Sieht so die Zukunft für Stellantis aus? Erst kürzlich sprach Stellantis-Präsident John Elkann (li.) mit Open-AI-Gründer Sam Altman auf der „Technologie-Woche“. Foto: //Selene Daniele

Gewerkschaften rufen angesichts des dramatischen Produktionseinbruchs bei der Opel-Mutter Stellantis zum Generalstreik auf.

Die Krise in der Autobranche geht auch an Stellantis nicht vorbei. Jetzt wehren sich die Arbeiter in den italienischen Werken des Autokonzerns. Die drei großen Gewerkschaften Italiens haben für den 18. Oktober zu einem Generalstreik aufgerufen. Sie fürchten kurzfristig den Verlust von 25 000 Arbeitsplätzen sowie Werksschließungen und fordern Hilfsprogramme.

Die Produktion in Italien ist im ersten Halbjahr um 30 Prozent gesunken. Für das Gesamtjahr erwarten die Arbeitnehmerorganisationen einen Rückgang der Fertigung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um ein Drittel gegenüber 2023 auf knapp eine halbe Million Einheiten. Auch außerhalb von Italien sieht es nicht gut aus für Stellantis: Die weltweiten Gewinnerwartungen für dieses Jahr wurden wegen der Probleme im nordamerikanischen Markt und der schwachen Branchenlage deutlich nach unten korrigiert. Konzernchef Carlos Tavares geht nun nur noch von einer um Sondereffekte bereinigten operativen Gewinnmarge von 5,5 bis 7,0 Prozent aus.

Zahl der Mitarbeiter von 51 000 runter auf 40 000

Aber zurück nach Italien: Dort ging die Zahl der Mitarbeiter in den Stellantis-Fabriken seit der Fusion des früheren Fiat-Konzerns mit Peugeot Citroen 2021 von 51 000 auf knapp über 40 000 zurück. In allen Werken wird kurzgearbeitet.

Die Regierung verhandelt seit mehr als einem Jahr mit Stellantis über eine Erhöhung der Produktion in Italien auf über eine Million Einheiten pro Jahr bis 2030. Industrieminister Adolfo Urso wirft Stellantis vor, sich nicht an Vereinbarungen zu halten. Denn Stellantis-Chef Carlos Tavares hatte es zur Bedingung für eine Erhöhung gemacht, dass mehr Ladesäulen für Elektroautos errichtet werden und Kaufanreize für schadstoffarme oder –freie Autos eingeführt werden. Zumindest die Kaufanreize gibt es inzwischen: Rom zahlt in den kommenden drei Jahren 2,75 Milliarden Euro an Hilfen in Form von incentives zum Kauf von Elektro- und schadstoffarmen Fahrzeugen sowie Hilfen für Unternehmen.

Das reicht Tavares aber nicht. Denn Italiens Autoindustrie leidet auch unter Energiekosten, die fast doppelt so hoch sind wie in Deutschland. Adrea Giuricin, Ökonom mit Schwerpunkt Transport und Mobilität an der Mailänder Bicocca-Universität, listet weitere Probleme auf: „Das Problem ist, dass wir nur einen großen Hersteller haben. Italien war nie in der Lage, ausländische Hersteller anzuziehen. Das lag an den strukturellen Problemen wie der geringen Produktivität, hohen Logistik- und Arbeitskosten, aber auch an der Investitionsunsicherheit und einer komplexen Bürokratie.“ Es kommt hinzu, dass Italiens Autoindustrie fast nur Kleinwagen herstellt, die in Marokko, Polen oder Serbien kostengünstiger gefertigt werden können. In der Vergangenheit wurde außerdem zu wenig in Innovationen und alternative Antriebe investiert. So gibt es kaum Elektroautos, die in Italien gebaut werden.

Viele Zulieferer sind stark von Stellantis abhängig

Viele Zulieferer sind stark vom Verbrennermotor und von Stellantis abhängig: Und häufig sind sie zu klein und finanzschwach, um umzurüsten für Elektrifizierung, Digitalisierung und Internationalisierung. Und sie leiden unter der Krise der deutschen Hersteller. In den nächsten Jahren könnten bis zu 70 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Rom will sich in der EU um eine rasche Revision des Fahrplans für das Ende des Verbrennermotors 2023 bemühen. Dafür werden Bündnispartner gesucht. Darüber hinaus will die italienische Regierung massive Strafzahlungen wegen des Nicht-Erreichens der CO2-Grenzwerte im kommenden Jahr verhindern. Die Werte werden wegen des massiven Einbruchs der Elektroauto-Verkaufszahlen wohl verfehlt.

Neben Stellantis mit den italienischen Marken Fiat, Alfa Romeo, Lancia und Maserati gibt es nur noch die kleinen, aber feinen, Sportwagenproduzenten Ferrari und die Audi-Tochter Lamborghini, die sehr erfolgreich sind, aber nur auf geringe Stückzahlen kommen. Rom bemüht sich seit vielen Monaten intensiv um die Ansiedlung eines chinesischen Herstellers: bisher vergebens.

Neue Modelle wie der künftige Panda werden nicht in Italien gebaut

Die Perspektiven sind düster. Das Werk in Turin-Grugliasco, in der Maserati-Modelle gebaut wurden, ist Ende 2023 geschlossen worden. Neue Modelle wie der künftige Panda, der Lancia Ypsilon, der SUV Alfa Romeo Junior oder der Fiat 600 werden nicht in Italien gebaut.

Andere Modellreihen wie der Alfa Romeo Stelvio und Giulia kommen frühestens Ende 2025. Neue Maserati-Modelle wie der Quattroporte sind auf 2028 verschoben worden. Maserati schreibt tiefrote Zahlen und es gab sogar Gerüchte, die Marke solle eingestellt oder verkauft werden. Das dementierte Stellantis.

Einen schweren Rückschlag bedeutete das Aus der geplanten Batteriefabrik des Konsortiums Automotive Cells Company (ACC) in der Stellantis-Motorenfabrik im süditalienischen Termoli. Für das Vorhaben waren Investitionen von 2,3 Milliarden Euro veranschlagt. Dazu sollte die Öffentliche Hand eine Milliarde Euro beisteuern. Aber nun sind die Befürchtungen groß, dass das Projekt ganz beerdigt wird.

Der Absturz von Italiens Autoindustrie

Wettrennen
Bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts lieferte sich Italien ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der deutschen Autoindustrie um die Führungsposition in Europa. Heute rangiert die Autoindustrie des Landes auf Platz acht in Europa.

Edelmarken
Nur die Edelmarken Ferrari, die Audi-Tochter Lamborghini sowie Zulieferer wie Pirelli und Brembo sind noch Aushängeschilder der Branche.