Aus Kostengründen wurde die Überlegung ad acta gelegt.