Verkehrsminister Alexander Dobrindt nimmt von der Ethik-Kommission den Bericht zum automatisierten Fahren entgegen. Foto: dpa

Eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission pocht auf klare Regeln für das vollautomatisierte Fahren. Der Computer könne nicht immer in kritischen Situationen entscheiden. Der Verkehrsminister Alexander Dobrindt sagt der neuen Technik dagegen den Durchbruch voraus.

Berlin - Eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission spricht sich dafür aus, das vollautomatisierte Fahren nur unter engen Bedingungen zu erlauben. Dem autonomen Fahren gibt der Komissionsvorsitzende und frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio nur eine Zukunft, wenn die Technik mit einem deutlich erhöhten Sicherheitsgewinn verbunden sei. Dabei hält die Ethik-Kommission, die Bedingungen für das automatisierte Fahren untersuchen soll, aber noch einige Fragen für ungelöst. Die Kommission gab keine Empfehlung dazu ab, wie sich autonome Fahrzeuge für „Dilemma-Situationen“ programmiert werden sollten: Dazu zählt eine Notsituation, in der ein Computer zum Beispiel entscheiden muss, ob er das Leben der Fahrzeuginsassenaufs Spiel setzt oder einen unbeteiligten Passanten verletzt. Die Kommission weist darauf hin, dass es hier Grenzen gebe. Der Computer könne aus ethischen Gründen nicht so programmiert werden, dass er zwischen zwei Übeln entscheidet. Gleichwohl betonte der Vorsitzende Di Fabio, die digitale Vernetzung der Fahrzeuge könne dazu führen, die Zahl von jährlich rund 3000 Verkehrstoten in Deutschland zu senken. Die Kommission sieht ihre Empfehlungen nicht als fertig an. Wegen der offenen technischen Fragen könne der Bericht nur eine Diskussionsgrundlage darstellen.

Minister Dobrindt sieht Expertenrat als Ermutigung

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bewertete die Empfehlung dennoch als Ermutigung, die Umsetzung des autonomen Fahrens voranzutreiben. Deutschland sei Vorreiter bei der Umsetzung des autonomen Fahrens, erklärte Dobrindt. Der Minister sagte voraus, dass es in fünf Jahren selbstverständlich sein werde, beim Händler einen vollautomatisierten Wagen zu kaufen. Aus seiner Sicht sei es aus ethischen Gründen zwingend, das automatisierte Fahren einzuführen. Denn dies gehe mit mehr Sicherheit einher. Dobrindt hatte die Kommission vor neun Monaten eingesetzt. Der Arbeitsgruppe gehören Wirtschaftsvertreter, Juristen, Theologen, Philosophen und Verbraucherschützer an.

Die Ethik-Kommission nennt Bedingungen, die bei der Einführung des autonomen Fahrens erfüllt sein sollen. Sie formuliert 20 Leitlinien. Der Schutz der Menschen müsse absoluten Vorrang haben vor anderen Nützlichkeitserwägungen, heißt es. Die Zulassung von automatisierten Systemen sei nur vertretbar, wenn sie im Vergleich zu menschlichem Fahren zu weniger Schäden führt. Die Kommission spricht sich auch dafür aus, dass der Gesetzgeber einen Ordnungsrahmen schafft. Fahrsysteme müssten von der öffentlichen Hand zugelassen und kontrolliert werden. Obwohl die Unfallvermeidung oberstes Ziel sein müsse, gesteht die Kommission dem Gesetzgeber Spielraum zu. Restrisiken seien technisch unvermeidbar und in dem Fall akzeptabel, dass sich die Unfallbilanz mit autonomen Systeme verbessert.

Der Politik setzt die Kommission aber Grenzen. Eine Pflicht zur Nutzung vollautomatisierter Verkehrssysteme sei bedenklich. Der Gesetzgeber solle es verbieten, dass der Computer bei unausweichlichen Unfällen nach persönlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht und körperliche Konstitution unterscheidet. Dahinter steckt die Sorge, der Computer könne beispielsweise so programmiert werden, dass bei einer Gefährdung eher das Leben älterer Menschen aufs Spiel gesetzt werde. Die Systeme müssten auch so ausgelegt sein, dass keine Aufrechnung von Opfern erfolge – indem etwa vor einem Unfall die Zahl der Wageninsassen mit den Folgen für unbeteiligte Passanten verglichen wird.

Ungelöste Probleme bei der Programmierung

Die Kommission hält vor allem eine Frage für ungelöst: Die Computer könnten nicht so programmiert werden, dass sie bei der Gefahr für Menschenleben zwischen zwei Übeln unterscheiden. Diese Situationen können nicht im Vorhinein normiert werden. Falls durch einen Autofahrer Menschen verletzt werden, müsse sich der Wagenlenker möglicherweise vor Gericht verantworten. Die Programmierer der Fahrsysteme könne über solche Situationen nicht im Voraus entscheiden.

Die Kommission ruft den Gesetzgeber auf, die Haftung von automatisierten Fahrsystemen zu regeln. Dabei gälten die gleichen Grundsätze wie in der allgemeinen Produkthaftung. Die gesetzlichen Haftungsregeln müssten konkretisiert werden. Beim autonomen Fahren müsse auch im Nachhinein klar erkennbar sein, wann der Fahrer und wann das Fahrsystem die Kontrolle über das Fahrzeug ausübte.

Ein besonderes Anliegen ist den Sachverständigen darüber hinaus der Umgang mit den Daten, die im vernetzten Verkehren anfallen. Der Gesetzgeber solle Geschäftsmodellen, die darauf basieren, die Daten aus dem automatisierten Fahren zu nutzen, in Schranken weisen. Konzerne wie Google experimentieren mit dem fahrerlosen Auto auch deshalb, um danach die Verkehrsdaten wirtschaftlich zu vermarkten. Die Verkehrsteilnehmer hätten aber Anspruch darauf, die Kontrolle über ihre eigenen Daten zu behalten, meint die Kommission.