Die Trauer um die Unfallopfer In Ludwigsburg ist groß. Was geht in solchen Menschen vor, die andere bei Autorennen um des Kicks willen gefährden? Foto: Simon Granville

Was treibt Männer zum PS-Protzen und in Autorennen? Das fragen sich viele nach dem tragischen Tod von zwei jungen Frauen in Ludwigsburg.

Die Wut und Empörung über den ebenso unnötigen wie tragischen Tod von zwei Frauen in Ludwigsburg ist in den sozialen Medien greifbar. „Was treibt Männer in Autorennen und ins PS-Protzen?“, fragen sich viele. Die Gründe mögen im Einzelfall verschieden sein, doch fest steht: Fast immer sind es Männer, die auf der Straße mit röhrenden Motoren ihr Unwesen treiben. Was spielt psychologisch dabei eine Rolle?

 

Spricht man mit Rechtsanwälten, wird das Raserklientel klar umrissen. „Unter meinen Mandanten gibt es zwei Gruppen: die einen sind die Jungen bis 25 Jahre – die anderen sind älter, zu Geld gekommen, und wollen ihren Besitz zeigen“, sagt ein Jurist aus dem Kreis Ludwigsburg, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Jungen seien in der Mehrheit. Sie besäßen die Fahrerlaubnis noch nicht lange, kauften sich von ihren ersten Löhnen ein Auto und wollten sich damit auf der Straße zeigen.

Der Unfall in Ludwigsburg zeigt, was bei einem illegalen Autorennen passieren kann. Foto: KS-Images.de/Andreas Rometsch

Cool sein wollen und sich lässig der Mutprobe stellen – das steckt nach Ansicht von Michael Scholpp hinter Autorennen. Der Verkehrscoach und psychologische Berater aus Ludwigsburg bereitet Klienten, denen die Polizei den Führerschein weggenommen habe, auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) vor. „Viele Jüngere, die zu schnell gefahren sind, haben nicht die besten Jobs“, sagt er. Auf der Straße wollten sie zeigen, „was sie haben“, wenn zum Teil im Beruf die Erfolge ausbleiben. Autorennen ereigneten sich oft spontan: „Da heult einer vor der Ampel mit dem Motor auf – das fordert den andere heraus: Welches Auto ist stärker?“

Sind bei Rasern Minderwertigkeitskomplexe im Spiel?

Sich messen, Stärke um jeden Preis demonstrieren – das sind Verhaltensweisen, die heutzutage unter den Begriff „toxische Männlichkeit“ fallen. Toxisch heißt giftig, oftmals leiden Frauen in Beziehungen unter dem narzisstischen Gehabe. Häufig steckten Minderwertigkeitskomplexe hinter dem aufgesetzten PS-Geprotze, schätzt Michael Scholpp, der vermutet, dass in einzelnen Biografien schon in der Kindheit erlittene Ausgrenzungen und damit verbundene Aggressionen eine Rolle spielen könnten – insbesondere wenn es um Gruppenbildung und das Dazugehören gehe oder darum „der Bessere zu sein“. Auch Computerspiele und Filme wie „Fast & Furious“ suggerierten, „dass es cool ist, das Verbotene zu tun“.

Neu sei die Neigung von Männern zu Autorennen nicht, erklärt Scholpp. „Es hat schon in den 1970er- und 1980er-Jahren Rennen gegeben.“ Die aber trugen die Fahrer meist auf abgesperrten Parcours etwa mit alten Opel Corsas oder VW Golfs aus. Sich zu organisieren, an einen definierten kostenpflichtigen Platz zu fahren und fast schon Vereinsstrukturen zu entwickeln – das liege den jungen Leuten heut eher fern.

Eine gefestigte Poser-Szene gibt es laut Polizei in Ludwigsburg nicht

Aber wo treffen sich die Poser mit ihren getunten Sportwagen? Vereinzelt sind Treffpunkte im Kreis Ludwigsburg bekannt geworden: etwa der Kaufland-Parkplatz in Ludwigsburg oder die weiten Stellplatzflächen beim Breuningerland. Oft aber bleibt es bei einzelnen Beobachtungen, „von einer gefestigten Poser-Szene kann man in Ludwigsburg nicht sprechen“, betont Yvonne Schächtele, Sprecherin des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Zuletzt habe man am Tammerfeld im Jahr 2021 eine Szene festgestellt. Seitdem habe es nur Einzelfälle gegeben.


Autorennen sind allerdings keine Seltenheit. Zuletzt habe man diese im Jahr 2024 in drei Fällen erkannt und strafrechtlich weiterverfolgt, berichtet die Polizeisprecherin Schächtele weiter. Einmal war die A 81 zwischen Feuerbach und Zuffenhausen Ort des Geschehens, ein andermal die B 27 in Bietigheim-Bissingen beim Bahnhof sowie die B 27 zwischen Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen. Anzeichen, dass es dort vorher zu Poser-Treffen gekommen sei, habe man nicht.

TÜV-Psychologin: „Schnelles Fahren ist in der Regel männlich“

Auf Nachfrage nennt das Polizeipräsidium Ludwigsburg die Nationalitäten der Beschuldigten bei den im Jahr 2024 festgestellten Autorennen: deutsch, griechisch, italienisch und kosovarisch. Schnelles Fahren sei in der Regel männlich, sagt auch die Psychologin Andrea Häußler, beim TÜV Süd in Stuttgart, der MPU abnimmt, Prokuristin und Mitglied der Geschäftsleitung. Betroffen seien vor allem junge Männer. Der TÜV Süd mit seinen 40 Begutachtungsstellen führe keine Statistik nach Herkunftsland, aber ihr Eindruck sei, dass Männer mit Migrationshintergrund „nicht wesentlich mehr mit Rasen oder Aggressionsdelikten in der Begutachtung vertreten sind“.

Unter allen Delikten, die zu einer Begutachtung von Personen in einer MPU führen, seien Rasen oder aggressives Verhalten im Straßenverkehr mit 17 Prozent aller MPU vertreten, berichtet Andrea Häußler. „Risikofreudigkeit und Selbstüberschätzung sind oft Ursache für schnelles und teilweise aggressives Verhalten im Straßenverkehr.“ In Kombination mit noch fehlender Fahrpraxis bei jungen Fahrern erhöhe sich das Unfallrisiko deutlich. Insbesondere junge Männer definierten ihren Selbstwert häufig über Autonomie, was sich mit vielen PS und schnellem Fahren sehr eindrücklich deutlich zeigen lasse.

Was ist eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU)?

Eignungstest
Eine MPU dauert laut ADAC durchschnittlich etwa drei bis vier Stunden und besteht aus drei Teilen: einem medizinischen Check, einem Leistungstest am Computer und einem psychologischen Gespräch. Die Reihenfolge der Untersuchungen ist nicht festgelegt. In den allermeisten Fällen wird sie wegen Alkohol- oder Drogendelikten verlangt,aber auch Raser oder Autofahrer mit zu vielen Punkten müssen sie durchlaufen, wenn sie ihre Fahrerlaubnis wiedererlangen wollen.

Verfahren
Der Anbieter der MPU ist frei wählbar, muss aber amtlich zugelassen sein. Am Ende legt der Teilnehmer die fachliche Beurteilung der Zulassungsbehörde für die Fahrerlaubnis – oft das Landratsamt – vor. Die Kosten für eine MPU beziffert der ADAC auf 350 bis 750 Euro. Falls notwendig, müssten zudem für eine Haaranalyse circa 200 bis 300 Euro und für eine Urinuntersuchung 50 bis 100 Euro gezahlt werden.