Die Fernzüge fallen aus, die Reisenden hoffen auf die Regionalbahnen Wer nicht weiterkommt, kann die Nacht im Hotelzug verbringen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth (2), Christine Bilger (2)

Wegen Sturm „Friederike“ haben die Bahnmitarbeiter auch in Stuttgart alle Hände voll zu tun. Die Deutsche Bahn stellt zwei Hotelzüge bereit.

Stuttgart - Wie komme ich nach Hause oder an mein Ziel? Nachdem die Bahn am Donnerstagnachmittag den Fernverkehr bundesweit eingestellt hat, sind das am Hauptbahnhof in Stuttgart die wichtigsten Fragen. Ungläubig blicken die Reisenden auf die Anzeigentafeln in der großen Schalterhalle und an den Gleisen. Es besteht kein Zweifel: Sämtliche Fernverbindungen fallen aus – auch die eigene. Überall haben die Menschen ihr Smartphone am Ohr oder werden Emails geschrieben: Freunde Bekannt, Verwandte werden informiert, dass sich die Ankunft verzögert. Wie lange und ob es heute überhaupt noch klappt: Alles ist ungewiss.Die Mitarbeiter der Bahn haben alle Hände voll zu tun. An sämtlichen Zugängen zu den Gleisen steht einer von ihnen. Jeder einzelne ist von einer Traube von Menschen umringt. „Wie komm’ ich nach Lindau?“„Wie nach München?“, „Und wie nach Frankfurt?“ Die Bahnmitarbeiter bleiben ruhig, verweisen auf die Regionalzüge, die noch fahren. Alle paar Minuten gibt es Durchsagen, dass wegen technischer Defekte und wegen der Sturmschäden der Bahnverkehr lahm liegt.

Lob für die Bahnmitarbeiter

Petra Hohmann, Sekretärin aus Ravensburg, ist seit 12 Uhr unterwegs. Schon in ihrem Heimatort habe ihr Zug Verspätung gehabt und sie sei viel später als geplant mit der Bahn los gefahren. Sie wollte nach Gelnhausen in der Nähe von Frankfurt. In Ulm sei ihr Zug dann ganz ausgefallen, sagt die 55-Jährige. Anschließend ist Petra Hohmann mit dem Regionalzug nach Stuttgart gefahren – und dort ging so gut wie nichts mehr. Wie vielen Reisenden schlugen die Bahnmitarbeiter auch ihr vor, den Regionalzug zu nehmen. Damit hätte sie bis Karlsruhe oder Heidelberg weiter fahren können. „Aber was ist dann?“, fragt sie und zuckt mit den Schultern. Weil nicht klar war, wie sie von dort weiter kommt, hat sie sich entschlossen, zurück nach Ravensburg zu fahren und hofft, dass sie einen Sitzplatz bekommt. Denn auf die Regionalzüge weichen viele aus. Planmäßige Ankunft in der oberschwäbischen Stadt sollte am Abend um 19.30 Uhr. „Dann kann ich wenigstens im eigenen Bett schlafen und muss nicht irgendwo an der Strecke im Hotel übernachten“, sagt sie. Ihr Ticket gilt weiterhin, das hat die Bahn bereits zugesichert. Hohmann will daher am Freitag einen neuen Anlauf unternehmen. Trotz des verlorenen Tags Groll auf die Bahnmitarbeiter in Stuttgart hegt die Frau aus Ravensburg nicht: „Die Informationen waren gut“, lobt Hohmann den Informationsfluss.

Bill Steele, 51-jähriger PC-Berater, wollte nach München. Zusammen mit seiner Frau versucht er gegen 16.30 Uhr einen Mietwagen zu bekommen. Doch das ist ein hoffnungsloses Unterfangen. „Die Idee haben viele“, stellt er fest. Bei den Autovermietern Avis, Sixt und Budget waren schon mittags alle Wagen weg. Avis-Mitarbeiterin Elisabeth Weisskopf: „ Innerhalb von 20 Minuten wollten 20 Menschen ein Auto. So einen Ansturm habe ich noch nie erlebt.“

Zwei Hotelzüge als Notquartiere

Nicht ganz so schwer trifft es Sonja Gnoyke (59) und ihren Kollegen Michael Bauer (38). Die beiden Verwaltungsangestellten wollen nach Hause nach Vaihingen an der Enz. Sie müssen nur eine halbe Stunde warten. „Diesmal ist die Bahn nicht Schuld, aber ansonsten sind die Verspätungen oft hausgemacht“, sagt Bauer verärgert.

Für einen 67-jährigen Reisenden aus Augsburg kann es teuer werden: „Ich muss eigentlich nach Frankfurt an den Flughafen, das ist ausgeschlossen, der Flieger ist weg“, sagt er frustriert. Auf Ersatz sei nicht zu hoffen: Der Augsburger wollte nach Äthiopien reisen. Die Bahn richtet noch am frühen Donnerstagabend Notquartiere an Bahnsteig 5 und 6 ein. Zwei sogenannte Hotelzüge stehen bereit, in denen sich gestrandete Reisende aufhalten können – mit Bewirtung und Stromanschluss für das Handy. Der ICE 2218 soll am Freitagmorgen nach Hamburg starten. Der Reiseplan für die Passagiere liegt bereit. Am Donnerstagabend fährt er nicht, sondern steht als Aufenthaltsraum auf Rädern auf Gleis 6. Gegen 19 Uhr beruhigt sich Lage am Stuttgarter Hauptbahnhof.

Wie sieht es am Flughafen aus? „In Stuttgart sind wir noch glücklich dran.“ Der stellvertretenden Pressesprecherin des Flughafens, Beate Schleicher, ist die Erleichterung anzumerken. Dennoch gab es auch auf den Fildern einige Ausfälle. Zwei erwartete Maschinen aus Amsterdam und jeweils eine aus London, Hamburg, Bremen und Rostock seien wegen des schlechten Wetters erst gar nicht gestartet, berichtet Beate Schleicher. Betroffen waren davon etwa 600 Passagiere. Ebenso viele Fluggäste konnten in Stuttgart nicht abfliegen, weil ihre Maschinen nicht in Stuttgart gelandet waren. Üblicherweise werden die Kunden von ihren Airlines oder Reiseveranstaltern umgebucht oder erhalten Bahntickets, um noch ans Ziel zu kommen. Letzteres war gestern nicht möglich. Die gestrigen Flugausfälle in Stuttgart beschränkten sich auf die Zeit zwischen 9 Uhr und 14.25 Uhr. „Danach lief der Betrieb ganz normal weiter“, so Sprecherin Schleicher.