Immer voller Tatenkraft: Schwester Margret bekommt für ihr Engagement das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens. Foto: Lg/Leif Piechowski, Thomas Schlegel

Schwester Margret, die Leiterin der Franziskusstube an der Paulinenbrücke, wird für ihren großen Einsatz für Benachteiligte das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen – im Rahmen des Frühstücks.

Stuttgart - Die Franziskusstube wird auch an diesem Dienstag um 7 Uhr öffnen. Üblicherweise beginnt um 7.30 Uhr das Frühstück. Diesmal könnte es etwas später werden. Schwester Margret, die Leiterin der Franziskusstube an der Paulinenbrücke, wird für ihren großen Einsatz für Benachteiligte das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen – im Rahmen des Frühstücks. So hat es die Franziskanerschwester gewünscht. „Das ist der richtige Ort“, sagt sie. Eigentlich hätten alle das Verdienstkreuz verdient: ihre Helfer, aber auch all die Gäste, die mit dafür sorgen, dass es friedlich bleibt.

Nur drei Minuten Redezeit für den Regierungspräsidenten

Schwester Margret will kein großes Brimborium. Um nicht mehr als drei Minuten Redezeit hat sie den Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl im Vorfeld gebeten. Das dürfte diesem schwer fallen. Es gibt so viel über das Wirken der unermüdlichen Schwester zu erzählen. Da ist ja nicht nur die Franziskusstube, die sie 1994 eröffnet hat, damals noch an der Hauptstätter Straße – und die bis heute eine wichtige Instanz im Hilfesystem für Wohnungslose ist. Die Ordensschwester war auch Mitbegründerin des Prostituiertencafés La Strada und lange als Streetworkerin im Einsatz. Sie hat Alkoholiker und Junkies besucht und Jugendliche in Discos auf die Gefahr des Komasaufens aufmerksam gemacht. Diese Arbeit als Streetworkerin geht altersbedingt nicht mehr. „Da macht mein Knie nicht mehr mit“, sagt sie. Aber das Knie hochlegen, kommt auch nicht in Frage.

Die Kreuzwegwanderung hat sie dieses Jahr trotzdem wieder mit ihren „Leuten“ aus der Franziskusstube gemacht – an Ostersonntag ging es dann mit Flüchtlingskindern auf der Karlshöhe Ostereier suchen. Erst vor Kurzem ist Schwester Margret, die schon zig Hilfstransporte nach Osteuropa organisiert hat, zudem von einer Reise aus der Slowakei zurückgekehrt, es war ihre vierte. Aus dem slowakischen Hodejov kommen viele Roma nach Stuttgart zum Betteln – die Gemeinde sei wie ein Vorort von Stuttgart, sagt die Ordensschwester. Sie investiert das Preisgeld, das sie vergangenen November für den Julius-Itzel-Preis erhalten hat, in Hodejov. Das hat in der Franziskusstube bei einigen für Neid gesorgt. Doch Schwester Margret will den Romakindern helfen. „Die Alten werden weiter so leben wie bisher, den Kindern sollte man eine Chance geben“, sagt sie. Eine schnelle Lösung gibt es nicht, das hat ihr der letzte Besuch klar gemacht. Zum Teil seien die Kinder so verwahrlost, dass sie gar nicht sprechen lernten, erzählt sie.

Stammgast will in Fliege und Anzug kommen

Eigentlich sollten die Besucher der Franziskusstube nicht im Vorfeld von der Verleihung erfahren. Doch dann hat einer etwas überhört und schon machte es die Runde an den Frühstückstischen. Ein Stammgast, ein ehemaliger Lehrer, hat schon angekündigt, am Dienstag in Anzug und Fliege zu erscheinen. Bei den Eingeweihten kommt es gut an, dass Schwester Margret sich gewünscht hat, dass die Verleihung während des Frühstücks stattfindet. „Sie hätte ja auch den großen Rahmen wählen können“, sagt Otto. Er kommt seit fast zehn Jahren. „Sie sorgt dafür, dass die Leute nicht wirklich verwahrlosen“, würdigt der 65-Jährige die Franziskanerschwester. Ihm gegenüber sitzt an diesem Tag ein alter Mann mit zerzaustem Haar, der still sein Marmeladenbrot isst. Zu Ottos Linken dreht sich ein anderer Stammgast eine Zigarette. Zum Rauchen geht er klaglos raus. Früher durfte man auch drinnen rauchen. Doch das Verbot hat dem Klima gut getan.

Schwester Margret achtet streng darauf, dass die Hausregeln eingehalten werden. In der warmen Stube darf nicht geraucht und kein Alkohol getrunken werden, sexistische oder fremdenfeindliche Sprüche will sie nicht hören – ebenso kein lautes Geschrei. „Es ist alles super organisiert, auf Disziplin legt sie großen Wert“, sagt Otto.

Am Anfang des Frühstücks setzt sich Schwester Margret immer noch mit dazu. So erfährt sie, was die Männer und Frauen bewegt. Sie erwartet nicht viel, sondern ist froh, wenn ihre Gäste ihren Zustand halten können und nicht weiter abrutschen. Manchen gelingt auch die Wende. Erst kürzlich kam eine Frau in die Franziskusstube, um zu spenden. Aus Dank dafür, dass die Einrichtung ihrem Partner in seiner schwersten Lebensphase geholfen hat. Ende des Jahres wird Schwester Margret 70. „So fühle ich mich gar nicht“, sagt sie und verspricht: „Solange ich die Kraft habe, mache ich weiter.“