Minister Peter Friedrich hat Rainer Groh (l.) in der Villa Reitzenstein die Staufermedaille als Anerkennung für die Verdienste um das Land überreicht. Foto: Martin Stollberg (z)

Der ehemalige Lehrer am Leibniz-Gymnasium in Feuerbach (l.) hat in der Villa Reitzenstein von Minister Peter Friedrich die Staufermedaille als Anerkennung für seine Verdienste um das Land Baden-Württemberg überreicht bekommen.

Feuerbach - Als Michael Gorbatschow an diesem sehr heißen Junitag 1989 in den überfüllten Marmorsaal des Neuen Schlosses in Stuttgart tritt, steht Rainer Groh in der ersten Reihe. Der Lehrer des Leibniz-Gymnasiums in Feuerbach hat fünf Schüler aus seiner Russisch-Klasse zu dem Staatsempfang mitgebracht.

Gorbatschow steuert direkt auf Groh zu: „Er hat wohl gespürt, dass ich ihm etwas zu sagen habe. Also hat er mir die Hand geschüttelt und mich begrüßt“, erinnert sich der heute 75-Jährige. Der russische Staatschef, der für Glasnost (Offenheit) und Perestrojka (Umbau) steht, nimmt sich Zeit für die Begegnung. Groh stellt Gorbatschow im weißen Saal seine Russischschüler einzeln vor. Mit einer besonders sprachbegabten Schülerin aus Grohs Klasse plaudert Gorbatschow ein wenig. Mehrere TV-Teams nehmen die Szene für die Abendnachrichten auf, sogar Ministerpräsident Lothar Späth muss sich gedulden und hinten anstellen.

Schulpartnerschaft geht auf Gorbatschows Visite zurück

Die Begegnung bleibt nicht ohne Folgen: Denn Gorbatschows Visite markiert den Beginn einer intensiven Schulpartnerschaft zwischen dem Feuerbacher Leibniz-Gymnasium und dem Gymnasium Nr. 75 in Sankt Petersburg. „Von Gorbatschow haben wir damals das Gymnasium Nr. 75 in Leningrad, das heutige Sankt Petersburg, als Partnerschule zugewiesen bekommen“, sagt Groh. Es entwickelte sich ein reger Austausch zwischen den beiden Schulen. Hunderte Pakete werden zu Weihnachten an die Partnerschule geschickt.

Groh kümmert sich auch darum, dass Schüler von nicht so gut betuchten russischen Eltern an dem Austauschprogramm und den Projekten teilnehmen können. Im Juli 2002 reist Groh mit 32 Schülern von Feuerbach zur Schule nach Sankt Petersburg. Die gesamte Schüler-Delegation wird unter einfachsten Bedingungen in einem Internat untergebracht. „Die Betten waren komplett durchgelegen, es gab nur eine Dusche, die auf Stelzen stand, und nachts haben uns die Sankt Petersburger Schnaken bearbeitet“, erzählt Groh. Doch Schüler wie Lehrer lassen sich nicht entmutigen: „Die Stimmung wurde von Tag zu Tag besser, am Ende wollten manche Schüler gar nicht mehr abreisen.“

Mit dem Ende von Grohs Lehrertätigkeit endet auch die Partnerschaft mit der Schule in Sankt Petersburg. 2007 reist eine Lehrer-Delegation aus Feuerbach erstmals nach Samara. Austauschschule ist jetzt das dortige Gymnasium Nr. 4, wo Deutsch ab der ersten Klasse unterrichtet wird. „Damit war Samara natürlich prädestiniert für den Schüleraustausch mit unserer Schule“, meint Groh.

Zudem ist Samara die Partnerstadt Stuttgarts. Dieser Status erleichtert vieles, auch die Bezuschussung gemeinsamer Projekte. 2008 und 2011 finden in Samara Unterrichtsbesuche mit Lehrern des Leibniz-Gymnasiums statt. Groh – obwohl bereits im „Unruhestand“ – begleitet beide Male die Lehrergruppe, die dort ihre Fächer auf Deutsch unterrichten. 2009 führt er in Samara stadtweit eine Deutsch-Olympiade mit den 16 besten Deutschschülern durch. Parallel dazu findet am Leibniz-Gymnasium eine Russisch-Olympiade statt.

2009 – also 20 Jahre nach der Perestrojka und Glasnost – erstellen russische und deutsche Schüler im Rahmen des Projektes „Ende des Kalten Krieges? – Der Besuch von Gorbatschow 1989 in der Bundesrepublik“ eine Dokumentation.

Deutsch-russisch-französisches Projekt

Gleich drei Gymnasien sind an dem Projekt „100 Jahre Erster Weltkrieg – zwischen Begeisterung und Katastrophe – Wo stehen wir heute“ im Jahr 2014 beteiligt. Schüler des Leibniz-Gymnasiums, des Gymnasiums Nr. 4 und des Lycée Pasteur in Straßburg arbeiten zusammen, es werden Präsentationen in Stuttgart, Samara und Straßburg gezeigt. Höhepunkt ist die Begegnung mit Bundespräsident Joachim Gauck und dem französischen Staatspräsident Francois Hollande. „Alle Projekte waren nur möglich durch die gute Zusammenarbeit und Unterstützung der Kollegen des Leibniz-Gymnasiums“, sagt Groh. Anfang Dezember wurde er in der Villa Reitzenstein mit der Staufermedaille des Landes ausgezeichnet. Minister Peter Friedrich würdigte bei der Verleihung Grohs Verdienste auf dem Feld der deutsch-russischen Völkerverständigung und hob sein Engagement für die Schülerbegegnung beider Länder hervor.

Die Tatsache, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Frieden zwischen den Völkern herrscht, ist für Groh übrigens der Schlüssel für die Verständigung und Versöhnung: „Diese Vergangenheit gibt dem deutsch-russischen Verhältnis einen besonderen Hintergrund, den man auch heute noch im Blick haben sollte, gerade auch bei erfolgreichen Partnerschaften. Unsere Schüler haben die gemeinsame wertvolle Chance eines friedlichen Zusammenlebens – heute und in Zukunft.“