Auch kleine Pappfiguren aus der Feder von Ilse Wende-Lungershausen sind im Württemberg-Haus Beutelsbach zu sehen. Foto: Gottfried Stoppe/l

Das Württemberg-Haus in Beutelsbach zeigt eine Sonderausstellung über die Illustratorin Ilse Wende-Lungershausen. In ihrem Werk an Kinderbüchern, Postkarten und Spielen findet sich auch NS-Propaganda.

Wer kennt sie nicht aus Kindertagen, die pausbäckigen Mädchen und Jungen mit roten Wangen, niedlichen Mündern und Kulleraugen, die Bücher, Puzzle und Postkarten zieren. Auch jüngeren Generationen dürften sie vertraut sein durch abgelegte Kindersachen der Eltern, auf die sie beim Stöbern in Haus oder Wohnung der Großeltern gestoßen sind. Die Illustratorin Ilse Wende-Lungershausen, die sie geschaffen hat, ist indes wohl nur wenigen bekannt. Auch Wiebke Behning ging es so, als sie auf einem Flohmarkt auf eine von Wende-Lungershausen gestaltete Anziehpuppe stieß, die sie an ihre Kindheit erinnerte.

Beim Kauf dieser Anziehpuppe ist es nicht geblieben, wie die neue Sonderausstellung im Württemberg-Haus Beutelsbach zeigt. Unter dem Titel „Bunte Kinderwelt – Die Illustratorin Ilse Wende-Lungershausen“ präsentiert Behning ihre Sammlung an Bildnissen der aus Berlin stammenden Grafikerin. Zahlreiche Postkarten füllen in Sammelrahmen die Wände, Kinderbücher, Anziehpuppen, Puzzle und Spiele die Vitrinen. Es ist wahrlich eine bunte Kinderwelt, die man als Besucher in den beiden Ausstellungsräumen im Obergeschoss betritt.

Eine umfangreiche Privatsammlung

„Im Prinzip ist das alles Beifang von Flohmärkten“, sagt Wiebke Behning, die in ihrer Privatsammlung zusammen mit ihrem Mann Hinrich zahlreiche weitere Dinge ihr Eigen nennt und vielfach bereits im Württemberg-Haus ausgestellt hat. Angefangen von historischen Kaffeemaschinen und Teekochern über Glanzbilder, Poesiealben, Oster- und Weihnachtsschmuck, Adventskalender, Papierkrippen bis hin zu Christbaumständern. Dabei gehe es ihr nicht um eine wissenschaftliche Aufarbeitung, sondern einfach darum, Freude zu haben und anderen zu bereiten.

„Der eine oder andere wird ein Déjà-vu erleben“, sagt der Stadtarchivar Bernd Breyvogel über die Sonderausstellung. Auch bei ihm, in den 1970er Jahren aufgewachsen, wecke sie Erinnerungen. Zwar seien Wende-Lungershausens Illustrationen vor allem in den 1920er bis 1960er Jahren aufgelegt worden, aber später habe es noch viele Nachdrucke gegeben – oftmals, ohne dass der Name der Macherin noch Erwähnung fand. So komme es, dass sie zu den erfolgreichsten Kinder- und Postkartenillustratoren des 20. Jahrhunderts gehöre mit einer großen Produktpalette, sie selbst aber eine Unbekannte für viele ist. Daher wolle man Wende-Lungershausen mit der Schau im Württemberg-Haus den Platz in der Geschichte der Illustration einräumen, der ihr gebühre. Dabei sind ihre Kinderbilderillustrationen keineswegs nur niedlich. Es finden sich darunter auch Propagandapostkarten und -bücher aus der NS-Zeit. Wie kam Wende-Lungershausen dazu, derartiges anzufertigen, nachdem sie in den 1920er Jahren die unter jüdischer Leitung stehende Kunstgewerbeschule Reimann in Berlin-Schöneberg besucht hat und auch viele jüdische Freunde hatte? Des Rätsels Lösung ist ihr Mann Bernhard Wende als Herausgeber der Propaganda-Bücher, die seine Frau illustrierte, der Mitglied der NS-Reichskammer der bildenden Künste war. Eines davon ist in der Ausstellung zu sehen sowie einige der Postkarten.

Nur einmal ist ein Hakenkreuz zu sehen

Auf heutige Betrachter wirkt es bizarr, wie kleine Buben mit Kriegsausrüstung spielen. Darunter stehen Sprüche wie „Mit Mut voran“, „Auf zur Attacke“ und „Lasst sie nur kommen“. Markant ist auch das Rollenbild, in das die Mädchen hineinwachsen sollten, als jene, die im Lazarett arbeiten oder Grüße aus der Heimat schicken, wo sie an ihre Lieben beim Militär denken. Auffällig dabei sei, meint Breyvogel, dass nur auf einer der Postkarten ein Hakenkreuz abgebildet sei, und das auch nur verdeckt: „Man könnte vermuten, dass das ihre Art war, nach außen dem Druck nachzugeben, aber auf einer für sie selbst akzeptablen Weise.“ Zumal sie selbst nie der NSDAP beigetreten sei.

Einen Gesamtüberblick über Wende-Lungershausens Schaffen gibt die Begleitbroschüre, die Ulf Graupner vergangenes Jahr anlässlich ihres 30. Todestages herausgegeben hat zu einer Ausstellung über sie in Bad Kissingen, wohin die Illustratorin nach dem Krieg in den 1950er Jahren zog. Im Württemberg-Haus sind einige Exemplare erhältlich. Zudem stand Graupner als ausgewiesener Wende-Lungershausen-Experte Behning mit Rat zur Seite, um Plagiat-Illustrationen zu identifizieren.

Dass die am 9. Juli 1900 in Berlin geborene und am 22. August 1991 in Ravensburg gestorbene Grafikerin weltweit vielfach kopiert wurde, spreche für ihren Erfolg, meint Breyvogel. Um dies zu dokumentieren, zeigt Behning einige Beispiele im Württemberg-Haus. Des Weiteren sind auch Illustrationen ihres Sohnes Niko zu sehen, der ganz im Stil seiner Mutter gearbeitet hat.