Die Polizei stellt den Urlaubsheimkehrern, die mit dem Ferienende viel im Stau stehen werden, ein gutes Zeugnis aus. Eine andere Gruppe sei problematischer.
Stuttgart - Da steht man brav weit rechts auf der rechten Spur im Stau und dann das: Hinter einem Streifenwagen brettern drei Autos durch die sauber gebildete Rettungsgasse. Klaus Schubert (Name geändert) hat sich aufgeregt, als er diese Szene im Stau auf der Autobahn 81 bei Ludwigsburg erlebte. Die Polizei forschte auf Anfrage unserer Zeitung nach und kann entwarnen: Im vorliegenden Fall war das in Ordnung. Es habe sich nicht um rücksichtslose Raser gehandelt, die den freien Weg im Schatten des Wagens mit Blaulicht nutzten, sondern um zivile Polizeifahrzeuge, die mit ihren Kollegen zum Einsatzort mussten. „Die dürfen das“, sagt eine Sprecherin der Polizei. Und fügt hinzu: „Wenn sich da einer dranhängt, wäre das geahndet worden, das lassen unsere Kollegen nicht durchgehen.“
Nur selten hängen sich Autos an Einsatzfahrzeuge dran
Patrick Hägele ist einer dieser Kollegen bei der Autobahnpolizei, die Rettungsgassen überwachen und Verstöße anzeigen. Das Hinterherfahren sei selten. „Das Gros der Verstöße sind die, die keinen Platz machen“, sagt Hägele.
Die Autobahnpolizei hat ihre Erfahrungswerte. Mit der Rückreisewelle zum Ferienende rechne er trotz der Staugefahr gar nicht mit allzu vielen Verstößen, auch wenn grundsätzlich welche festzustellen seien, wenn sich ein Stau bildet. „Aber in den zurückliegenden Jahren haben wir beobachtet, dass es eher der Berufsverkehr ist, nach Feierabend, wenn die Konzentration nach dem Arbeitstag nachlässt“, schildert Patrick Hägele. In den Ferien klappe es sogar ein bisschen besser, weil die Fahrerinnen und Fahrer nicht so gestresst seien. Einen bestimmten Typ, der die Regel nicht beachte, könne die Polizei nicht ausmachen: Notorische Raser und Drängler seien nicht überproportional häufig unter den Erwischten.
Ein Verstoß kostet mindestens 200 Euro Bußgeld
Die Rettungsgasse ist zu bilden, wenn der Verkehr stockt und sich ein Stau bildet, damit Einsatzfahrzeuge, Krankenwagen und Abschleppfahrzeuge durchkommen. Die Fahrzeuge auf der linken Spur weichen nach links, alle anderen nach rechts. Wer keine Gasse bildet, muss seit 2019 tief in die Tasche greifen. Der Verstoß ist mit 200 Euro bewehrt. Die unrechtmäßige Benutzung kostet 240 Euro Bußgeld und bringt dem Fahrer oder der Fahrerin ein einmonatiges Fahrverbot und zudem zwei Punkte in Flensburg ein.
„Wir haben immer noch einen sehr hohen Bedarf an Bewusstseinsbildung für die Rettungsgasse“, sagt Hägele. Es klappe oft nicht, dass eine gebildet werde. Jedoch habe die große Kampagne, die parallel zur Erhöhung des Bußgelds lief, etwas bewirkt: „Im Vergleich zu früher ist es schon besser, da war es völliges Chaos“, sagt der Polizist.
Hat das Bußgeld einen abschreckenden Charakter?
Ob das höhere Bußgeld einen abschreckenden Charakter hat oder die Menschen die Appelle zur Bildung der Rettungsgasse beherzigt haben, ist schwer einzuschätzen. Denn ein Jahr nach der Erhöhung des Bußgeldes kam Corona – und der Verkehr ließ aufgrund der Lockdowns deutlich nach. 2019 stellte die Autobahnpolizei in ihrem Zuständigkeitsbereich auf den Autobahnen 8 und 81 insgesamt 317 Verstöße fest, im ersten Coronajahr 2020 waren es 246. Im Jahr 2021 sind es bislang 191. Die zentrale Bußgeldstelle am Regierungspräsidium Karlsruhe hat 1369 Bußgeldbescheide mit 155 065 Euro Einnahmen im Jahr 2019 verzeichnet. 2020 waren es 1116 mit 135 816 Euro Bußgeld, im ersten Halbjahr 2021 493 Bußgeldbescheide mit Einnahmen von 60 450 Euro an Bußgeldern.
Die Autobahnpolizei ahndet nur Verstöße, wenn der Verkehr stillsteht. Damit wolle man Streitfälle vermeiden. Und das klappt: Es sei noch jeder Bußgeldbescheid für rechtmäßig befunden worden. Gestritten werde trotzdem, das müssen die Beamten auf der Straße mitunter aushalten. So wie unlängst ein Motorradfahrer, berichtet Hägele. Den habe man gestoppt und angesprochen, weil er in der Rettungsgasse hinter einem Streifenwagen fuhr. „Der war total uneinsichtig. Auch bei der Personalienfeststellung hat er rumdiskutiert.“ Am Ende war die Anzeige aber dann doch gefertigt. Die Ausrede „Ich habe doch Platz gemacht, als ich Sie gesehen habe“ höre die Polizei auch oft. Aber auch die gilt nicht: Die Gasse muss schließlich schon gebildet sein, wenn der Verkehr stockt, nicht erst, wenn Einsatzfahrzeuge kommen.
Die Kamera ist fest im Streifenwagen eingebaut
Die Autobahnpolizei kontrolliert anders als noch vor zwei Jahren, als die Bußgelder erhöht wurden. Da filmte ein Beamter auf dem Beifahrersitz mit einer in der Hand gehaltenen Kamera. Inzwischen sind die Kameras hinter der Windschutzscheibe fest verbaut. Dann hält der Streifenwagen neben dem erwischten Auto und macht ein Foto der Person am Steuer, um nachweisen zu können, wer gefahren ist.
Patrick Hägele kann verdeutlichen, dass eine fehlende Rettungsgasse nicht nur wertvolle Sekunden, sondern Stunden kosten kann. „Ich wurde am Flughafen Stuttgart angefunkt und sollte zu einem Unfall bei Herrenberg. Das sind normal gut 30 Minuten.“ Bei diesem Einsatz habe er jedoch eineinhalb Stunden gebraucht. „Immer wieder stehen Fahrzeuge in der Rettungsgasse, man muss bremsen, warten, das frisst Zeit.“ Solche Verzögerungen belasten Polizisten. „Wir wollen ja helfen“, deswegen wolle man so schnell wie möglich zur Unfallstelle und diese räumen. Denn je länger ein Stau dauere, desto größer sei die Unfallgefahr am Stauende.
Weil es trotz steigendem Wissen über die Rettungsgasse noch immer zu Problemen und damit zu empfindlichen Zeitverlusten komme, müsse die Polizei häufig Lotsenfahrzeuge stellen, die mit Blaulicht vor Abschleppwagen oder Rettungsfahrzeugen herfahren. „Diese Streife fehlt uns dann natürlich an anderer Stelle“, sagt Hägele.