Autobahnbau bleibt umstritten. Foto: dpa

Noch sind die Länder für Planung, Bau und Betrieb der deutschen Fernstraßen verantwortlich, künftig will der Bund in diesem Bereich den Hut aufhaben. Dafür soll eine neue Bundesfernstraßengesellschaft gegründet werden. Das aber gefällt nicht jedem.

Stuttgart - Am Donnerstag beginnen in Berlin die Gespräche zwischen Bund und Ländern über die Folgen aus der Einigung beim Länderfinanzausgleich. Zu den „Kröten“, die man habe schlucken müssen, so der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), gehört die Abgabe der Planung, des Baus und des Betriebes von Fernstraßen an den Bund, der diese Kompetenz einer zu gründenden „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ – auch Bundesfernstraßengesellschaft genannt – übertragen will. Es geht um bundesweit 13 000 Kilometer Autobahnen sowie 39 000 Kilometer Bundesstraßen.

Zwei bis drei Monate sollen die Gespräche zwischen Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sowie den Chefs der 16 Staats- und Senatskanzleien der Länder dauern. Die Zeit drängt. Denn noch vor der Sommerpause will die große Koalition den Artikel 90 des Grundgesetzes ändern, worin es heißt: „Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.“ Das dürfte bald der Vergangenheit angehören.

Hermann intrpretiert die Einigung auf seine Art

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) steht dem Vorhaben kritisch gegenüber, aber er pocht auf die sogenannte Opt-out-Möglichkeit für die Bundesstraßen, die bei der Einigung über den Länderfinanzausgleich nur vage umrissen worden ist. Heißt sie, jedes Land kann entscheiden, ob es die Bundesstraßen behalten kann? Hermann versteht das so. Er erklärte unserer Zeitung: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass das gesamte gelbe Netz – also die Bundesstraßen – in der Zuständigkeit des Landes bleibt, am liebsten komplett.“ Seine Grundsatzkritik lässt sich der grüne Minister aber nicht nehmen. Es sei unverständlich, dass bei den Fernstraßen eine „im Grundsatz bewährte Struktur“ zerschlagen werde. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Bund es dort, wo er das Sagen hat, besser macht.“ Das gelte für die zentrale Bundesbehörde in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, aber auch im Schienenverkehr und bei der Deutschen Bahn. „Der Sanierungsstau ist bei Schiene und Wasserstraße, also da, wo der Bund allein die Verantwortung hat, am größten.“ Das Eisenbahn-Bundesamt sei als zentrale Hoheits- und Genehmigungsbehörde für den Schienenverkehr „oft Hemmschuh und Engpass“. Ähnlich hatte sich der SPD-Verkehrsminister von Schleswig-Holstein, Reinhard Meyer, geäußert.

Verdi lehnt die Privatisierung ab

Auf großes Echo stößt Hermanns Kritik, dass es dem Bund eigentlich darum gehe, mit der Bundesfernstraßengesellschaft „eine Kapitalanlage für Versicherungen und Rentenfonds“ zu schaffen. So soll „durch private Finanzierung von Infrastruktur der Bundesetat nicht belastet werden“. In der Tat haben Bundesfinanz- und Verkehrsministerium klargestellt, dass sie private Investoren für Projekte der Gesellschaft ins Boot holen wollen.

Die Gewerkschaft Verdi lehnt die „Privatisierung von bisherigen Eigenleistungen, wie zum Beispiel beim Betriebs- und Unterhaltungsdienst, strikt ab. Sie fordert überdies Tarifverträge zur sozialen Absicherung der Beschäftigten beim Übergang in die neue Gesellschaft, den Ausschluss von Kündigungen und keine Versetzungen gegen den Willen der Beschäftigten. Kritisch äußerte sich Alexander Eisenkopf, Professor für Wirtschaft- und Verkehrspolitik in Friedrichshafen, über den Verkauf von Anteilen der Gesellschaft an Private. Der „Bild“ sagte Eisenkopf: „Der Staat kann Anleihen ausgeben, die derzeit im negativen Bereich der Verzinsung sind. Er bekommt Geld dafür, wenn er sich verschuldet.“ Aber private Kapitalanleger, allen voran Versicherungen, erwarteten einige Prozent Rendite aus der Beteiligung. Eisenkopf: „Wir wären nicht recht bei Verstand, wenn wir das machten.“