Nach gut 20 Jahren Rückzug von der Konzernspitze des Esslinger Automatisierers Festo werden die Brüder Kurt und Wilfried Stoll mit der Wirtschaftsmedaille des Landes geehrt. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut übergab die Auszeichnung.
Die deutschen Regierungschefs und Minister lassen sich bei der Hannover Messe gerne mit den Entwicklungen des Esslinger Automatisierungsspezialisten Festo ablichten. Es gibt Fotos von Kanzlerin a.D. Angela Merkel mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin und einer Flugmaschine in Form einer Libelle. Oder aus diesem Jahr von Olaf Scholz mit einem Algenreaktor. Dagegen scheuen jene, die das Unternehmen aufgebaut haben, mittlerweile das Blitzlicht: die Gesellschafterfamilie Stoll. In dieser Woche gab es einen öffentlichen Auftritt: Die Brüder Kurt (92) und Wilfried Stoll (86), über Jahrzehnte Geschäftsführer des Automatisierungsspezialisten, haben die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten. Wilfried Stoll nahm sie entgegen. Die Auszeichnung wird an Unternehmer für herausragende berufliche und unternehmerische Leistungen sowie ehrenamtliches und gesellschaftliches Engagement verliehen.
Kurt Stoll gilt als ein Wegbereiter der Pneumatik und der Automatisierungstechnik ab den 1950ern. Das Unternehmen war 1925 von seinem Vater Gottlieb Stoll und Albert Fezer in der Esslinger Olgastraße begründet worden. Aus den Anfangsbuchstaben der Namen ergibt sich der Firmenname. Anfangs wurden Maschinen zur Holzbearbeitung hergestellt. Fezer stieg nach wenigen Jahren aus. In den 1970ern ging die Geschäftsführung an Kurt und Wilfried Stoll über. Während der Maschinenbauingenieur Kurt Stoll für die technische Seite verantwortlich zeichnete, wird dem Kaufmann Wilfried Stoll angerechnet, dass er Festo früh international ausgerichtet hat. Heute zählt die Gruppe weltweit etwa 20 800 Mitarbeitende in rund 60 Ländern. 2022 erwirtschaftete Festo eigenen Aussagen nach einen Umsatz von 3,81 Milliarden Euro. Zur Geschichte gehört außerdem der Werkzeugmaschinenhersteller Festool mit Sitz in Wendlingen – er wurde im Rahmen einer Realteilung der Firma unter den Familienstämmen rund um die Jahrtausendwende ausgegliedert.
Ende 2003 gab Wilfried Stoll den Vorstandsposten der Geschäftsführung an ein Nichtfamilienmitglied ab, Eberhard Veit. Es folgten weitere, zuletzt Oliver Jung. Ab 1. Januar 2024 steht Thomas Böck, bisher Chef des Herstellers für Landmaschinen Claas, an der Firmenspitze. Wilfried Stoll löste vor 20 Jahren seinen Bruder Kurt an der Aufsichtsratsspitze ab. Mittlerweile ist das Duo nicht mehr in diesem Gremium vertreten, aber wohl noch in einer Konzern-Holding tätig. Im Aufsichtsrat des Automatisierungsunternehmens sitzen nun Vertreter der nächsten Stoll-Generationen. „Wir betrachten diese Auszeichnung nicht nur als Anerkennung unseres Wirkens, sondern vielmehr auch als Anerkennung einer Teamleistung: unseres Vorstands und aller Mitarbeitenden weltweit“, sagte Wilfried Stoll bei der Preisverleihung. Die Ehrung des Landes gelte der Familie als Ansporn und Motivation, die unternehmerischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern und einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.