Abstandsregler, Staupilot, Spurhalteassistent: Immer mehr elektronische Helfer sind in den Autos verbaut. Sie sind der Wegbereiter für das vollautomatisierte Fahren der Zukunft. Bei Bosch erreicht der Umsatz mit dieser Technik 2016 eine Milliarde Euro.

Untergruppenbach - Jetzt wird’s brenzlig. Xavier Vagedes, Bosch-Systementwickler, hat den Tesla Model S auf der Autobahn von Heilbronn in Richtung Stuttgart auf 120 Kilometer pro Stunde beschleunigt. Dann nimmt er seine Hände vom Steuer. Ein grünes Licht über dem Armaturenbrett signalisiert, dass der Autopilot das Fahren übernommen hat. Da taucht auf dem Standstreifen plötzlich ein klappriger Lieferwagen auf, der im Schneckentempo unterwegs ist. Was wird der Tesla tun? Im Auto wird es still. Doch eingreifen ist nicht nötig, das Auto zieht locker vorbei.

Kaum ein anderes Thema elektrisiert die Autohersteller und Zulieferer derzeit so wie der Wettlauf um das automatisierte Fahren. „Neben der Vernetzung und Elektrifizierung ist dies einer der Megatrends der kommenden Jahre“, sagt Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel in Untergruppenbach bei Heilbronn, wo das Unternehmen am Freitag Journalisten zeigt, wie es bei dieser Technologie aufgestellt ist. Auch Daimler, BMW und Audi übertreffen sich derzeit mit werbewirksamen Ankündigungen. So sorgten die Stuttgarter jüngst mit der futuristischen Studie F015 für Aufsehen, in der das Lenkrad nur noch auf Bedarf ausfährt. Audi kontert, will den neuen A8 von 2017 an bis 60 Stundenkilometer alleine fahren lassen.

Die Technik ist dabei ähnlich wie im Tesla, von denen Bosch derzeit neben einem 3er- BMW zwei im Testeinsatz auf der A 81 hat. In der Frontscheibe sitzt eine Stereokamera, rund um das Auto überwachen zusätzlich jeweils sechs Radarsensoren und Laserscanner die Umgebung bis zu 250 Meter Entfernung. Dazu wird laufend hochpräzises und dynamisches Kartenmaterial eingelesen, das Bosch im Moment in Kooperation mit dem Navigationsspezialisten Tom Tom selbst herstellt. So weiß das Auto, ob weiter entfernt eine Kurve kommt. Es wird aber auch über eine Wanderbaustelle oder Staus informiert.

Für die Assistenzsysteme arbeiten inzwischen 2000 Entwickler

Vor dem Tesla taucht auf der rechten Seite eine Lkw-Kolonne auf. Einer der Lastwagen fährt bedrohlich nahe an der Linie zum Mittelstreifen. Der Abstand würde zwar reichen, doch das Erprobungsauto bremst ab und fährt gemächlich nebenher. Alle Sensoren des Autos sind mit einem Hochleistungsrechner verbunden, errechnen in Verbindung mit der Karte in Sekundenbruchteilen ein Gesamtbild der Situation. „Die Entscheidungslogik ist dabei ähnlich wie beim Menschen – sie orientiert sich am Fahrerwunsch und vor allem an der Sicherheit“, sagt Michael Fausten, Projektleiter für automatisiertes Fahren bei Bosch.

Obwohl die Fahrzeuge längst mehr könnten, wird das automatisierte Fahren in Stufen über Assistenzsysteme eingeführt. Abstandsregler, Notbrems- oder Spurhalteassistenten sowie Einparkhilfen sind heute schon bei vielen Herstellern und Modellen verfügbar. Sie werden mit jeder Generation verfeinert und weiterentwickelt. „2016 werden wir mit Fahrerassistenz die Umsatzschwelle von einer Milliarde Euro erreichen“, prognostiziert Hoheisel. So wurden bei Bosch im vergangenen Jahr allein 50 Millionen Umfeldsensoren verkauft. Für die Assistenzsysteme arbeiten inzwischen 2000 Entwickler, gut 700 mehr als noch vor zwei Jahren. Die sind ihr Geld offenbar wert. Hoheisel geht davon aus, dass Kunden für Funktionen des automatisierten Fahrens zwischen 3000 und 5000 Euro ausgeben würden. Dafür müssen die Preise für Sensoren und Rechner aber noch sinken. Im Test-Tesla hat Bosch 500 000 Euro an Technik verbaut.

Bis ein Auto völlig autonom unterwegs ist, wird es ohnehin dauern. Bei Bosch rechnet man damit, dass der Autobahn-Pilot 2020 in Serie gehen könnte, ein Auto aber erst im Jahr 2025 wirklich selbstständig von A nach B fahren kann. Noch fehlen rechtliche Voraussetzungen, um etwa Haftungsfragen eindeutig beantworten zu können. Außerdem ist die Freigabe von derartigen Assistenzsystemen derzeit extrem aufwendig. Mehrere Millionen Testkilometer müssen absolviert werden, um das sichere Funktionieren nachweisen zu können. Die Akzeptanz beim Kunden dagegen ist kein Problem, glaubt man bei Bosch. Die werde mit jeder Generation neuer Systeme steigen.

Auch im Testwagen gilt es, verschiedene Probleme zu lösen. Eines davon ist etwa das Wetter. Ist die Landschaft bei Schnee weiß, kommen Kameras und Radarsensoren schnell an ihre Grenzen. Gleiches gilt für Tunneleinfahrten, die oft als Hindernis wahrgenommen werden. Auch hektische Situationen auf der Autobahn, wie sie in Ballungsräumen häufig auftreten, sind problematisch. Wie um den Beweis anzutreten, piept der Tesla und verlangt von Xavier Vagedes, dass er das Steuer übernimmt. Vorne schert ein Lkw aus, von hinten rauscht ein Porsche mit hohem Tempo heran. „Da geht der Autopilot lieber auf Nummer sicher.“