Der erste Block in Neckarwestheim ging schon 2011 vom Netz, nun folgt der zweite Block. Foto: /IMAGO/Arnulf Hettrich

Das Kernkraftwerk Neckarwestheim geht am 15. April vom Netz. Insgesamt kostet der Rückbau der fünf Reaktoren im Südwesten neun Milliarden Euro – fast so viel wie Stuttgart 21.

Ohne jegliche offizielle Feierlichkeit geht das Atomzeitalter in Baden-Württemberg zu Ende: Wenn am 15. April im zweiten Block des Atomkraftwerkes in Neckarwestheim die Steuerstäbe eingefahren und der Generator vom Stromnetz getrennt wird, ist Jörg Michels als Geschäftsführer der Kernkraftsparte der EnBW zwar vor Ort – aber Gäste sind nicht eingeladen, Reden werden keine gehalten. Draußen dagegen wird Remmidemmi sein: Atomkraftgegner feiern ab 13 Uhr vor dem Kraftwerk ein Abschalt-Fest und 50 Jahre Widerstand.

Neckarwestheim II war 1989 das letzte AKW, das in Deutschland in Betrieb ging, und es wird mit Emsland und Isar II das letzte sein, das abgeschaltet wird. Es hat jährlich elf Milliarden Kilowattstunden produziert und damit ein Sechstel des Strombedarfs in Baden-Württemberg gedeckt.

War der Streckbetrieb zwingend notwendig gewesen?

Ob der zusätzliche Streckbetrieb von dreieinhalb Monaten nun zwingend notwendig gewesen war, weiß Jörg Michels nicht zu beantworten, er sei aber sicherlich eine Hilfe gewesen, um weniger Strom aus dem Ausland zuzukaufen. Was Michels aber weiß: Die kurze Laufzeitverlängerung habe die EnBW unglaublich viel Arbeit und einen unteren dreistelligen Millionenbetrag gekostet. Man habe dies für die Versorgungssicherheit in Kauf genommen, aus wirtschaftlicher Sicht sei „die Marge nicht so hoch“.

Der geplante Rückbau des Kernkraftwerks wird sich nun vermutlich um mehr als nur um dreieinhalb Monate verzögern – es müssten etwa viele Verträge mit Spezialfirmen geändert oder neu verhandelt werden. Zumindest wird in Kürze die Genehmigung für den Rückbau erwartet. Ab dem 15. April wird der Druckwasserreaktor in wenigen Tagen vollständig heruntergefahren. Dann werden die 183 Brennelemente aus dem Reaktordruckbehälter ins Lagerbecken überführt, wo sich schon 472 weitere befinden.

Dort lagern sie drei bis fünf Jahre, bis sie ins Zwischenlager kommen, das sich in zwei Tunneln auf dem Gelände des Kraftwerks befindet, aber in der Verantwortung der staatlichen Gesellschaft für Zwischenlagerung steht. Der gesamte nukleare Rückbau von Neckarwestheim II werde zehn bis 15 Jahre dauern, so Michels, danach stehen aber die Gebäude noch. Zur anschließenden Nutzung gibt es noch keine Pläne. Die vier weiteren Blöcke im Südwesten in Obrigheim, Philippsburg und Neckarwestheim sind teils schon weit fortgeschritten beim Rückbau.

Zwischenlager in Neckarwestheim und Philippsburg

Der AKW-Betrieb endet am 15. April, der Atommüll aber wird noch Jahrzehnte in den Zwischenlagern in Philippsburg (dort sind derzeit 92 von 152 Castor-Lagerplätzen belegt) und Neckarwestheim (94 von 151) verbleiben. Ein Endlager geht nicht vor 2050 in Betrieb. Zudem gibt es an beiden Standorten ein Abfallzwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe.

An der Verschrottung und teils Deponierung anderer Materialien gibt es weiter Kritik. Denn manche Teile weisen eine niedrige Strahlung auf, dürfen aber „freigemessen“ werden. Fritz Mielert vom BUND Baden-Württemberg hält das für gefährlich: „Die Niedrigstrahlung kann ernsthafte Erkrankungen hervorrufen“, sagt er.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte am Donnerstag in Berlin, es sei gut, dass Mitte April eine neue Ära beginne. Sie warnte vor „rückwärtsgewandten Debatten“ über eine weitere Nutzung der Kernkraft. Lemke: „Wir haben etwa drei Generationen lang Atomkraft genutzt und dabei Abfälle produziert, die noch für 30 000 Generationen gefährlich bleiben“.