Mechtild Schöllkopf-Horlacher Foto: Martin Bernklau

Im Alten Rathaus gedenkt Mechtild Schöllkopf-Horlacher der zur NS-Zeit ermordeten Kinder. Eines der toten Kinder, ein mit 14 in Irsee umgebrachter Jenischen-Junge, ist herausgehoben, weil sein Schicksal genauer dokumentiert wurde.

Sillenbuch - Es ist ein Versuch, sagt die Künstlerin. Eine kleine, fast provisorische Ausstellung im Alten Sillenbucher Rathaus, wo für Mechtild Schöllkopf-Horlacher zwei Kollegen ihre Atelier-Räume zur Verfügung gestellt haben, wurde vergangene Woche eröffnet. Aber es ist eine tief erschütternde Ausstellung. Sie widmet sich den Kindern, deren Ermordung zu drei verschiedenen nationalsozialistischen Verbrechen in Irsee, in Izieu und am Bullenhuser Damm gehört – und zum Umfeld der Ausstellung „Im Gedenken der Kinder“ im Stuttgarter Rathaus, die sich mit den Taten der NS-Kinderärzte im Rahmen der sogenannten Euthanasie beschäftigt.

Mechtild Schöllkopf-Horlacher, in eine kinderreiche katholische Großfamilie aus Kirchheim/Teck hineingeboren, hat zum Ende ihrer aufregenden Berufslaufbahn zwischen Ateliers und Bühnen, Intendanten- und Ministerbüros das in jungen Jahren abgebrochene Kunststudium vollendet.

„Entsetzt und ratlos“

Als sie vor ein paar Jahren zweimal mit zwei Meisterklassen der Stuttgarter Kunstakademie ins Bildungszentrum des früheren Klosters Irsee bei Kaufbeuren im Allgäu kam, erfuhr sie eher beiläufig von der „unschönen Zeit“ der so schönen Abtei – nämlich als eine Heil- und Pflegeanstalt, wo während der Kriegsjahre etwa 2000 Patienten, darunter viele Kinder aus den berüchtigten Kinderfachabteilungen, zur Vergasung in die Vernichtungslager deportiert oder vor Ort mit Luminal-Tabletten oder auch durch spezielle „Hungerkost“ getötet wurden.

„Entsetzt und ratlos“ über die grausamen Geschehnisse, aber auch über „extreme, anklagende Darstellung des Elends und die entblößende Zurschaustellung dieser Kinder“, auf Bilderzyklen und Fotografien, ließ das Thema die Malerin nicht mehr los, auch künstlerisch nicht. Hinzu kam die Beschäftigung mit zwei weiteren, etwas bekannter gewordenen Nazi-Verbrechen an Kindern. Da waren die 44 jüdischen „Kinder von Isieux“, auf deren Deportations-Schicksal vom französischen Waisenhaus über der Rhone nach Auschwitz das Ehepaar Serge und Beate Klarsfeld beim späten Prozess gegen den Klaus Barbie weltweit aufmerksam machte, den Gestapo-Chef und „Schlächter von Lyon“.

Die Bilder sollen an die jungen Menschen erinnern

Und da waren die 20 Kinder vom Bullenhuser Damm, die in den allerletzten Kriegstagen noch bei einer unfassbaren Bestialität der SS-Schergen in Hamburg zum Opfer fielen. Sie waren vom KZ-Arzt Josef Mengele für grausige medizinische Versuche von Auschwitz in dieses Hamburger Außenlager von Neuengamme, ein großes Schulgebäude, geschickt worden, wo sie – ihre polnischen Pfleger und russische Kriegsgefangene dazu – zur Vertuschung der Verbrechen im Keller des Krankenhauses nacheinander an Heizungsrohren erhängt wurden.

Nicht diese Greuel will Mechtild Schöllkopf-Horlacher mit ihren Bildern zeigen, sondern an die jungen Menschen erinnern, die da hingemordet wurden. Sie will „die Gefühle der Kinder erspüren oder zumindest erahnen“ können. „Es ist ein Versuch.“ Eines der toten Kinder, ein mit 14 in Irsee umgebrachter Jenischen-Junge, ist herausgehoben, auch weil sein Schicksal genauer dokumentiert wurde und ein historischer Roman über ihn inzwischen an vielen Schulen behandelt wird: Ernst Lossa, der als Halbwaise aus einer reisenden Familie aus der Jenischen-Volksgruppe in die Fänge der Vernichter kam, obwohl er nicht behindert war, sondern den Mördern nur – erst recht nach ein paar Lebensmittel-Diebstählen für die kleinen Kameraden und Freunde – als asozialer, unerziehbarer und pathologischer Zigeuner galt.

Mechtild Schöllkopf-Horlacher hat großflächige Pastellbilder gemalt, stille und stilisierte Porträts der Kinder. Auch den auf Fotos erhaltenen tiefen, wissenden, traurigen Blick dieses Jungen versucht sie festzuhalten. Bearbeitete Fotografien der Kinder von Izieu hat sie ins Zentrum von 44 kleinen Materialbildern gestellt, die sich wie Votivtafeln zu einem Gruppenbild des Gedenkens reihen.