Alte Haudegen des Austropop und eine Auswahl ihrer Nachfolger haben sich im niederösterreichischen Tulln ein seltenes Stelldichein gegeben. Sie feierten mit einem emotionalen Konzert das 25-jährige Bestehen der dortigen Donaubühne. Und der Leitwolf des Genres klagt: „Die Menschen zerren an mir herum.“
Es geschieht ausgerechnet in Tulln an der Donau, einen viertelstündigen Spaziergang vom Bahnhof entfernt: Nicht in Wien, sondern 40 Kilometer nordwestlich, singt gerade mal zwei Wochen nach dem Ausscheiden der österreichischen Nationalmannschaft bei der Fußball-EM in einer lauen Sommernacht um 23.15 Uhr Marianne Mendt (78), von der es heißt, dass sie anno 1970 ein Genre namens Austropop eingeläutet hat, bläserbefeuert ihren ersten Hit „Wie a Glockn“. Birgit Denk und Ina Regen – stimmstarke Musikerinnen, die ihre Töchter sein könnten – gesellen sich zu ihr auf die Donaubühne, und die Bläser zelebrieren entschiedenes Anschwellen. Dann feuert Wolfgang Ambros (72) zum Jubel der 2500 Festgäste das Lied ab, das 1971 dem Austropop einen nachhaltigen Schub verlieh und ihm eine Karriere als Leitwolf bescherte: Im knurrig herausgebellten „Da Hofa“ entpuppt sich der vermeintliche Täter eines Tötungsdeliktes als „Leich‘ im Rinnsal“, und spätestens als der inzwischen an zwei Stöcken gehende Entertainer Ambros das Publikum die Pointe singen lässt, wird Österreich kurz vor Mitternacht doch noch Europa-, ach was, Weltmeister – in einer nicht olympischen Disziplin, die makabres Selbstbewusstsein sympathisch feiert.