Der Mirai – auf Deutsch Zukunft – von Toyota: Das Brennstoffzellenfahrzeug wurde weltweit 5500-mal verkauft. Foto: StZ

In Deutschland wir heftig darüber diskutiert, wie das saubere Auto der Zukunft aussehen soll. Japan legt sich da fest: Bis 2050 will das Land die Emissionen auf Null senken – Wasserstoff ist für die Asiaten das Zauberwort.

Tokio - Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang sind gerade vorbei, da geht der Blick schon nach Tokio. Dort werden in zweineinhalb Jahren die Sommerspiele ausgetragen. Und wenn die Sportler dann mit dem Bus zu den Spielstätten fahren, soll das umweltfreundlich geschehen. Aus dem Auspuff soll lediglich Wasserdampf kommen. Das hat sich die japanische Regierung unter Ministerpräsident Shinzo Abe zum Ziel gesetzt und baut auf Wasserstoff als Energieträger. Damit sollen Autos, Laster und Industriefahrzeuge angetrieben, Häuser mit Strom und Wärme versorgt werden. Nach Jahren der Stagnation, in denen Japan von China überholt und als wichtigste Wirtschaftsmacht in Asien abgelöst wurde, will sich die Nation wieder als Technologievorreiter präsentieren. Während Deutschland beim Thema Wasserstoff noch zögerlich ist und hierzulande Autos, die Strom aus Wasserstoff gewinnen, selten sind, baut Abe bereits die Wasserstoffgesellschaft auf.

Die Autobrache zählt in Japan zu den wichtigsten Branchen

Japan hat schon öfter die Richtung vorgegeben. Nicht nur beim Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen, der 1964 startete – lange bevor in Frankreich 1981 der TGV und zehn Jahre später in Deutschland der ICE auf die Schienen kam. Der Shinkansen fährt bis zu 320 Kilometer pro Stunde und gilt nur dann als pünktlich, wenn er auf die Sekunde genau abfährt. Die Uhren des Zugpersonals messen sogar Hundertstelsekunden.

Maßstäbe hat auch die Autobranche gesetzt. Toyota legte vor Jahrzehnten die Grundlagen für die Lean Production, die schlanke Produktion, in der Industrie. Der Begriff steht für einen sparsamen, effizienten Einsatz von Produktionsmitteln, eine straffe Organisation, hohe Produktivität und Qualität. Mit diesem System hat sich Toyota weltweit einen Namen gemacht, es wird inzwischen vielerorts angewendet. „Japaner sind gerne die Ersten, die etwas in Serie bringen“, sagt Michael Bargende. Der Direktor des Instituts für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen an der Uni Stuttgart kennt sich in Japan aus, er reist häufig dorthin und war kürzlich mit einer Delegation von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut dort.

Toyota ist der zweitgrößte Autobauer der Welt

Entschlossen zeigte sich Toyota auch bei der Hybridtechnologie: Seit 30 Jahren beschäftigt sich der zweitgrößte Autobauer der Welt damit und brachte vor 20 Jahren das erste in Serie gefertigte Hybridauto – eine Kombination von Elektro- und Benzin- oder Dieselmotor – auf den Markt. Anfangs von der Konkurrenz belächelt, hat der Konzern weltweit inzwischen fast 11,5 Millionen Hybridfahrzeuge verkauft. „Der japanische Markt hat sehr viel früher auf alternative Antriebe gesetzt als Deutschland“, sagt Ferry M. M. Franz, Repräsentant von Toyota Europa in Berlin. Zeichen setzte auch Nissan: Der Konzern ist Weltmarktführer bei vollelektrischen Autos: Allein vom Modell Nissan Leaf wurden seit der Serieneinführung 2009 mehr als 285 000 Fahrzeuge verkauft.

Mit 5,3 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 506 Milliarden Euro gehört die Autoindustrie zu den wichtigsten Branchen in Japan. Zu den größten Herstellern im Pkw-Bereich zählen Toyota, Nissan und Honda. Zusammen kommen sie auf einen Marktanteil von mehr als 75 Prozent.

Jetzt setzen die drei Autobauer verstärkt auf Wasserstoff – und damit auf Brennstoffzellenautos. Bei diesen Fahrzeugen wird der Elektromotor mit Wasserstoff betrieben. In der Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff und Sauerstoff; dabei entstehen Wärme und Strom – der den Elektromotor antreibt. Weil aus dem Auspuff nur Wasserdampf kommt, fährt das Auto emissionsfrei. Vor Kurzem haben Toyota, Nissan und Honda bekannt gegeben, dass sie zusammen mit Energiefirmen eine Allianz zum Bau neuer Wasserstofftankstellen gegründet haben. Sie wollen in den nächsten vier Jahren 80 weitere solcher Stationen aufbauen. Bislang gibt es rund 90 Wasserstofftankstellen, die in Japan 2400 Brennstoffzellenfahrzeuge versorgen. Das sind nur 0,004 Prozent aller Pkw (61,4 Millionen), die in Japan unterwegs sind. Trotzdem ist Japan weiter als andere Länder. Seit 2007 wurden in Deutschland rund 526 Brennstoffzellenfahrzeuge zugelassen.

Bei den olympischen Spielen sollen die Sportler in Brennstoffzellen-Bussen fahren

Doch was ist der Grund für die Allianz der japanischen Autobauer? Bislang produzieren nur Toyota und Honda in Japan Brennstoffzellenfahrzeuge in Serie. Und das in kleinem Maß. Seit mit dem Mirai das erste Serienmodell 2014 von Toyota auf den Markt kam, wurde es weltweit 5500-mal verkauft. Ab 2020 will Toyota jährlich 30 000 Autos mit Brennstoffzellenantrieb produzieren. „Das hat auch mit dem Image zu tun“, sagt Motorenexperte Michael Bargende. „Toyota will den Erfolg mit dem Hybridauto Prius wiederholen und braucht einen Nachfolger.“

Die Autobauer können mit deutlichen Fördermitteln rechnen. Die japanische Regierung verfolgt ein großes Ziel: Bis 2050 sollen die Emissionen auf null gesenkt werden. Doch der Ausbau der Brennstoffzellentechnologie ist nur ein Baustein auf dem Weg zur Wasserstoffgesellschaft. Bei den Spielen 2020 soll der Strom für das olympische Dorf, in dem die Sportler untergebracht werden, und für 1,4  Millionen weitere Haushalte mit Brennstoffzellen erzeugt werden, bis 2030 sollen es 5,3 Millionen Haushalte sein. Toyota will bis in zweieinhalb Jahren mehr als 100 Brennstoffzellenbusse auf die Straßen bringen, in denen die Olympia-Teilnehmer durch Tokio kutschiert werden. Zudem strebt die Regierung bis 2020 fast 40 000 Brennstoffzellenfahrzeuge an. „Bis 2030 sollen es 800 000 Brennstoffzellenautos sein. Japan investiert dafür jährlich mehr Fördermittel als alle anderen relevanten Pkw-Hersteller-Staaten und die EU zusammen“, sagt Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. „Hier ist uns Japan voraus.“

Die Gewinnung von Wasserstoff ist energieintensiv

Das Null-Emissions-Ziel ist nicht der einzige Grund, weshalb Wasserstoff als Energieträger stärker zum Einsatz kommen soll. Japan hat kaum eigene Ressourcen, muss Öl und Kohle importieren. Um unabhängiger zu werden, „wird in der Nähe von Fukushima ein Solar- und Windpark gebaut, mit dem Wasserstoff aus regenerativen Energien gewonnen wird“, sagt Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur E-mobil Baden-Württemberg. Dazu wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. „Bis 2020 soll der Park in Betrieb genommen werden.“

Eine andere Möglichkeit: Der Strom für die energieintensive Wasserstoffgewinnung wird in Braunkohlekraftwerken erzeugt. Das dabei entstehende klimaschädliche Kohlendioxid wird aufgefangen und in die Erde gepresst. Doch dafür müsste der Wasserstoff in speziellen Tankern nach Japan transportiert werden und das würde die Umweltbilanz nicht gerade verbessern. In Australien gibt es dafür bereits Pläne. Michael Bargende sagt, diese Technologien seien bekannt, „in großem Stil sind sie aber äußerst ambitionierte Zukunftspläne. Eine solche Strategie führt man als weit in der Zukunft liegende Möglichkeit an und bleibt bis dahin beim Bewährten.“ So fährt Japan inzwischen wieder stillgelegte Kernkraftwerke hoch. Denn bislang wird Wasserstoff hauptsächlich noch aus Erdgas gewonnen und dafür wird viel Energie benötigt. „In Japan steht Versorgungssicherheit noch vor Umweltaspekten“, sagt Loogen.

Ist Japan mit der Wasserstoffgesellschaft auf dem richtigen Weg, und schafft es das Land, sie zu etablieren? „In Japan sehen wir auf sehr vielen Ebenen, wie das Potenzial der Wasserstoff- und der Brennstoffzellentechnologie kontinuierlich weiterentwickelt wird. Von der Nutzung stationärer Brennstoffzellen als Heiz- und Stromquelle bis hin zu mobilen Anwendung im Fahrzeug reichen die Aktivitäten“, sagt Franz Loogen. „Wenn Japan diesen Pfad weiterverfolgt, wird es den Sprung in die Wasserstoffgesellschaft schaffen.“ Skeptischer sieht es Michael Bargende: „Grundsätzlich ist es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, eine Wasserstoffgesellschaft zu erzwingen, solange Wasserstoff auch aus fossilen Energieträgern erzeugt werden muss.“