Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie: Matthias Wissmann glaubt an die Zukunft von Elektroautos. Foto: dpa

Immer mehr Autos von deutschen Marken laufen in Fabriken im Ausland vom Band. Der Branchenverband räumt ein, dass der Wettbewerb um die Standorte in den letzten Jahren schärfer geworden ist.

Immer mehr Autos von deutschen Marken laufen in Fabriken im Ausland vom Band. Der Branchenverband räumt ein, dass der Wettbewerb um die Standorte in den letzten Jahren schärfer geworden ist.
Stuttgart – - Herr Wissmann, gehören Sie auch zu den Menschen, die sich in jungen Jahren mit dem Kauf eines Autos einen Traum erfüllt haben?
Ja, ich kann mich noch genau daran erinnern, wie mich schon als junger Mensch der Gedanke eines eigenen Autos fasziniert hat. Mein erstes Auto war ein roter VW-Käfer. Mein Vater bezahlte die Hälfte, den Rest verdiente ich mir nach dem Abitur als Gärtner im Blühenden Barock in Ludwigsburg. Das Auto gab mir die Möglichkeit, mehrmals die Woche von meinem Studienort Tübingen nach Ludwigsburg zu pendeln, wo ich in der Hockey-Bundesligamannschaft spielte.
Können Sie sich vorstellen, dass junge Menschen heute die gleiche Begeisterung für ein Elektrofahrzeug entwickeln?
Das Interesse von jungen Leuten für Elektrofahrzeuge ist sicher groß. Klar ist aber auch, dass die Anschaffungspreise von Elektroautos derzeit noch recht hoch sind, so dass sich viele junge Menschen diese Fahrzeuge erst später leisten können. Wir wissen aber, dass die allermeisten 18- bis 29-Jährigen nach wie vor den Besitz eines Autos für erstrebenswert halten. Das haben erst kürzlich wieder Meinungsforscher ermittelt.
Sie sehen also auch in den Städten keine Akzeptanzprobleme für das Auto?
Ich mache mir da keine großen Sorgen. In Ballungsräumen beobachten wir eher, dass es den Menschen wichtig ist, die verschiedenen Verkehrsträger intelligent zu verknüpfen – sei es nun Auto, Bahn, Bus oder Rad. Das ist aber keine Abkehr vom Auto. Neben dem eigenen Fahrzeug werden auch Formen moderner Mobilität, wie etwa das Carsharing, immer beliebter.
Für die Hersteller kann es aber doch keine gute Nachricht sein, wenn sich mehrere Menschen ein Auto teilen.
Gerade die deutschen Hersteller sind beim Carsharing sehr aktiv. Sie zählen weltweit zu den innovationsfreudigsten. Mit ihrem Engagement geben sie eine klare Antwort auf die Bedürfnisse vieler Menschen im urbanen Raum. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat jüngst 8800 Menschen in sieben europäischen Ländern befragt und ermittelt, dass sie auch in Zukunft nicht auf das Auto verzichten wollen. Sie wünschen sich vielmehr ein Modell, das ihren Bedürfnissen angepasst ist, effizient und sicher und das sie mit anderen Verkehrsträgern kombinieren können.
Wenn das Auto der Zukunft ein Elektromobil ist, wer soll die neue Infrastruktur von Tankstellen bezahlen?
Die ersten Feldversuche zeigen, dass wohl weniger öffentliche Ladesäulen gebraucht werden als bisher gedacht. Der Grund ist: Viele Menschen laden ihr Elektroauto zu Hause, bei ihrer Arbeitsstätte oder auf öffentlichen Parkflächen auf. Dennoch gibt es sicher über den derzeitigen Bestand von etwa 4400 Ladesäulen hinaus einen Bedarf. Wir glauben, dass der weitere Aufbau partnerschaftlich vollzogen werden sollte zwischen den Energieversorgern, der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft.
Welche Chancen räumen Sie Gas ein?
Wir glauben, dass der Gasantrieb ein großes Potenzial hat. Erdgas hat viele Vorteile, es spart etwa gegenüber Benzin ein Viertel der CO2-Emissionen ein. Der VDA begrüßt daher, dass sich die neue Regierung in ihrem Koalitionsvertrag dazu bekannt hat, die steuerliche Besserstellung von Erdgas über das Jahr 2018 hinaus beizubehalten. Das heißt: Wer jetzt ein Erdgasauto kauft, weiß, dass er damit auf lange Sicht eine kluge wirtschaftliche Entscheidung trifft. Der Kunde hat es übrigens bereits gemerkt: In diesem Jahr ist der Absatz an Erdgasfahrzeugen um 51 Prozent nach oben geschnellt, wenn auch insgesamt noch auf niedrigem Niveau. Das Tankstellennetz wird auch immer enger geknüpft.
Die Menschen in Baden-Württemberg beobachten mit Sorge, dass immer mehr Autos mit deutschem Fabrikat im Ausland gebaut werden . . .
Natürlich sind unsere Unternehmen in den globalen Wachstumsmärkten immer mehr mit eigenen Werken präsent. Dieser weltweite Erfolg stärkt aber auch den Standort Deutschland. In Frankreich und Italien etwa ist die Zahl der im Inland produzierten Pkw und damit auch die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken. Bei uns hingegen ist die Produktion in diesem Jahr noch einmal leicht gestiegen auf 5,45 Millionen Fahrzeuge. Auch die Zahl der Inlandsbeschäftigten hat allein in diesem Jahr noch einmal um 10 000 zugelegt. Dies hat zwei Gründe: Der eine ist, dass die deutschen Marken rund um den Globus gefragt sind, drei von vier hierzulande produzierten Fahrzeugen gehen ins Ausland. Und zweitens, dass wir – anders als unsere Nachbarn – einen hohen Premiumanteil haben. Ohne unsere Unternehmen im Süden und Südwesten wie Daimler, Porsche, Audi und BMW wären wir nicht in einer so starken Exportposition. Deswegen gilt es, den Premiumcharakter der deutschen Industrie gegen politische Angriffe aus Brüssel oder aus dem Inland zu verteidigen.
Sehen Sie eine Rutschbahn, dass etwa die Hochtechnologie und die Forschung ins Ausland abwandern?
Klar ist, der Wettbewerb um die Standorte ist intensiver geworden. Dieses Jahr produzieren die deutschen Hersteller rund 9 Millionen Fahrzeuge im Ausland, 5,45 Millionen im Inland. Ob wir weiter im Inland so stark bleiben können, hängt auch von den Rahmenbedingungen ab, etwa von Entscheidungen, die aus Brüssel kommen, von den hiesigen Energiepreisen, aber auch von unserer Innovationskraft. Ich wage die Prognose: Wenn es uns gelingt, im Premiumbereich Weltmarktführer zu bleiben, werden wir in Deutschland unsere starke Stellung bei Zulieferern und Herstellern auch behaupten können.
Der Export boomt, das zeigen die Zahlen auch in diesem Jahr. In welche drei Länder führen deutsche Hersteller am meisten Autos aus?
Die meisten Fahrzeuge liefern die deutschen Hersteller nach Großbritannien, bis Oktober waren es 653 000, im vergangenen Jahr insgesamt 689 000. Danach folgen die USA. Dorthin wurden im vergangenen Jahr 625 000 Einheiten exportiert. 2012 lag China mit 285 000 Einheiten auf Platz drei, dieses Jahr hat Frankreich mit bisher 207 000 exportierten Autos noch die Nase vorn. Nach China gingen bis Oktober 199 000 Pkw. Zum Vergleich: In Deutschland werden die deutschen Konzernmarken in diesem Jahr etwa 2,11 Millionen Pkw verkaufen.
Halten Sie die Pkw-Maut, die die Koalition einführen will, für machbar?
Entscheidend ist für mich die Zusicherung, dass der einzelne Autofahrer finanziell nicht stärker belastet wird. Jeder weiß aber, dass das Konzept einer reinen Ausländermaut konzeptionell auf dünnem Eis gebaut ist. Wie man es schaffen will, dass der bürokratische Aufwand überschaubar bleibt und gleichzeitig nennenswerte Mehreinnahmen erzielt werden sollen, ist für mich eine offene Frage.