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Die Verdächtigungen der Abgasmanipulation beim Diesel machen Daimler zu schaffen. Konzernchef Dieter Zetsche verteidigt in Peking den Einspitzmotor vehement. Seinen Auftritt auf der Automesse hatte er sich dennoch anders vorgestellt.

Peking - Normalerweise beginnen Roundtables bei Automessen nicht damit, dass alte Pressemitteilungen verlesen werden. Doch am Montag startet die Frage-und-Antwort-Runde auf dem Daimler-Stand in der heißen Messehalle in Peking erst einmal damit, dass Kommunikationschef Jörg Howe mit ernster Miene eine Verlautbarung vom Blatt abliest, die der Stuttgarter Konzern bereits am Freitag veröffentlicht hat. Darin wird erläutert, dass das US-Justizministerium den Autobauer dazu aufgefordert hat, die Abgasemissionen unter die Lupe zu nehmen. Das Unternehmen versichert „etwaigen Hinweisen auf Regelverstöße“ konsequent nachgehen werde. Und dann kommt jener Satz, den Daimler-Finanzchef Bodo Uebber bei der Vorlage der Quartalszahlen am Freitag gegenüber Journalisten und Analysten ebenso wie Sprecher des Unternehmens auf Nachfragen geradezu gebetsmühlenhaft wiederholt haben: „Die Erfahrungen des Unternehmens mit den US-Behörden haben klar gezeigt, dass eine konservative Kommunikation den konstruktiven Dialog mit den Behörden unterstützt.“

Mancher Journalist hat diesen Satz nun schon so oft gehört, dass er ihn auswendig aufsagen kann – wahlweise auf Deutsch oder auf Englisch. Dann stellt Howe klar: „Das ist alles, was wir heute zur Dieselthematik sagen werden. Diese Pressemitteilung liegt für Sie dort aus, die können Sie mitnehmen, wir werden uns darüber hinaus nicht zur Dieselthematik äußern.“ Punkt. Daimler-Chef Dieter Zetsche sitzt derweil neben seinem Chefkommunikator und sieht angefasst aus. China-Chef Hubertus Troska sitzt neben Zetsche und blickt starr mit ernstem Blick auf den Tisch.

Die Journalisten sind baff und zunächst einmal sprachlos. Denn solch einen Vorgang, dass ein Thema, das in der Medienlandschaft für solch einen Wirbel sorgt, in einer Gesprächsrunde von vornherein zum Un-Thema erklärt wird und stattdessen alte Pressemitteilungen verteilt werden, hat es noch nie gegeben – zumindest können sich Journalisten, die seit Jahrzehnten diesen Job machen, nicht daran erinnern.

Daimler muss sich seit längerem gegen Verdächtigungen wehren

Gewiss, man kann nachvollziehen, dass das „Dieselthema“ Dieter Zetsche wohl mächtig an die Nieren geht. Seit im vergangenen Herbst der Abgasskandal von VW aufgedeckt wurde, hat sich Daimler immer wieder gegen Verdächtigungen wehren müssen. Immer wieder hat der Autobauer versichert, sauber zu sein, Millionen wurden bereits lange vor „Dieselgate“ in die Entwicklung einer neuen Dieselmotorenfamilie gesteckt, die Maßstäbe in Sachen Stickoxidemissionen setzen soll. Die erste Variante dieses Selbstzünders kommt gerade jetzt in der neuen E-Klasse zum Einsatz, die den Absatz und den Gewinn weiter ankurbeln soll. Daimler hatte dafür Lob erwartet und erhält stattdessen Prügel.

Die für Sammelklagen bekannte US-Kanzlei Hagens Berman argwöhnt, dass Daimler bei einer ganzen Reihe von Modellen mit als besonders umweltfreundlich gepriesenen Varianten Bluetec-Dieselmotoren getrickst habe – von denen allerdings keiner zur neuen Motorenfamilie gehört. Die US-Umweltbehörde EPA und das US-Justizministerium, die gerade an einer Milliardenstrafe für VW arbeiten, werden hellhörig. Und dann schneidet die Marke Mercedes-Benz – anders als der Erzrivale BMW – auch noch in einem lang erwarteten und am Freitag präsentierten Prüfbericht des Kraftfahrtbundesamtes schlecht ab.

Deshalb kann man gut verstehen, dass Zetsche in Peking am liebsten nur über die verlängerte Variante der neuen E-Klasse reden würde, die auf der Messe Weltpremiere feiert und ein Renner werden soll. Oder über den gerade mitten im Pekinger Szeneviertel Sanlitun mit viel Pomp eröffneten größten „Mercedes me Store“ der Welt – eine Erlebniswelt mit Events, Restaurants, neuen Automodellen, riesigen Bildschirmen und modernster digitaler Infotechnik. Oder über den viersitzigen Smart Forfour, der jetzt in China startet. Oder über den Smart Brabus Fortwo – den sportlichsten Smart aller Zeiten, eine „Rennsemmel“, wie Smart-Chefin Annette Winkler den Zweisitzer mit 109 PS nennt.

Zetsche: In Europa ist der Diesel gefragt wie eh und je

Doch dann muss Zetsche doch viele Fragen zum Dieselmotor und dessen Zukunftschancen beantworten. Der Daimler-Chef verteidigt den Diesel vehement. Auch seit Bekanntwerden des Abgasskandals von VW sei der Diesel in Europa gefragt wie eh und je, versichert der Daimler-Chef. In China ist der Diesel zwar ebenso wie auf dem US-Markt schon immer eine Randerscheinung. Doch in Europa ist der Diesel, so Zetsche, sehr beliebt und auch unverzichtbar, um die schärferen Kohlendioxid-Grenzwerte zu erreichen. Mit Benzinmotoren, Elektro- und Hybridantrieben ist dies seiner Meinung nach kaum zu schaffen – auch weil Elektroautos weiterhin kaum gefragt sind. Nein, Daimler sei keineswegs zu defensiv bei der Elektromobilität, versichert Zetsche. Erst auf lange Sicht aber werde sich der Stromer durchsetzen. Mit Verbrennungsmotoren, so der Daimler-Chef, werde heute das Geld für die Entwicklung des bisher unprofitablen Elektroantriebs verdient.

Später, beim Mittagessen, berichtet eine Moderatorin des chinesischen Fernsehsenders CCTV, dass Daimler-Chef Zetsche alle Fernsehinterviews mit chinesischen Sendern abgesagt habe. Als sie daraufhin China-Chef Troska zum Thema Diesel befragen wollte, habe sich ein PR-Mann von Daimler vor die Kamera gestellt, um Aufnahmen zu verhindern. Deshalb sei sie schon vor der Premiere der langen E-Klasse wieder gegangen. „I was pissed off“, macht die resolute Fernsehfrau kein Hehl aus ihrer Verärgerung. Daimler-Kommunikationschef Howe stellt es anders dar. Zwar stimme es, dass alle TV-Interviews mit dem Daimler-Chef abgesagt worden seien. Doch im Gespräch mit Troska habe die Moderatorin die vereinbarte Zeit schon lange überzogen gehabt. Der Daimler-Mitarbeiter habe deshalb signalisieren wollen, dass die Aufnahmen nun beendet werden müssten, damit die Vorbereitungen für die Premiere beginnen könnten.