Der 79-jährige BMW-Fahrer schießt mit Vollgas von links aus der Ausfahrt des Parkhauses Biegel, verfehlt die Murrbrücke, auf die er nach rechts hätte abbiegen müssen.
Neben der Brücke durchbricht das Auto ein Geländer, stürzt anschließend etwa fünf Meter tief die Böschung zum Fluss hinunter.
Der Wagen überschlägt sich und bleibt auf dem Dach in der starken Strömung liegen. Der Innenraum wird geflutet. Beherzt eingreifende Zeugen können das Ehepaar noch aus dem Wrack ziehen, doch für die Beifahrerin kommt alle ärztliche Hilfe zu spät. Foto: Fotoagentur Stuttgart

Wie gefährlich sind Autos mit Automatikgetriebe für ältere Fahrer? Ein dramatischer Unfall in Backnang ist trauriger Höhepunkt einer Unfallserie in der Region Stuttgart. Ein Fahrzeug stürzte dabei in die Murr.

Wie gefährlich sind Autos mit Automatikgetriebe für ältere Fahrer? Ein dramatischer Unfall in Backnang ist trauriger Höhepunkt einer Unfallserie in der Region Stuttgart. Ein Fahrzeug stürzte dabei in die Murr.

Stuttgart/Backnang - Eine 79-jährige Beifahrerin tödlich verletzt, ihr gleichaltriger Ehemann in Lebensgefahr, 35.000 Euro Schaden und ein Auto kopfüber in der Murr: Für ein älteres Ehepaar hatte der Versuch, aus einem Parkhaus im Zentrum Backnangs (Rems-Murr-Kreis) zu fahren, am Montagvormittag katastrophale Folgen. Die Polizei ermittelt noch die Unfallursache. Bei dem Unglückswagen handelt es sich um ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe – der Fahrer hatte es plötzlich nicht mehr unter Kontrolle. Kein Einzelfall.

Das Parkhaus Biegel mit 330 Stellplätzen am Fritz-Munz-Weg unterscheidet sich nicht sonderlich von anderen Tiefgaragen. Wer ausfahren will, steckt die Parkkarte in den Kasten der Ausfahrtsschranke, anschließend geht es vom Untergeschoss hinauf. Der 79-jährige Fahrer eines BMW X 1 hat am Montag gegen 11.20 Uhr jedoch Schwierigkeiten. Um die Karte einstecken zu können, muss er ein Stück zurücksetzen.

Dann geht alles blitzschnell. Nach bisherigen Ermittlungen der Polizei will der 79-Jährige losfahren, hat aber noch den Rückwärtsgang des Automatikfahrzeugs eingelegt. Mit Vollgas rammt der BMW einen hinter ihm stehenden A-Klasse-Mercedes. Offenbar in Panik schiebt der 79-Jährige den Fahrhebel in die richtige Position und fährt mit Vollgas durch die noch geöffnete Schranke. „Für die rechtwinklige Kurve nach der Ausfahrt war die Geschwindigkeit aber viel zu hoch“, sagt Polizeisprecher Klaus Hinderer.

Der Wagen verfehlt die rechts liegende Murrbrücke, durchbricht links davon ein Geländer und stürzt fünf Meter tief in den reißenden Strom der Murr. Unglücklicherweise bleibt der BMW auf dem Dach liegen, der Innenraum wird umgehend geflutet. Passanten eilen sofort zu Hilfe, zwei Männer ziehen das Ehepaar aus dem Fahrzeug. Die Frau wird noch reanimiert, stirbt dann aber wenig später. Der Mann kommt lebensgefährlich verletzt in ein Krankenhaus.

Im Einsatz sind drei Notärzte, elf Rettungskräfte, 14 Feuerwehrleute, elf Helfer der DLRG, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Das Auto kann erst am Nachmittag mit Hilfe eines Kranfahrzeugs aus dem Fluss geborgen werden.

ADAC sieht Automatikfahrzeuge unkritisch

In der Region ist das Unfallmuster kein Einzelfall: Allein im vergangenen Jahr gab es nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten mindestens 16 Unfälle, bei denen Autofahrer mit Automatikfahrzeugen in Parkhäusern und auf Parkplätzen verunglückten. Allein in Backnang gab es zwei weitere Unfälle. Die Karambolage am Montag erinnert an das Unglück im Dezember 2008 in Esslingen, als ein Ehepaar in einem Parkhaus am Bahnhof mit einem Auto die Balustrade durchbrach und zehn Meter in die Tiefe stürzte. Das 59 und 60 Jahre alte Ehepaar war sofort tot.

Zuletzt löste ein Parkplatz-Unfall mit einem Automatik-Auto in Bretten (Kreis Karlsruhe) große Betroffenheit aus. Ein 88-Jähriger hatte eine Mutter mit zwei Kleinkindern überfahren. Die Frau war dabei ums Leben gekommen, eines ihrer Kinder lebensgefährlich verletzt worden.

Der ADAC Württemberg sieht in der Unfallserie allerdings kein Problem von Automatikfahrzeugen. „Die Schwierigkeiten gibt es auch mit Schaltgetriebe“, sagt ein Sprecher, „bei solchen Fahrzeugen kann es ebenfalls zu Verwechslungen von Gas- und Bremspedal kommen.“ Der Autofahrerorganisation liegen über die Unfallart keine Zahlen oder besondere Erkenntnisse vor: „Deshalb können wir dazu nichts sagen.“

Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg, sieht das Problem nicht in der Antriebsart, sondern „viel eher im psychischen Bereich des Fahrers“. Dass ein Fahrzeug völlig außer Kontrolle gerät, „passiert doch nur, wenn man bei einer vermeintlichen Vollbremsung das falsche Pedal bis ganz nach unten tritt“. Dies sei aber auch bei Autos mit Schaltgetriebe der Fall. „In solchen Fällen spielen in der Regel Überforderung und eine Panikreaktion eine Rolle“, sagt Klima.

Der Verbandsvorsitzende der Fahrlehrer würde älteren Menschen nicht von Automatikfahrzeugen abraten – „im Gegenteil“. Überhaupt werde es in den nächsten zehn, zwanzig Jahren ohnehin nur noch Autos mit Automatikgetriebe geben. „Fahrzeuge mit Elektromotoren und Brennstoffzellen, das geht allein schon technisch nicht anders“, so Klima. Freilich: Ganz aus der Verantwortung will er ältere Autofahrer nicht lassen. Die sollten kritisch mit ihrer eigenen Fitness umgehen, rät der Fahrlehrer-Experte. „Wer beispielsweise mehr als drei verschiedene Medikamente einnehmen muss, sollte sich schon Gedanken machen, wie fahrtauglich man da noch ist.“