Ingo Heitel in seinem R4 Plein Air Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ingo Heitel war seiner Zeit voraus. Er liebte den R4 bereits, als andere ihn für Schrott hielten. Nun mögen fast alle wieder den kleinen praktischen Franzosen. Wer einen sehen möchte, muss nur durch Heslach flanieren. Dort präsentiert Heitel sein „Museum“.

Stuttgart - Alte Liebe rostet nicht. Anders als ein R4. Deshalb sollte der Liebhaber schweißen können. Ingo Heitel kann schweißen und vermutlich auch mit verbundenen Augen einen R4 zerlegen und wieder zusammenbauen. Kein Wunder, mehr als hundert Stück der Renault 4 hat der Ingenieur aus Stuttgart besessen. Geboren wurde er übrigens 1966, im Jahr „als in der Renault-Fabrik in Billancourt der einmillionste R4 vom Band lief“. So erzählt er es mit einem Grinsen. Die Leidenschaft wurde ihm wohl in die Wiege gelegt. Ob die auch Räder hatte?

Sein erstes Auto war aber kein Renault, sondern eine BMW Isetta, jener Roller auf vier Rädern, den der Volksmund Knutschkugel nannte. Im frühreifen Alter von zwölf Jahren kaufte sich Heitel die Isetta und nötigte seinen Vater, ihm beim Richten zu helfen. Schon damals zeigte sich das Muster, das bis heute seine Beziehungen zu Autos prägt. „Damals fanden die Isetta alle furchtbar, deshalb fand ich sie gut.“ Ähnliches wiederholte sich beim R4. Kurze Zeit fuhr die Familie Heitel Ende der 60er-Jahre einen eierschalenfarbenen R4, doch weil der Kühler leckte, verkaufte ihn der Vater wieder. Und der 1980 von der Mutter erworbene R4 landete beim Schrotthändler. Jetzt erst recht, dachte sich Ingo Heitel und kaufte 1984 für 45 Mark einen orangefarbenen zehn Jahre alten R4. „Das war damals ein Hippie-Auto für langhaarige Bombenleger“, erinnert sich Heitel, „alle sagten: was will der mit dem Scheiß!“ Aufmöbeln und durch Europa fahren.

So begann seine Liebe zu den R4, die sich bald auch auf andere französische Autos ausweitet. Er hat unter anderen einen Panhard, einen Peugeot 203, einen Peugeot 404, einen Citroen CX. Und natürlich die Renaults. Ein ganz besonderer ist der R4 mit Namen Plein-Air, was man auf Deutsch übersetzen kann mit, unter freiem Himmel oder in frischer Luft. Also ein Cabrio. Es ist aus dem Jahre 1967, sieht aus wie in der Mitte durchgesägt und hat sogar noch ein Loch in der vorderen Stoßstange. Man konnte mit einer Kurbel den Motor von Hand starten. Die Kette an der Seite ist übrigens Vorschrift und in den Papieren eingetragen. Der Wagen hatte noch keine Sicherheitsgurte.

Hübsch auch der bunte R4, so eine Art Frankensteins Monster in Schön, zusammengebaut aus vielen längst verschiedenen Artgenossen. Au der Heckscheibe ist zu lesen: „Auto des Jahres 1961.“ Das war das Geburtsjahr des R4. Erstmals zeigte er sich bei der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Der Autotester und Fernsehjournalist Rainer Günzler sagte damals: „Der Franzose wird in Sachen Auto nüchtern und sachlich. Ihm sind Chrom und äußerliche Repräsentation wenn nicht zuwider, so doch nebensächlich.“ Dem Publikum gefiel’s. Der Wagen war robust, geräumig und der erste echte Fünftürer mit großer Heckklappe. Man konnte mit ihm um die Welt fahren, Möbel transportieren und die Kinder samt Gepäck hineinladen. Der französische Komiker Jacques Tati zeigt in seinem Film „Trafic“ was mit einem umgebauten R4 L alles möglich ist: Er brät sich auf dem Kühlergrill eine Mahlzeit, die hintere Stoßstange wird zu Stühlen und die Hupe dient als Rasierer. Mal abgesehen von dieser Sonderanfertigung veränderte Renault sein Erfolgsmodell in 31 Jahren kaum. 8 135 424 des R4 wurden verkauft, 1988 schlug ihm in Deutschland die letzte Stunde, weil er als Stinker eingestuft wurde und die Abgasgrenzwerte nicht einhalten konnte, 1992 wurden in Kolumbien und Slowenien die letzten Exemplare hergestellt.

Heutzutage sieht man den R4 nur noch selten. Die Abwrackprämie gab ihm den Rest. Doch wer mit offenen Augen durch Heslach läuft, wird den einen oder anderen von Heitels Schätzen sehen. In einer Halle in Bondorf bei Rottweil hat er seine Werkstatt, lagert Ersatzteile und parkt seine Autos. Doch nicht alle. Er will sie fahren und zeigen. „Oldtimersammler gibt’s wie Sand am Meer“, sagt er, „aber aus Angst vor Dreck und Beulen lassen die meisten ihre Autos in der Garage.“ Sein Konzept ist ein anderes: „Ich bin nicht der Diener meiner Autos, sie dienen mir.“ Und sie sollen anderen eine Freude machen.

So stellt er sie an den Straßenrand. Mit einer Ausnahme. Weil Besoffene zu viel Schabernack mit der Isetta trieben, darf sie nicht raus. Die anderen jedoch können renommieren. Heitel hängt Zettel in die Scheiben. Da kann man lesen: „Hallo, ich bin kein Volvo und auch kein Volkswagen, sondern ein 1959er Peugeot 203 C. gebaut wurde dieses Modell von 1948 bis 1960 im Stil der amerikanischen Automode der 40er.“ Dann folgen Leistungsdaten und Erläuterungen. Das ist Heitels „Heslacher Automuseum“. Dem indes das Ende droht. 2016 führt die Stadt auch im Süden das Parkraummanagement ein. Dann hat Heitel als Besitzer eines Stellplatzes Ansprüche auf genau null Parkausweise. „Wenn ich keine Ausnahmegenehmigung bekomme, muss ich die Autos in Garagen unterbringen. Das Freiluftmuseum wäre Geschichte. Und die Renaults nicht mehr zu sehen

Übrigens, auch Papst Franziskus fährt einen R4. Und Günter Jauch hat sich 1988 den letzten nach Deutschland eingeführten R4 gekauft. Auch für sie gilt: Alte Liebe rostet nicht.