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Genfer Autosalon: Das Auto der Zukunft fährt sauber - und bietet mehr Spaß als heute.

Genf - Dass Autos irgendwann elektrisch durch die Straßen surren, verkünden Automessen seit Jahren. 2011 kommt eine Botschaft hinzu: Künftige Fahrzeuge sind bunter, jugendlicher, praktischer. Beispiele dafür zeigt Genf reichlich.

Wenn Autos bei ihren Betrachtern Gefühle auslösen, weckt der Bulli von VW am ehesten ein Lächeln. Die Scheinwerferaugen kneift er verschmitzt zusammen, dazwischen prangt das VW-Logo wie eine silberne Nase auf weißem Lack. Weil der Mini-Transporter unterhalb von Nase und Augen Rot trägt, sieht es mit ein wenig Fantasie aus, als würde er selbst schmunzeln. "Drive a smile" hat der Wolfsburger VW-Konzern seine Werbekampagne für den Bulli getauft, lachend präsentiert ihn auch VW-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg. Der Wagen sei nicht nur eine Idee, sondern ein Lebensgefühl, sagt er; wie um keinen Zweifel zu lassen, schlagen ein Dutzend Jugendliche rund um das Auto Salti. Doch im Ernst: Der Bulli sieht nicht nur schick aus, sondern ist auch praktisch. Auf knapp vier Meter Länge haben sechs Personen Platz, darüber hinaus eine Dockingstation fürs iPad sowie ein umweltfreundlicher Elektromotor. Noch ist das praktische E-Mobil, das dem legendären T1 ähnelt, nur eine Konzeptstudie - allerdings mit einem Potenzial, "an dem wir bei VW noch viel Freude haben werden", frohlockt Hackenberg.

Die Jugend hat lieber iPad als Auto, in Großstädten verzichten immer mehr junge Menschen ganz auf einen fahrbaren Untersatz. Dies belegen zahlreiche Umfragen. In Genf scheint es, die Autobauer seien angetreten, Nicht-Auto-Fans vom Gegenteil zu überzeugen. Dazu taugt neben einem Bulli auch die Mini-Studie Rocketman: Mit 3,42 Meter fällt dieser noch kürzer aus, ist aber keineswegs weniger praktisch: Unter der Kofferraumklappe steckt eine Schublade, durch die man das Auto auch in engen Parklücken bequem beladen kann. Bleibt diese während der Fahrt geöffnet, kann darin sogar ein Snowboard transportiert werden - hochkant, versteht sich. Auch Nissan und die italienische Designschmiede Giugiaro, die inzwischen zu VW gehört, haben ihre Neuheiten nach praktischen Maßstäben gestaltet: Die Nissan-Studie Townpod ähnelt einem Büro auf Rädern, die Sitze lassen sich verschieben, die Insassen können sich ins Internet einwählen. Angetrieben wird der Townpod elektrisch, ebenso wie der Go! von Giugiaro. Letzterer ist eine Art Mini-Geländewagen mit Maxi-Raumangebot dank umklappbarer Sitze. Sein Hybrid-Bruder Tex ist laut VW-Designchef Walter de Silva der Jugendlichere von beiden - und soll mit 220 km/h Höchstgeschwindigkeit die sportlicheren VW-Käufer ansprechen. Beide Modelle sind übrigens Ideen, wie sich die Italiener künftig VW-Kleinwagen vorstellen.

Freilich stehen in Genf nicht nur Kompaktwagen. Und immer noch lockt eine Präsentation von Ferrari oder Lamborghini viel mehr Zuschauer als die Pressekonferenz im benachbarten "grünen Salon", wo es nicht mehr um das Ein-Liter-, sondern bereits um das 0,1-Liter-Auto geht - das mit einer Karosse aus Pflanzenfasern jedoch kaum in Kürze über die Straßen rollen wird. Gemein ist fast allen Exponaten allerdings eines - der Trend zu leichten, alternativen Werkstoffen. Nie zuvor standen auf einem Autosalon mehr Fahrzeuge in schwarz-matter Carbonschattierung, das reicht von komplett mit Carbon veredelten Bolliden des Schweizer Autotuners Mansory bis zum Mini-Rocketman. Dessen Karosserie besteht zu großen Teilen aus leichten, aber teuren kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK). Dass die Studie so gebaut wird, ist daher zwar unwahrscheinlich - die leichten Werkstoffe sind im Fahrzeugbau aber nicht mehr wegzudenken. VW-Chef Martin Winterkorn hat am Montagabend bekanntgegeben, dass der Autobauer mit acht Prozent bei dem Unternehmen SGL Carbon eingestiegen ist, mit dem bereits BMW eine Allianz unterhält. Daimler hat sich Anfang des Jahres mit dem japanischen Kohlefaserlieferanten Toray verbündet, Audi jüngst eine Partnerschaft mit dem Heidenheimer Anlagebauer Voith geschlossen. Gemeinsam wollen Audi und Voith Verfahren zur Serienproduktion von Carbonstrukturen entwickeln und die bisher größtenteils händische Herstellung ersetzen. Audi sieht sich dabei als Pionier der Leichtbauweise, Carbonteile stecken etwa im Supersportler R8. In Genf feiert der ebenfalls zu VW gehörende Sportwagen Lamborghini Aventador Weltpremiere, dessen Fahrgastzelle komplett aus Kohlefaser besteht.

Bis sich CFK so günstig herstellen lässt wie Stahl oder Alu, dürften allerdings Jahre vergehen, Audi will deshalb zusätzlich mit günstigeren Naturfasern experimentieren. Auch solche gibt es in Genf zu sehen, nicht nur im visionären grünen Salon. Der Schweizer Designer Frank Rinderknecht zeigt das orangefarbene "Sun&Fun-Car Bamboo". Dessen Dach ist aufblasbar, mit Bambus veredelt und taugt zugleich zur Strandmatte, in Unterboden und Heck stecken Hochleistungskunststoffe. Statt eines Kühlergrills besitzt das E-Mobil ein Display, auf dem es andere Verkehrsteilnehmer vor Gefahren warnen kann - Letzteres hat die Daimler-Tochter MBtech entworfen.

So viel Innovation dürfte den Rinspeed Bamboo dann doch wieder verteuern. Wer es günstiger mag, ist bei Mitsubishi richtig: Die Japaner stellen ihr Konzept Global small vor, gebaut wird der Kleinwagen von 2012 an in Thailand. Der ist nicht nur praktisch und leicht und fährt elektrisch - laut Mitsubishi-Chef Osama Masuko soll er zudem weniger als 10 000 Euro kosten.