Foto: Eva Funke

In einem Jahr sollen die Wagenhallen saniert sein und die Künstler dort wieder einziehen. Die können sich vorstellen, ihre neue Containerstadt dann nicht aufzugeben, sondern als zusätzlichen Standort zur Halle zu nutzen.

S-Nord - Zwei Wochen nach der offiziellen Schließungder Wagenhallen hat es auf dem Gelände davor ein Rucker getan: Die Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen sind verlegt. Das hätte bereits im Sommer passieren sollen, doch die terminliche Abstimmung hat nicht geklappt. „Jetzt ist es höchste Zeit, denn die Mieter müssen zum Jahresende raus aus der Halle sein “, sagt Robin Bischoff. Er ist Erster Vorsitzender des Kunstvereins Wagenhalle und managt den Umzug von rund 50 Künstlern in Container vor dem alten Domizil. Rund 30 bleiben in den beiden Backsteingebäuden neben der Halle und etwa ein Dutzend ist anderswo untergekommen. Zurück in die sanierte Halle wollen sie aber alle wieder.

Derweil wächst die Künstlerstadt rund um den ersten Container TAUT (Temporary Artist Utopia Tool), in dem Bischoff seine Schaltzentrale mit Lageplänen, Infomaterial und einer Spendenkasse eingerichtet hat, von Tag zu Tag. Obwohl überall gehämmert, gesägt geschraubt, geschleppt wird, sieht es in der rund 10 000 Quadratmeter Halle aus, als hätte sich noch nichts getan „In drei Wochen müssen wir besenrein übergeben “, stöhnt Pablo Wendel. Aber der Künstler profitiert auch von dem Umzug: Er ist Inhaber der Firma Performance Electrics, die unter anderem Kunststrom erzeugt: Vor den Wagenhallen steht sein etwa zehn Meter hoher Ofen und qualmt unaufhörlich. „Viele Künstler misten aus, trennen sich auch von ihren Kunstwerken, und die werden in dem Ofen verbrannt“, stellt der 36-Jährige fest und rechnet damit, dass bis Ende des Jahres noch jede Menge Kunstrauch erzeugt wird. Beim Bau der neuen Stadt ist er für die Straßenbeleuchtung zuständig. Natürlich ist auch die in einer Künstlerstadt Kunst: An jedem Mast hängen als Leuchte je drei grazile Scheiben aus weißem oder grünem Glas.

Die Containerstadt wird sowohl Kunst- als auch soziales Projekt

Die neue Stadt soll nicht nur selbst Kunstprojekt sein, in der überall gigantische Installationen wie zum Beispiel der Schrott-Kokon von Thomas Putzel ausgestellt sind. Sie soll auch soziales Projekt werden. „In einem beliebigen Verein haben die Mitglieder ein gemeinsames Ziel: Wandern oder Fußballspielen. Im Künstlerverein steht für die Mitglieder ihr eigenes Werk im Mittelpunkt“, sagt Bischoff. In der neuen Stadt soll es Spielräume für Gemeinschaft geben – durch eine Gemeinschaftswerkstatt, Gemeinschaftsküchen und Essräume. In den Wagenhallen gab es das so nicht. Die soziale Komponente ist auch Hannes Schwertfeger vom Bureau Baubotanik wichtig. Mit seinem Büro-Partner Oliver Storz konstruiert der 41 Jährige Brücken, Plattformen, Gebäude aus Pflanzen. Von ihrem zweigeschossigen Interimsbüro im Container liegt ihnen die Künstlerstadt zu Füßen. „Alles mischt sich neu. Wir bekommen neue Nachbarn. Das finde ich spannend und bereichernd“, so Schwertfeger. Vor dem endgültigen Umzug will das Team gründlich ausmisten und alte Modelle archivieren. Schwertfeger: „Da das bislang zu kurz kam, hat der Umzug etwas Gutes.“

Die Kosten für das Projekt: Die rund 100 Container für je rund 1200 Euro bezahlen die Künstler selbst. Wasser- und Stromversorgung für 180 000 Euro übernimmt die Stadt, und mit rund 130 000 Euro bezuschussen der Kunstverein Wagenhalle und die Karle Recycling GmbH als Eigentümerin des Geländes die Containerstadt. Ob die Künstler dort überhaupt wieder weg wollen, wenn die Hallen saniert sind? Der Bildhauer Stefan Stohrer kann sich vorstellen, dass die Künstler wieder in die Wagenhalle einziehen, aber auch die Künstlerstadt übernehmen. „Der Bedarf an Werkstätten ist groß. Und wenn wir gute Projekte machen, spielt die Stadt vielleicht mit und die Container bleiben“, hofft er. An ihm soll es nicht liegen: In einem seiner vier Container steht bereits ein auseinandergebauter Porsche 924, der zu Kunst werden soll.

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