Im Maßstab 1:87 haben die Modelleisenbahner Bahnstrecken und Landschaft detailreich nachgebaut. Foto: Georg Linsenmann

Im Zwischengeschoss der S-Bahnhaltestelle „Universität“ haben die Mitglieder des Modelleisenbahnclubs Stuttgart (MECS) eine detailreiche Miniaturwelt aufgebaut. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen geworfen.

Vaihingen - Lange Rolltreppen führen vom S-Bahnhalt „Universität“ auf die erste Ebene, genau 77 Treppenstufen von oben an dieselbe Stelle. Eine sehr nüchterne, sehr kühle Örtlichkeit, zu der das sumpfige Braun der Stahltüren wie ein optisches Resümee wirkt. Kaum größer lässt sich der Kontrast dazu denken, der sich beim Eintreten bietet: eine Bilderbuchlandschaft wie aus einem Allgäu-Werbeprospekt! Die perfekte Kulisse für die Eisenbahn-Romantik der 1960er Jahre, die hier vom Modelleisenbahnclub Stuttgart (MECS) auf einem fast einen Kilometer langen Schienennetz en miniature im H0-Format, also maßstabsgetreu 1:87, in Szene gesetzt wird.

Gleich beim Eintritt steht man vor dem großen Gleisbogen, um den sich rechter Hand die Panorama-Landschaft biegt. Drei leicht versetzte Tunnels führen ins Gebirge, und nach vorne öffnet sich auf locker zehn Metern die Weite zum Hauptbahnhof „Langenthal“, mit einem vollen Dutzend Schienensträngen. Wie bestellt tuckert ein langer Kohlezug heran. Zwei Dampfloks vorne, eine Schiebelok hinten: „Die schafft einen Kesselzug auch alleine“, sagt Wolfgang Krampe, während das Kraftpaket aus der Wirtschaftswunder-Zeit von einem schnittigen ICE überholt wird: „Das ist unser Zugeständnis an die Gegenwart, denn Jungs haben immer wieder gefragt, warum wir keine Schnellzüge haben.“

Über 800 Waggons stehen bereit

Schnell also mal ein erster Durchgang durch die Anlage, auf einen Abstecher zu allen vier Bahnhöfen. An den Häuserzeilen von Langenthal vorbei, malerisch akkurat in die Kulisse verlängert, führt die Paradestrecke durch den Fuchsberg in einem langen Linksschwenk zum Bahnhof Reutte. Von dessen Vorplatz schlängelt sich in die eine Richtung eine Zahnradbahn am steilen Felshang hoch auf den Wandelberg, wo die Gäste in einem ganz oben platzierten Alpenhof nächtigen können. Für den Gepäcktransport sorgt eine kleine Seilbahn. In die andere Richtung geht es von Reutte via Hochdorf und von dort weit hinten herum über Nordingen wieder nach Langenthal.

Es ist eine faszinierende Reise, bei der man sich nicht nur in die Landschaft en gros, sondern im harmonischen Gesamtbild auch in die schwer fassbare Zahl von Details verlieren kann. Naturalistisch nachgebildet sind nicht nur Täler, Wiesen, schroffe Felshänge und Bergdurchbrüche. Nebenan plätschert auch mal ein Bächlein, leuchtet ein Bergsee, wird der Müller beliefert, sind Ausflügler unterwegs. Und wenn ein Zug naht, müssen sie artig an den sich senkenden Schranken warten. 80 Zuggarnituren mit über 800 Waggons stehen bereit, um hier in unablässiger Abfolge durch die Landschaft zu surren.

Das geht nur, weil die Anlage auch eine faszinierende Unterwelt hat. Auf drei Etagen befinden sich diese „Depot-Bahnhöfe“ und Zuführgleise, mit zwei sechsstöckigen Wendelgleisen von je zwei Metern Durchmessern nahtlos mit der Oberwelt verbunden. „Dahinter steckt eine ausgefeilte, von uns selbst gebaute technische Anlage, auf die wir besonders stolz sind“, sagt Peter Anhalt, der Geschäftsführer des Vereins. Dass das alles so reibungslos schnurrt, ist vor allem Chef-Techniker Wolfgang Krampe zu danken, der hier sein berufliches Know-how einbringt: als Elektronik-Entwickler der Automobilbranche. Mit einem smarten Lächeln erklärt er: „Wenn wir nach Fahrplan fahren, sind wir bestimmt pünktlicher als die Deutsche Bahn!“

Die zweite Paradestrecke ist noch im Bau

Das Ganze sei „ein riesiges, über die Jahre gewachsenes Gemeinschaftswerk von gut zwölf Leuten“, betont Anhalt, „jeder bringt seine Fähigkeiten ein, und alles geht Hand in Hand“. Und es geht immer weiter! Bei der neuen Paradestrecke etwa sind nur mal die Gleise gelegt, die Landschaft ist erst im Entstehen: „Zu sehen, wie neben dem Fertigen parallel etwas entsteht, das macht für viele Besucher den zusätzlichen Reiz unserer Anlage aus.“ Für Kinder wird der Erlebniswert noch in der Bastelstube erhöht, wo sie mit Modellbögen und Zubehör etwas zum Mitnehmen basteln können. Daneben gibt es einen Basar mit preisgünstigen Gebrauchtmodellen, und im Café Gleisblick kann man sich stärken für die nächste Runde Zug-Romantik. Anhalt, tatsächlich einst auf einem Bahnhof zur Welt gekommen, weiß, was neben dem technischen Moment die Faszination der Anlage ausmacht: „Es ist eine Auszeit vom oft rauen Alltag, eine wunderbar heile Spiel- und Fantasiewelt. So was braucht man doch hin wieder fürs Gemüt!“

Die Anlage des Modelleisenbahnclubs Stuttgart befindet sich in der unter Zwischenetage der S-Bahnstation „Universität“ in Vaihingen, auf Höhe der Rolltreppen. Sie hat geöffnet am 6., 7. und 21. Januar, jeweils von 10 bis 18 Uhr.