Das Bild zeigt den Fahrerwechsel zwischen Wolfgang Graf Berghe von Trips und Phil Hill, das Fahrzeug ist ein Ferrari Tipo 246/v6. Foto: © Werner Eisele, Edition BROOOOM, WEI123
Automobilsommer: Stuttgarter Galerie nimmt nur ins Programm, was vier Räder hat und exklusiv ist.
Stuttgart - Das Auto gehört zum Alltag der meisten Menschen, und vor allem Männer empfinden dafür bisweilen sogar Leidenschaft - vom jugendlichen Quartettspieler bis zum ausgewachsenen Formel-1-Fan. Dass das Auto auch etwas mit Kunst zu tun haben kann, zeigt die Galerie Broooom aus dem Stuttgarter Süden.
Diese Galeristen schreiben sich nicht nur mit vier O, weil ein Auto vier Räder hat. Broooom klingt doch auch gleich ganz anders als etwa Brumm. Wer sich die Werke aus dem Programm der gleichnamigen Fotokunst-Galerie anschaut, der meint manchmal wirklich, dass der Motor dröhnt und dass ihm Benzinschwaden in die Nase steigen. Ferrari, Porsche, Maserati, Mercedes - die abgebildeten Ikonen der Automobilgeschichte sind nur ganz selten PS-arme Alltagswagen.
Natürlich sind auch die Macher wahre Auto-Freaks oder "Petrolheads", wie Wolfgang Seidl sagt. Der Grafik-Designer, einer von drei Geschäftsführern der Galerie, hat zwar auch schon für das Erscheinungsbild der Staatsgalerie verantwortlich gezeichnet, bekannt ist der ehemalige Art Director von Ferrari aber für seine Auto-Produkte: neben dem Jahrbuch der Sportwagen-Schmiede in Maranello etwa für Bücher mit Titeln wie "Cars & Girls" oder "Formel-1-Legenden". "Broooom schließt die Lücke zwischen Automobilität, Kunst und Fotografie", erklärt der 45-Jährige, warum er sich für noch eine Firma engagiert. "Wir wollen Werke, die in Archiven schlummern, heben und für die Öffentlichkeit zugänglich machen", sagt Seidl - und natürlich auch verkaufen. Zwischen 300 und 3000 Euro kosten die Fotografien mit einem Bilddurchmesser von 40 Zentimeter bis zwei Meter.
Für Seidl liegt es einerseits am Alltagscharakter des Automobils, dass es in der Kunstgeschichte bisher keine große Rolle spielt - vielleicht abgesehen vom Design. Andererseits sind die wegweisenden Akteure traditionell eher im Auftrag von Unternehmen unterwegs. Spezialisten wie der Schweizer Michel Zumbrunn oder der Leonberger René Staud rücken die neuesten Modelle der Produzenten ins rechte Licht. Andere wie der Frankfurter Rainer W. Schlegelmilch, der seit 1962 fast keinen Formel-1-Grand-Prix verpasst hat, fangen die Geschwindigkeit des Themas für Magazine und Buchveröffentlichungen ein. Anschließend verschwinden die Aufnahmen ebenso traditionell in den Archiven der Unternehmen oder Fotografen, die sich selten Gedanken darüber machen, was man mit dem Material sonst noch machen könnte. Das ist die Marktlücke für Broooom.
Seidls Kompagnon Rainer Kühlwein, ein Fahrzeugtechnikingenieur, der lange als Unternehmensberater in Sachen Automobil unterwegs war, spricht vom "Hintergrundwissen, das wir aus unserer Leidenschaft geboren haben". Der ebenfalls 45-jährige Kühlwein kennt wie Seidl viele aus dem Dunstkreis der schnittigen Karossen. Zusammen wollen sie nun die Schätze der Archive erhalten, die in Zeiten computeranimierter und digital bearbeiteter Bilderwelten in Vergessenheit zu geraten drohen.
Die Auswahl ist akribisch: Aus 103000 Bildern von Schlegelmilch suchte Seidl 40 aus, die ins Portfolio kommen. Die Funde landen in fünf Abteilungen: in der Sektion Studio, wo Fahrzeuge mit dem einzigen Gestaltungsmittel Licht abgebildet werden. In der Sektion Set, wo sie in Szene gesetzt werden, wo quasi eine Geschichte entsteht. Im dritten Bereich wird Geschwindigkeit im Bild eingefroren. Im vierten und größten geht es um die Rennfotografie. Hier spielen die 50er und 60er Jahre eine wichtige Rolle, als der Rennsport laut Seidl in der Zuschauergunst Volkssport Nummer eins war. In der fünften Abteilung findet die konzeptionelle Fotografie ihren Platz: Fragmente, Mehrfachbelichtungen bis hin zur Abstraktion, auch kritische Auseinandersetzungen mit dem Thema etwa bei Unfallbildern. "Hier liegt die Brücke zu anderen Bereichen der Fotokunst", sagt Rainer Kühlwein.
Ein Jahr arbeiten Kühlwein, der eine internationale Rennlizenz hat, aber im Alltag ein Elektro-Bike fährt, und Porsche-Fahrer Seidl an Broooom. Zwölf Fotografen präsentieren sie etwa bei der Retro Classics in Stuttgart oder der weltgrößten Oldtimermesse Techno Classica in Essen. Darunter sind Lokalmatadoren wie Werner Eisele, der schon als kleiner Junge mit der Agfa Clack Rennautos knipste und später Werksfotograf bei Kodak wurde, oder Bernd Kammerer, der schon mal einen Maserati-Renner von 1954 während einer Nacht an sechs Hamburger Schauplätzen inszenierte.
Eine dauerhafte Galerie ist vorerst nicht geplant. Regelmäßige Ausstellungen gibt es in naher Nachbarschaft beim ältesten Auto-Club der Welt, dem Württembergischen Automobil-Club in der Mörikestraße 30. Eine große Schau ist Ende August/Anfang September zum Abschluss des Automobilsommers geplant, bei dem Broooom Veranstaltungspartner ist. Der Ort ist noch geheim, doch der Eindruck, dass Motoren dröhnen und Benzinschwaden aufsteigen, gewiss.