Der mutmaßliche Autobahnschütze im Gerichtssaal Foto: dpa

Über Jahre hielt er die Autobahnpolizei in Atem: Ein 58-jähriger Fernfahrer soll über 700 Mal zur Waffe gegriffen haben, um anderen Verkehrsteilnehmern einen "Denkzettel" zu verpassen. Jetzt steht er vor Gericht.

Über Jahre hielt er die Autobahnpolizei in Atem: Ein 58-jähriger Fernfahrer soll über 700 Mal zur Waffe gegriffen haben, um anderen Verkehrsteilnehmern einen "Denkzettel" zu verpassen. Jetzt steht er vor Gericht.

Würzburg - Ein Fernfahrer aus der Eifel hat gestanden, aus Frust serienweise vom Steuer aus auf andere Autos geschossen zu haben. Den Vorwurf des versuchten Mordes wies er am Montag aber zurück. Die mysteriöse Serie von Schüssen hatte die Ermittler jahrelang in Atem gehalten. Der Angeklagte soll hundertfach vom Steuer auf andere Fahrzeuge gefeuert haben. Drei Menschen wurden dabei verletzt, im gravierendsten Fall trafen Projektilsplitter eine Geschäftsfrau in den Hals.

Niemals habe er „auch nur in die Nähe, geschweige denn in oder auf Führerhäuser“ anderer Lastwagen gezielt oder geschossen, betonte der 58-Jährige am Montag in einer Erklärung, die sein Verteidiger Franz-Josef Krichel vor dem Landgericht Würzburg verlas. „Mir ist bewusst, dass mein Handeln für Außenstehende in keiner Weise nachvollziehbar ist.“

Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen hatte zuvor in seiner Anklage argumentiert, der Mann habe den möglichen Tod anderer Menschen billigend in Kauf genommen. Er warf ihm in fünf Fällen versuchten Mord vor.

Wie viele Schüsse er abgegeben habe und wo, könne er nicht mehr erinnern, erklärte der Mann. Als Grund für seine Taten nannte er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Burkhard Pöpperl Verärgerung über das Verhalten von Fahrern vor allem ausländischer Autotransporter. Zudem sei er mehrfach überfallen worden. Er sprach von „Krieg auf der Autobahn“ und bestätigte, es sei um Genugtuung und Selbstjustiz gegangen. Er bat die Opfer um Entschuldigung.

Der Mann wollte den Fahrern einen "Denkzettel" verpassen

Der Mann habe den Fahrern „Denkzettel“ für ihr Fahrverhalten verpassen wollen, indem er auf Ladung oder Lkw schoss, erläuterte Raufeisen. Dabei habe der Angeklagte zwei Waffen mit selbstgebauten Schalldämpfern benutzt: erst ein Kleinkaliber, später auch eine Waffe des gefährlicheren Kalibers 9 Millimeter. Zwar habe der Mann damit nur Sachschäden anrichten wollen.

Nach Überzeugung Raufeisens waren die Folgen der Schüsse aber nicht zu kontrollieren: Der Mann habe freihändig und ohne genaueres Anvisieren durch die geöffnete Scheibe geschossen, Windböen oder Fahrbahnunebenheiten hätten die Schüsse ablenken können. „Für den Angeklagten bestand daher kein Zweifel, dass von ihm gesetzte Fehlschüsse zu schwersten Unfällen mit erheblichen Folgen bis hin zum Tod anderer Verkehrsteilnehmer würden führen können“, so Raufeisen. Mehrfach hätten die Schüsse Autos, Kleintransporter oder Gebäude getroffen.

Der Mann soll deutlich mehr als 700 Mal zur Waffe gegriffen haben, angeklagt sind 171 Fälle. Die Staatsanwaltschaft hatte dies bei der Anklageerhebung damit begründet, dass das Verfahren so auf ein handhabbares Maß begrenzt werde. Dem Mann werden dabei auch gefährliche Körperverletzung, unerlaubter Waffenbesitz, Sachbeschädigung und Eingriff in den Straßenverkehr zur Last gelegt.

Die Behörden hatten jahrelang intensiv nach dem Schützen gefahndet. „Wir müssen diese Tatserie stoppen, bevor Schlimmeres passiert!“, hatte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, Ende 2012 gewarnt. Erst eine umfangreiche Kennzeichenerfassung an betroffenen Autobahnabschnitten führte schließlich im vergangenen Jahr auf die Fährte des Kraftfahrers.