Die Fotografin Claudia Thoelen hat den Alltag von vier Paaren eingefangen, bei denen ein Partner an Demenz erkrankt ist. Foto: Gottfried Stoppel

Das Thema müsse dort hingerückt werden, wo es hingehöre, sagt die Sozialministerin: „in die Mitte unserer Gesellschaft“. Am Donnerstagabend hat Katrin Altpeter eine Fotoausstellung über Demenz im Waiblinger Familienzentrum Karo eröffnet.

Waiblingen - Auf den ersten Blick wirken Elisabeth und Detlef wie ein ganz normales älteres Paar. Sie lächeln vom Sofa aus kerzengerade aufgestreckt in die Kamera oder sitzen – vermeintlich unbeobachtet – ein wenig erschöpft auf einer Bank in einem Einkaufszentrum. Erst auf einem Foto, das zeigt, wie Detlef seiner Frau in der Öffentlichkeit liebevoll die Bluse zuknöpft und Elisabeth ihn mit leerem Blick verständnislos anschaut, merkt der Betrachter, dass an der Beziehung etwas anders ist.

Die Hamburger Fotografin Claudia Thoelen hat mit ihrer Kamera vier Paare begleitet, bei denen jeweils einer der Partner an Demenz erkrankt ist. Ihre Bilder zeigen den Alltag der Beziehungen, die „blauen und grauen Tage“. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat unter diesem Titel einen Bildband herausgegeben und eine Auswahl der Momentaufnahmen in einer Wanderausstellung zusammengefasst.

Ausstellung ist schon 6300 Kilometer gereist

Diese ist in den vergangenen fünf Jahren quer durch ganz Baden-Württemberg gereist, insgesamt 6300 Kilometer, so weit wie von Stuttgart nach New York. Eigentlich, sagt Sylvia Kern, die Geschäftsführerin der baden-württembergischen Alzheimergesellschaft, sei sie nur für ein Jahr konzipiert worden. Doch durch die große Nachfrage sei die Schau mittlerweile zu einem Dauerbrenner geworden. Das nächste Jahr sei schon komplett ausgebucht.

Seit Donnerstagabend sind die Fotos im Waiblinger Familienzentrum Karo zu sehen, ihrer bereits 60. Station. Die Sozialministerin Katrin Altpeter hat die Ausstellung in ihrer Heimatstadt eröffnet, weil ihr, wie sie sagt, das Thema sehr am Herzen liege. Die Fotos bewirkten, was für den Umgang mit der Erkrankung ungemein wichtig sei, sagt die gelernte Altenpflegerin Altpeter. Sie sorgten dafür, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen und rückten das Thema dort hin, wo es hingehöre: „in die Mitte unserer Gesellschaft“.

Denn obwohl Politik und Kommunen sich auf den Weg gemacht hätten, im Vor- und Umfeld der Pflege eine bessere Angebots- und Infrastruktur zu schaffen, müssten noch mindestens die gleichen Anstrengungen für eine andere öffentliche Wahrnehmung unternommen werden. Selbst pflegende Angehörige wüssten vielfach nicht, dass es noch einige Schattierungen zwischen einer häuslichen und der stationären Versorgung gebe.

„Ganz normaler Teil unserer Gesellschaft“

Vom Sportverein bis zum Gottesdienst – „wir müssen da hin kommen, dass Demenz ein ganz normaler Teil unserer Gesellschaft wird“, betont Sylvia Kern. Die Betroffenen müssten aus ihrer Isolation herausgeholt werden, die pflegenden Angehörigen mehr Anerkennung und Entlastung erfahren.

Bereits heute sind laut Schätzungen der Deutschen Alzheimergesellschaft rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt, heruntergerechnet bedeutet das 8000 Personen im Rems-Murr-Kreis. Schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung sei Demenz eine Entwicklung, die „zunimmt und zunimmt und zunimmt“, wie Sylvia Kern sagt. „Wir sollten uns bewusst machen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es auch uns treffen kann, nicht gering ist“, sagt Kern, „und schon allein deshalb rechtzeitig die nötigen Voraussetzungen schaffen.“

Ausstellung mit Begleitprogramm

Ausstellung
Die Fotoschau „Blaue und graue Tage“ ist noch bis zum 27. November im Familienzentrum Karo am Alten Postplatz 17 in Waiblingen zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 9.30 bis 12 Uhr und 14.30 bis 21 Uhr.

Begleitprogramm
Die im Familienzentrum vertretenen Einrichtungen bieten eine ganze Reihe von Veranstaltungen, Kursen und Vorträgen zum Thema Demenz an – vom Tanztee für Frauen mit Demenz über die Firmvorführung von „Still Alice – mein Leben ohne Gestern“ bis zum Entspannungsabend für Angehörige.