Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil gegen vier so genannten „Autonomen Nationalisten Göppingen“ aufgehoben. Foto: dpa

Vier Neonazis werden verurteilt, nur zwei legen Revision ein. Der Bundesgerichtshof ordnet jetzt eine neue Verhandlung an. Trotzdem müssen alle Verurteilten wieder vor das Stuttgarter Landgericht.

Stuttgart - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil gegen vier Neonazis aufgehoben, die für rechtsextreme Propaganda und Hetze, Drohungen und Angriffe auf politische Gegner verurteilt worden sind. Das teilte eine Sprecherin des Landgerichts Stuttgart am Dienstag mit. Die Entscheidung des BGH sei schon am 31. Mai gefallen. Aktuell wollte sich das Karlsruher Gericht auf Anfrage aber nicht zum Fall äußern - auch nicht zur Begründung.

Zwei der damaligen Angeklagten waren wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und Rädelsführerschaft zu zwei Jahren und zwei Monaten beziehungsweise zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Diese legten Revision gegen das Urteil vom August 2015 ein. Zwei weitere Angeklagte kamen mit Bewährungsstrafen davon. Sie hatten keine Überprüfung ihrer Urteile angestrebt, damit war das Urteil gegen sie rechtskräftig. Trotzdem wird der Fall jetzt komplett neu vor einer Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt. Termine stehen noch nicht fest.

Das Landgericht Stuttgart spricht in diesem Fall von einer sogenannten Rechtskraftdurchbrechung. Bei dieser Besonderheit wird eine Revision auf Mitverurteilte ausgedehnt, auch wenn die gar nicht gegen das Urteil vorgegangen sind.

Die Männer wurden im Februar 2014 festgenommen

Während der 45 Prozesstage im vergangenen Jahr hatte das Gericht mehr als 120 Zeugen befragt und rund 160 abgehörte Telefonate zwischen den Mitgliedern der Autonomen Nationalisten Göppingen (ANG) ausgewertet. In der „Kameradschaft“, wie sie die Mitglieder selbst nannten, herrschte laut dem Stuttgarter Urteil eine strikte Rollenverteilung. Anders Gesinnte wurden systematisch eingeschüchtert und gezielt attackiert. Eine der Losungen habe dazu aufgerufen, „das Filstal zu nazifizieren und braun zu halten“.

Die Neonazis sorgten laut Gericht in Göppingen lange für politisches Unbehagen, das durch Auseinandersetzungen mit der ebenfalls gewaltbereiten Antifa-Szene geprägt war. 2012 und 2013 habe in der 55 000 Einwohner zählenden Stadt „Ausnahmezustand“ geherrscht. Die ANG erweckte demnach im ganzen Land den Eindruck eines „Wohlfühlorts für Neonazis“.

Die Polizei hatte die Männer im Februar 2014 bei einer Razzia festgenommen. Dabei stellten die Ermittler Propagandamaterial wie Hakenkreuzfahnen, gerahmte Bilder von Adolf Hitler, Transparente, Aufkleber und Plakate mit Aufschriften wie „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ sicher. Zudem fanden sie Schlag- und Schusswaffen in den 19 durchsuchten Wohnungen in den Landkreisen Esslingen, Göppingen und Rems-Murr.