Nicht alle Verkehrsteilnehmer sind damit einverstanden, was nach den EM-Spielen auf den Straßen geschieht. Foto: Andreas Rosar/Fotoagentur Stuttgart

Eine Stuttgarterin kommt aus dem Urlaub und erkennt ihre Stadt nicht wieder: Sie landet mitten im Korso nach dem Türkei-Spiel. Von der Polizei hätte sie ein härteres Vorgehen erwartet. Die Polizei verteidigt ihre Strategie.

Mittwochabend, 23.30 Uhr. Sabine Flederer (Name geändert) kommt vom Urlaub, hat noch ihr Auto abgeholt, das bei der Werkstatt stand, und will nur noch nach Hause. Doch das gestaltet sich schwierig. Sie wohnt im Gerberviertel und kam aus Richtung Ludwigsburg auf der Bundesstraße 27. Schon in Feuerbach ahnte sie, dass es eine Heimfahrt mit Hindernissen werden könnte. Denn die Korso-Jubel-Fahrer waren unterwegs, um den Sieg der Türkei bei der Fußball-Europameisterschaft zu feiern. „Ab dem Milaneo an der Heilbronner Straße war es eine Katastrophe“, sagt Flederer. Am Bahnhof war kein Weiterkommen mehr. „Wir mussten alle einen U-Turn machen. Weit und breit keine Polizei. Nur ein Typ in Jogginghose versuchte, den Verkehr zu regeln“, sagt sie. Sie sei froh gewesen, unfallfrei umkehren zu können. Als sie wenig später Polizeibeamte entdeckte und diese vom Auto aus ansprach, sei sie rüde abgewiesen worden. Auch ein Anruf auf dem ersten Revier an der Hauptstätter Straße habe nichts gebracht, „die haben nur gesagt, sie hätten alles im Griff – das kam mir nicht so vor“, sagt die 23-Jährige. Zumal auch Böller geworfen wurden und sie habe Personen gesehen, die mit Schreckschusspistolen schossen.

 

Die Polizei verteidigt ihr Vorgehen

Die Polizei schätzt die Lage anders ein. Zwar beschrieb sie bereits am Morgen nach den Feiern der Türkeifans die Verkehrslage auch als eher schlecht: Der Autoverkehr auf dem Cityring sei zeitweise zum Erliegen gekommen – aber nur in der ersten halben Stunde nach Spielende, sagt ein Sprecher der Polizei. Auch sei die Schillerstraße vorm Hauptbahnhof nicht gesperrt gewesen, man habe von der Heilbronner nach links abbiegen können. Allerdings habe sich der Verkehr teilweise schon bis zum Pragsattel hochgestaut.

Die Polizei habe ein Konzept, um die Korsos zu lenken. Dazu zähle auch, dass die Friedrich- und die Theodor-Heuss-Straße schon früh in eine Richtung gesperrt worden sei. Später erst wurde die Achse ganz dicht gemacht. Der Grund dafür seien weiniger die beteiligten Dauerhuper gewesen, sondern die Personen auf der Straße. „Das war beim ersten Türkeispiel schon so, dass da bis zu 300 Menschen auf der Fahrbahn standen“, so der Sprecher. Außerdem sei dieses Mal noch ein anderes Phänomen hinzugekommen: Manche Fahrer hätten mitten auf der Heilbronner Straße angehalten, seien ausgestiegen, hätten den Kofferraum aufgemacht „und wollten dann da Party feiern“. Das habe die Polizei so gut es ging unterbunden. „Die Kollegen hatten gut zu tun“, sagt der Pressesprecher dazu. Teilweise seien Kreuzungen blockiert gewesen.

Böllerwürfe und auch Schüsse aus Schreckschusspistolen habe die Polizei – wie die Autofahrerin – ebenfalls wahrgenommen. Man habe in der großen Menschenmenge aber die Verursacher nicht ausfindig machen können.

Die Polizei toleriert Korsos – aber nicht alles ist erlaubt

Den Eingang einzelner Beschwerden bestätigt die Polizei. Und: Grundsätzlich sollte bei den Feiern nach den Fußballspielen „die Beeinträchtigung Dritter auf ein zumutbares Maß“ reduziert werden. Das ist aus Sicht der 23-Jährigen am Mittwoch wohl nicht ganz gelungen. Grundsätzlich bedürften Autokorsos der Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde. Sie würden aber „als Ausdrucksform der Freude in einem zumutbaren Maß“ geduldet – als „Ausdrucksform der Freude“. Die Verkehrspolizei verfüge über langjährige Erfahrungen und bewährte Konzepte. Man habe das Herumfahren auch nach einer gewissen Zeit unterbunden. Weitere Korsos könnten am Freitag rollen, sollte der deutschen Mannschaft doch ein Sieg gegen die spanische gelingen, sowie am Samstag, falls die Türken erneut gewinnen.