Alexander Kolbai (links) und Norbert Krain haben auf der Jot-Con im Literaturhaus von den Herausforderungen des autonomen Fahrens berichtet. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Allerorts wird mit Hochdruck am autonomen Fahren geforscht – doch die Herausforderungen bleiben groß. Über die Hintergründe haben Experten auf der Stuttgarter Konferenz Journalism of Things einen Antwortversuch unternommen.

Stuttgart - Wenn Alexander Kolbai über das autonome Fahren spricht, kommt er ins Schwärmen. „Es kann dazu beitragen, Unfälle und den Verkehr zu reduzieren“, sagt er. Außerdem könne es, wenn die autonom fahrenden Autos als sogenannte Roboter-Taxis geteilt würden, effiziente Mobilität für jeden geben. Aber: „Bis unser kompletter Verkehr autonom ist, werden sicher noch mindestens 30 Jahre vergehen“, meint Kolbai.

Alexander Kolbai ist Mitgründer einer Stuttgarter Gruppe namens Connected Autonomous Driving, das steht für vernetztes autonomes Fahren. Die Gruppe ist offen für alle Interessierten, auch für Nicht-Ingenieure, und trifft sich regelmäßig, um über den Stand der Forschung zu diskutieren oder um selbst an kleinen, autonom fahrenden Autos zu basteln.

Große Konkurrenz aus den USA

An diesem Dienstag ist Alexander Kolbai zu Gast im Literaturhaus, wo die erste sogenannte Journalism-of-Things-Konferenz (Jot-Con) stattfindet. Sie will Forscher, Bastler und Journalisten zusammenbringen, um gemeinsam über die Technologie der Zukunft und vernetzte Gegenstände – von winzigen Sensoren bis hin zum Auto – zu sprechen. Kolbai, der ansonsten in der IT eines großen Autoherstellers arbeitet, will einen Einblick in das vernetzte, autonome Fahren geben.

Eines der Probleme, die autonome Autos derzeit verhindern, ist die Haftung ab dem autonomen Level vier von fünf, erklärt Kolbai. Darunter verstehen Experten voll automatisiertes Fahren, bei dem der Fahrer die Kontrolle komplett an das Auto abgibt und sich anderen Dingen zuwenden kann. Die Haftung werde ab Level vier bei den Herstellern liegen. Deshalb gilt: „Bevor wir die Technologie nicht zu 100 Prozent beherrschen, geht kein deutscher Hersteller damit in großem Stil auf die Straße, da geht die Sicherheit vor.“ In den USA und in China sei das vielleicht anders. „Dort sagen Ingenieure, das ist zu 70 Prozent sicher, probieren wir es auf der Straße.“

Das führt dazu, dass die Google-Tochter Waymo mit ihren Autos bereits Daten von zehn Millionen autonom gefahrenen und sieben Milliarden simulierten Meilen besitzt. „Der Druck der Konkurrenz aus Asien und den USA wächst schnell“, sagt Alexander Kolbai. Die deutsche Autoindustrie müsse daher eine „rasante Aufholjagd hinlegen“.

Kommunikation ist unerlässlich für autonomes Fahren

Eine Voraussetzung dafür ist der Ausbau von 5G, des Mobilfunkstandards der fünften Generation. „Bei 5G geht es nicht nur um eine schnellere Datenübertragung“, sagt Norbert Krain, „es ist ein Umbau hin zu einem softwarebasierten Netz, eine komplette Virtualisierung.“ Krain ist zusammen mit Alexander Kolbai auf die Jot-Con gekommen, er leitet in Stuttgart eine Gruppe Interessierter, die sich mit dem Internet der Dinge beschäftigt – ähnlich wie Alexander Kolbai. Hauptberuflich arbeitet Norbert Krain für ein Telekommunikationsunternehmen.

Kommunikation und 5G sind für vernetztes, autonomes Fahren unerlässlich, erklärt Norbert Krain, vor allem für die Kommunikation zwischen den Autos und mit ihrer Umwelt. Ein Beispiel: „Wenn hinter einer Kurve Stau ist, muss das Auto das an die folgenden weitergeben können“, sagt Krain. Damit schließt sich der Kreis zu der Hoffnung von Alexander Kolbai auf weniger Unfälle auf der Straße.

Herausforderungen für Autohersteller

Trotzdem: „Autonome und elektrische Autos lösen nicht allein alle Verkehrsprobleme“, betont Alexander Kolbai. „Wir müssen den Verkehrsfluss optimieren und die Nutzungszeit der Autos steigern, von heute 14 auf bis zu 80 Prozent pro Tag.“ Das funktioniere nur, wenn Menschen Autos nicht mehr besitzen, sondern sie mit anderen teilten.

Für Autohersteller und Zulieferer stellt sich die Frage, wer die Software rund um vernetzte Autos und Sharing-Dienste liefern wird. „Momentan geht der Trend dahin, dass die Software-Hersteller langfristig mehr profitieren, weil sie unabhängig von dem Fortbewegungsmittel anbieten könnten“, sagt Alexander Kolbai. Google hat das mit seiner Tochterfirma Waymo längst erkannt – und testet das in den USA schon auf öffentlichen Straßen.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Waymo habe Daten über sieben Billionen autonom gefahrene Meilen. Richtig ist, dass es sieben Milliarden sind. Ein Großteil davon stammt aus simulierten Fahrten. Real gefahren ist Waymo zehn Millionen Meilen.