Vor 25 Jahren wanderte Volker Rätz aus. Nun war der Auswanderer aus Stuttgart auf Heimatbesuch Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein Stuttgarter aus Zuffenhausen hat in der Stadt Vigo gleich zwei neue Trends etabliert: einen VW-Campingbus-Verleih und die Maultaschen aus der Küche seiner Mutter. Kein einfaches Geschäft.

Stuttgart - 4036 Kilometer, ein großer Karton voller Campingbus-Flyer und 120 hausgemachte Maultaschen – das sind die Eckdaten der alljährlichen Rundreise von Volker Rätz aus Zuffenhausen. Wenn Hunderte Reiseveranstalter Spezialitäten aus ihrer fernen Heimat zur Caravan, Motor und Touristik (CMT) nach Stuttgart karren, macht Rätz es umgekehrt: Er bringt die Flyer aus seiner Wahlheimat Vigo mit nach Stuttgart und kutschiert auf der Rückfahrt die Fracht aus der Küche seiner Mutter einmal quer durch Frankreich bis nach Spanien.

Dort, im Strandort Vigo nahe der portugiesischen Grenze, lebt der Stuttgarter seit fast einem Vierteljahrhundert. Seine spanischen Freunde sind im Laufe der Jahre auf den Maultaschen-Geschmack gekommen. „Die sind da alle ganz heiß drauf“, sagt Rätz in einem Café am Schlossplatz, wenige Wochen bevor es zurück nach Vigo geht. „Aber die kriegt natürlich nicht jeder.“

Der Mann mit den kurzen grauen Haaren und der verrauchten Stimme grinst schelmisch. Ein paar Maultaschen will er schließlich auch noch für sich selbst behalten. „Meeresfrüchte statt Maultaschen“, hat vor Jahren einmal ein Journalist über ihn geschrieben. „Aber das stimmt überhaupt nicht“, sagt der 56-Jährige. Meeresfrüchte, obwohl die Hafenstadt Vigo berühmt dafür sei, schmeckten ihm auch nach 25 Jahren nicht.

Im Campingbus von Stuttgart ans Meer

Von Stuttgart zurück ans spanische Meer wird ihn sein bunt bedruckter VW-Campingbus bringen, einer von zwölf, die Rätz’ Flotte aktuell zählt. Kurz vor Weihnachten ist er in Stuttgart eingetroffen, wie jedes Jahr. Seitdem hat er nicht nur auf der CMT Flyer verteilt und mit seiner Mutter Maultaschen gemacht, sondern auch noch eben in Hamburg einen VW-Bus an ein spanisches Pärchen verkauft, für das er im Internet nach einem passenden Modell gesucht hatte.

Wie eine Rückkehr zum Beginn all seiner Geschäfte in Spanien war das: „Ein Freund hat mir einen VW-Bus da gelassen, als ich schon in Spanien lebte, damit ich den für ihn verkaufe. Damit hat alles angefangen.“ Mit dem Vermieten von Bussen hat Rätz dann erst ganz gemächlich angefangen. Der stete Tropfen höhlt den Stein: Stück für Stück habe er sich durchgesetzt gegen die Skepsis der Spanier. „Die kannten ja keine VW-Busse“, sagt Rätz. „Was will der verrückte Alemán hier mit seinen komischen Autos“, hätten seine Nachbarn am Anfang gesagt.

Das Feuer: 2004 verlor Rätz fast alles

„Ohne Volker wäre die Reise nicht so toll gewesen“, lautete dagegen rund 20 Jahre später, im September 2014, das Urteil von Timon und Sarah im Gästebuch auf Rätz’ Website. Martin, Michael und Martin schreiben: „Kein Zweifel, Volker ist mehr als ‚nur‘ ein Campingbus-Vermieter“. Die Tipps, die Urlauber in keinem Reiseführer fänden, sondern nur bei Rätz, seien unentbehrlich.

„Ohne die Website wäre das Geschäft mau“, sagt Rätz und zieht wie zur Warnung die Mundwinkel herunter. Früher seien seine Kunden fast ausschließlich Spanier gewesen. Seit der Website habe sich der Kundenstamm grundlegend verändert: Jetzt seien es zu 90 Prozent Deutsche. „Grade rechtzeitig zur Wirtschaftskrise kam der Wechsel“, sagt Rätz. Die Spanier hätten heute viel weniger Geld als früher für Urlaub übrig. Es gab auch Rückschläge: 2004 sei eine Werkstatt, in der er gerade vier Busse zur Reparatur hatte, abgebrannt – „90 000 Euro waren futsch“, sagt Rätz. Im April 2014 sei ihm ein Bus gestohlen worden, den er bis heute nicht wiedergesehen habe.

Auswanderer-Sendungen machen Rätz sauer

Auch abgesehen davon sei sein Geschäft kein einfaches, sagt der 56-Jährige. „Im Sommer arbeite ich Tag und Nacht, aber von Oktober bis Ostern kommt gar kein Geld rein. Das ganze Ersparte geht dann im Winter wieder drauf.“ An Aufgeben aber denkt er nicht. Stattdessen macht er seinem Frust bei den Auswanderer-Sendungen im Fernsehen Luft. „Da werde ich sauer, wenn die gescheitert nach Hause kommen und heulen“, sagt Rätz und fuchtelt mit den Händen, als wolle er die Fernseh-Auswanderer die Härte seines eigenen Lebens spüren lassen. „Mit einer halben Million im Gepäck auswandern kann doch jeder.“

Abgesehen von so mancher Geldsorge hat Rätz aber auch eine neue Hoffnung: Ab Juni fliegt die Billig-Fluglinie Easyjet von Stuttgart nach Porto – und von dort sind es nur eineinhalb Stunden mit dem Auto bis zu Rätz’ VW-Verleih. Er hofft, dass dadurch mehr Kunden aus dem Südwesten den Weg zu ihm finden werden. Selbst wird er trotzdem weiterhin mit Bus und Maultaschen zwischen Stuttgart und Spanien hin und her tingeln. Der Campingbusexperte hat Flugangst.