Fans des Stuttgarter Fußballklubs haben jahrelang die nicht ganz leichte Geschichte des Stuttgarter Fußballklubs aufgearbeitet – mit besonderem Fokus auf die NS-Zeit. Das Ergebnis ist in der Kneipe Rosis Pinte am Hölderlinplatz zu sehen.
S-West - Vor 75 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit, wenige Monate später endete der Zweite Weltkrieg. Die Aufarbeitung der schwierigen Vergangenheit, die ist noch lange nicht abgeschlossen.
Ein Fanprojekt der Stuttgarter Kickers will nun mit gutem Beispiel vorangehen. „Heimat Kickers – Die Blauen in bewegten Zeiten“ heißt eine Ausstellung, die sei dieser Woche in der Kneipe Rosis Pinte am Hölderlinplatz zu sehen ist. Sie ist das Ergebnis jahrelanger Recherche, die die Fans der Blauen gemeinsam mit dem Trägerverein Fanprojekt Stuttgart gestemmt haben. Gemeinsam haben sie die ersten 50 Jahre der Vereinsgeschichte aufgearbeitet – von der Gründung des Vereins 1899 bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949.
Die Fans setzen sich mit der Vereinsgeschichte auseinander
Betreut wird das Projekt unter anderem von Frank Baum, selbst Sozialarbeiter, der stark mit den Kickers sympathisiert. Schon im September 2017 sprachen ihn einige Fans darauf an, ob man nicht ein wenig Kickers-Erinnerungsarbeit anstellen wolle. „Sie wollten sich“, erinnert er sich, „im Zuge des wieder aufkeimenden Rechtspopulismus mit der Geschichte des Vereins auseinandersetzen, um auch die Menschen für das Thema zu sensibilisieren.“
Zu tun gab es als genug: „Zwei Weltkriege und die Weimarer Republik.“ Die Linie war entsprechend schnell klar: Wie wirkten sich politische und gesellschaftliche Umbrüche auf das Schicksal ganz der Menschen aus? Wie ging ein Verein damit um, wenn Sportler nicht mehr zusammenspielen konnten, weil der Mitspieler jüdischen Glaubens war, ins Exil gehen musste oder im Krieg getötet wurde?
Baum sagt dazu: „Wir teilten das Projekt in verschiedene Zeitabschnitte ein und stellten jedem dieser Abschnitte der Biografie eines einzelnen Vereinsmitglieds gegenüber.“ Dass Politik im Fußball nichts zu suchen haben sollte, wie man immer wieder hört, hält Baum für grundlegend falsch. Entsprechend seriös habe man das Projekt erarbeitet. „Wir waren im deutschen Fußballmuseum in Dortmund, um zu schauen, wie der DFB seine Geschichte aufbereitet, und sind später auch den Spuren von Kickers-Mitgliedern nach Verdun und ins KZ Natzweiler-Struthof gefolgt.“
Herausgekommen sind Texte und Schautafeln, aber auch eine dicke Broschüre, die sich auch den unbequemen Gegebenheiten stellt. Ebenso verständlich wie wichtig, dass insbesondere die NS-Zeit und der wenig ruhmreiche Umgang des Vereins mit seinen jüdischen Mitgliedern viel Aufmerksamkeit bekommen. Das, so muss betont werden, geschah mit voller Unterstützung des Vereins. „Der Verein hat uns sehr geholfen“, so Braun. „Sie waren sogar dankbar, dass man sich dieser Sache endlich annimmt.“
Ein besonderer Fokus liegt auf der NS-Zeit
Besonders herausgearbeitet wurde die Geschichte des Kickers-Schiedsrichters Julius Baumann. Der wurde schon 1933 aus dem Verein ausgeschlossen und hätte das Land verlassen können, entschied sich aber, zu bleiben, um für den Nachwuchs da zu sein. „Es ist beeindruckend zu sehen, wie er sich für andere aufgeopfert hat und sein eigenes Wohl untergeordnet hat“, so Baum. 1942 wurde er von den Nazis im KZ Mauthausen ermordet.
Noch bis zum 13. Februar ist die mit dem Julius-Hirsch-Preis vom DFB ausgezeichnete Ausstellung in Rosis Pinte zu sehen. Doch auch danach sollte diese Art der Vergangenheitsaufarbeitung nicht aufhören. „Es ist wichtig, dass das die anderen Vereine auch tun“, so Baum. „Außerdem müssen die Vereine oder Spieler klare Ansagen gegen jede Form von Diskriminierung machen und eindeutig Position beziehen. Im Stadion trifft sich milieuübergreifend alles, diesem Einfluss müssen sie gerecht werden.“