Auch sie soll aus der AfD ausgeschlossen werden: Schleswig-Holsteins Parteivorsitzende Doris Sayn-Wittgenstein Foto: dpa

Die Kontakte in rechtsextreme Kreise sind keine bedauerlichen Einzelfälle und drängen die AfD zu einer eindeutigen Richtungsentscheidung, kommentiert unser stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Molitor.

Stuttgart - Eine Klage, die die Welt verändern kann: Mit starken Worten hatte die AfD im Mai dieses Jahres ihre drei Anträge beim Bundesverfassungsgericht untertitelt. Sie sollten die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin an den Pranger stellen und Angela Merkels Entscheidung von Anfang September 2015 überprüfen lassen, Flüchtlinge an der Grenze von Österreich nach Deutschland nicht abzuweisen. Doch aus der rechten Weltveränderung wird nichts – wenn auch nur aus in dem Organstreitverfahren liegenden formalrechtlichen Gründen und nicht nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Gleichwie: Der AfD-Versuch, sich in Karlsruhe „eine Herrschaft des Unrechts“ attestieren zu lassen, ist auf ganzer Linie und wenig spektakulär gescheitert.

Nein, bei der AfD läuft es zurzeit nicht rund. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat gegen ihren Thüringer Landeschef Björn Höcke ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er das Foto einer in Spanien ermordeten Leipziger Studentin bei einer Demonstration und auf seiner Facebook-Seite für seine politischen Zwecke missbraucht haben soll. In Mainz wird der 29-jährige AfD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier vom Landgericht wegen Beteiligung an einem Hooliganangriff auf Fußballfans im Jahr 2012 zu einer Geldstrafe von 16 200 Euro verurteilt. In Berlin verkündet der AfD-Parlamentarier Uwe Kamann wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die politische und fachpolitische Ausrichtung“ den Austritt aus Partei und Fraktion – nach Frauke Petry und Mario Mieruch schon der Dritte im Bunde. Und in Südafrika trifft sich Petr Bystron, AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, auf einer vom Bundestag finanzierten Dienstreise mit der rechtsextremen, zum Rassenkrieg rufenden Gruppe „Suidlanders“ und absolviert mit ihr ein Schießtraining.

Verfassungsschutz will im Januar über Beobachtung der AfD entscheiden

Damit nicht genug: Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen muss „tatsächlich Probleme in der Jungen Alternative“ einräumen, jener kameradschaftlich ins rechtsextreme Milieu schielenden Parteijugend, deren Landesverbände in Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachsen vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Besonders die für diesen Januar angekündigte Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und seiner Landesämter über eine mögliche Beobachtung macht die AfD-Spitze – weit mehr noch als die ungeklärten, ausländischen und höchst dubiosen Geldspenden an Co-Fraktionschefin Alice Weidel – hochnervös.

Der Antrag des AfD-Bundesvorstandes, die Landeschefin von Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, wegen ihrer Kontakte zu dem rechtsextremistischen „Verein Gedächtnisstätte“ aus der Partei auszuschließen, gehört da zum hektischen Krisenmanagement ebenso wie die Bekundung des baden-württembergischen Vorstands, gegen den extrem uneinsichtigen Landtagsabgeordneten Stefan Räpple ein Ausschlussverfahren einleiten zu wollen.

Zwischen Ost und West verläuft die AfD-Schmerzgrenze

Noch liegt die AfD in Umfragen im Bund zwischen zwölf und 14 Prozent. Tendenz stagnierend. Im Osten, wo im Herbst 2019 Landtage in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt werden, kommt sie mit extremeren Personen und Positionen dagegen auf 26 Prozent – knapp hinter der CDU. Zwischen Ost und West verläuft in der AfD die Schmerzgrenze. Die Partei-Spitze zaudert, sich vom prozentualen Ost-Höhenflug blenden zu lassen. Sie weiß, dass starke Teile ihrer wutbürgerlichen Klientel durch eine Verfassungsschutzbeobachtung abgeschreckt werden dürften. Aussitzen kann man die Richtungsentscheidung nicht. Gut möglich, dass man sie früher treffen muss, als es der AfD in den Kram passt.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de