In Deutschland gibt es bei den Bundesfernstraßen zu wenig baureife Projekte Foto: dpa

Mit dem Aufbau einer Infrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen können Autobahnen zügiger als bisher saniert und ausgebaut werden, kommentiert Redakteur Frank Schwaibold

Stuttgart - Die Mühlen der Bürokratie beim Bau von Bundesfernstraßen sind extrem zäh. Nehmen wir die Bundesstraße 27 zwischen Filderstadt und dem Echterdinger Ei. Sie steht im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Doch obwohl der Planentwurf des Bundes seit März im Stuttgarter Verkehrsministerium ausliegt, wird es noch Jahre dauern, bevor der dringend notwendige Ausbau aus sechs Spuren erfolgen wird. Das Land muss zuerst die betroffenen Kommunen und Behörden über den Entwurf informieren und anschließend dem Bundesverkehrsministerium antworten. Erst dann kann es einen Beschluss des Bundeskabinetts geben. Schließlich wird der Entwurf noch im Parlament beraten und erst danach kann der Bundestag das entsprechende Ausbaugesetz beschliessen.

Besonders bizarr ist der Fall der Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden. Das Bauwerk liegt teils auf dem Gebiet von Rheinland-Pfalz, teils auf dem von Hessen. Zwar steht seit zehn Jahren fest, dass die Brücke so marode ist, dass sie durch einen Neubau ersetzt werden muss. Dennoch herrscht Stillstand. Denn Hessen, das formal für die gesamte Brücke zuständig ist, will einen sechsspurigen Ausbau. Rheinland-Pfalz dagegen hält vier Spuren für ausreichend.

Das ganze Dilemma des Bundesfernstraßenbaus

Solche Beispiele zeigen das ganze Dilemma das Bundesfernstraßenbaus. Bisher sind der Bund und die Länder dafür verantwortlich. Die Doppel-Zuständigkeit geht noch auf die Gründungszeit der Bundesrepublik zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg gaben die Alliierten die Autobahnen und Fernstraßen an die Länder. Im Grundgesetz wurde dann verankert, dass sie zwar dem Bund gehören, aber in dessen Auftrag von den Ländern mit eigenen Behörden verwaltet werden. Der Bund zahlt deshalb für die Investitionen, wie sie der Bundestag beschließt. Für Planungen, Genehmigungsverfahren und das dafür notwendige Personal in der Straßenbauverwaltung kommen dagegen die Länder auf.

In letzter Zeit hat sich das doppelt gerächt. Denn als Folge der Schuldenbremse hat der Bund jahrelang seine Investitionen ins Verkehrsnetz stark zurückgefahren. Gab es 2009 noch 6,2 Milliarden Euro für Autobahnen und Bundesfernstraßen, so war es 2015 rund eine Milliarde weniger. Seit diesem Jahr fließen zwar wieder deutlich mehr Mittel in die Infrastruktur, da Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) angesichts sprudelnder Steuereinnahmen aus dem Vollen schöpfen kann. Bis 2018 ist dieses hohe Investitionsvolumen vorerst gesichert. Doch längst klemmt es auch bei den Straßenbaubehörden der Länder. Denn die Länder haben aufgrund der Schuldenbremsen ebenfalls ihr Personal und somit die Kapazitäten drastisch abgebaut. Baureife Projekte sind somit Mangelware.

Dennoch könnte nun eine Lösung in Sicht sein. Denn die am Wochenende erzielte Einigung beim Länderfinanzausgleich hat zwar zur Folge, dass sich alle 16 Bundesländer als Gewinner fühlen können, da keiner weniger Geld bekommt als bisher. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat im Gegenzug den Ländern unter anderem eine Infrastrukturgesellschaft für die Fernstraßen in der Obhut des Bundes abgerungen, die künftig für Bau und Betrieb vor allem der 13 000 Kilometer Autobahnen zuständig sein soll. Das kommt einer Revolution in der Verkehrspolitik gleich. Denn gegen diesen Einschnitt in ihre Kompetenzen hatten sich die Länder bisher mit Zähnen und Klauen gewehrt. Doch das Ergebnis der derzeit noch gültigen Arbeitsteilung von Bund und Ländern spricht klar für die Neuregelung. Der Zustand vieler Straßen und Brücken ist katastrophal. Von einer planvollen Unterhaltung und Kostenminimierung kann keine Rede sein. Die Planungskapazitäten der Ländern sind mit Ausnahme von Bayern zu gering. Oftmals konnten die Mittel, die der Bund zur Verfügung stellte, nicht mal abgerufen werden, da keine fertigen Planungen in den Schubladen lagen. Hinzu kommt, dass Länder solche Projekte, die sie nicht wollen (siehe Schiersteiner Brücke) oder die aus ihrer Sicht weniger wichtig sind, nur langsam oder gar nicht umsetzten.

Management von Deutschlands Bundesfernstraßen

Das alles könnte künftig besser laufen. Zumal es in Österreich seit vielen Jahren mit der Asfinag eine staatliche Betreibergesellschaft für die Straßen gibt, die erfolgreich arbeitet und als Vorbild dienen kann. Mit der angestrebten Infrastrukturgesellschaft Verkehr besteht nun die Chance, das Management von Deutschlands Bundesfernstraßen aus dem Spiel der länderpolitischen Interessen herauszulösen, die Verantwortung auf Bundesebene zu bündeln, Reibungsverluste zu vermeiden und eine ganzheitliche, strategische Netzplanung umzusetzen.

Dies setzt allerdings voraus, dass alle Beteiligten auf Bundes- und Landesebene bei den nun bevorstehenden Verhandlungen über die Ausgestaltung der neuen Straßenbaugesellschaft an einem Strang ziehen. Besonders spannend wird sein, ob auch Bayern richtig dahinter steht. Denn im Süden der Republik funktioniert die Verkehrsplanung seit Jahrzehnten besser als in jedem anderen Bundesland. Deshalb bekommt der Freistaat auch seit jeher mit Abstand am meisten Geld vom Bund für den Straßenbau. Doch nun haben ausgerechnet mit Ministerpräsident Horst Seehofer und Verkehrsminister Dobrindt zwei CSU-Politiker die alte Struktur beim Straßenwesen für die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen geopfert.

Auch für die Autofahrer hat die geplante Neuregelung nicht nur Vorteile: Sie dürfen zwar einerseits erwarten, dass künftig Autobahnen schneller saniert und ausgebaut werden. Andrerseits wird die Auflösung des jahrelangen Invesititionsstaus teuer. Sprich: Die neue Infrastrukturgesellschaft braucht viel Geld. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis das Thema Pkw-Maut wieder aufpoppt. Spätestens nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr dürfte es soweit sein.